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Wirtschaft: Der Golf kommt nach Hause

Das Modell wird bald nur noch in Deutschland gebaut. Das Brüsseler Werk verliert 3800 Arbeitsplätze

Berlin - Volkswagen zieht den Golf aus Brüssel ab und stärkt dadurch seine deutschen Fabriken in Wolfsburg und im sächsischen Mosel. Europas größter Autohersteller teilte am Dienstag mit, künftig werde der Golf „nur noch in zwei Werken in Westeuropa“ produziert. Mit den belgischen Arbeitnehmervertretern seien Gespräche über die Belegung des Werks aufgenommen worden, „und es werden alle wirtschaftlichen Alternativen geprüft, um möglichst viele Arbeitsplätze in Brüssel erhalten zu können“. In dem dortigen Werk arbeiten derzeit 5300 Personen. Nach VW-Angaben sollen 1500 Stellen erhalten werden. Der Ministerpräsident von Flandern kritisierte die „deutsche Entscheidung zugunsten von Wolfsburg und Mosel“.

VW dagegen legitimierte den harten Schnitt in Brüssel auch mit dem Hinweis auf bis zu 20 000 Arbeitsplätze, die in den sechs westdeutschen Werken gestrichen würden. Allerdings vollzieht sich dieser Abbau ohne Kündigungen; die Mitarbeiter verlassen das Unternehmen freiwillig gegen Zahlung einer Abfindung oder gehen vorzeitig in den Ruhestand. In Brüssel dagegen läuft es auf betriebsbedingte Kündigungen hinaus. Schätzungen zufolge wird das VW mindestens 400 Millionen Euro kosten.

Bereits am Montag hatte der in Wolfsburg ansässige Gesamtbetriebsratschef und Präsident des europäischen Betriebsrats, Bernd Osterloh, erklärt, die Arbeitnehmervertreter erwarteten „alternative Produkte“ für Brüssel. Und es sei nie die Absicht gewesen, „zulasten anderer Standorte die Arbeitszeit an den westdeutschen Standorten zu erhöhen“. Im Endeffekt läuft es aber genau darauf hinaus. Ende September hatten sich in Wolfsburg die Konzernführung und die IG Metall auf ein neues Tarifwerk geeinigt. Aus Sicht des Unternehmens steht dabei eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 28,8 auf 33 Stunden im Mittelpunkt. Da die Mehrarbeit nicht bezahlt wird, spart VW natürlich enorm. Allerdings auch nur in dem Fall, dass genug Arbeit für 33 Stunden da ist. Mit der Verlagerung des Golf von Brüssel nach Wolfsburg dürfte das gewährleistet sein.

VW rechnet durch die Konzentration von drei auf zwei Golf-Werke mit Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich pro Jahr. Wann die Fertigung von Brüssel nach Wolfsburg verlagert wird, ist Gegenstand der Verhandlungen, die in diesen Tagen beginnen. Am heutigen Mittwoch will VW die Beschäftigten in Brüssel informieren. Für den kommenden Montag haben die europäischen Betriebsräte ein Treffen in Brüssel anberaumt.

Ausgangspunkt des gesamten Manövers sind die Überkapazitäten in Westeuropa. In fast allen Werken könnte VW derzeit mehr Autos produzieren als tatsächlich verkauft werden. Nach Berechnungen des Marktforschungsinstituts B & D-Forecast werden in Brüssel in diesem Jahr gut 130 000 Autos gebaut, möglich wären 165 000. Und im Wolfsburger Stammwerk, wo bei optimaler Auslastung rund 800 000 Autos im Jahr möglich wären, sind es in diesem Jahr nur 600 000. Ähnlich sind die Relationen in den zwei spanischen sowie im portugiesischen VW-Werk. Der Konzern kündigte am Dienstag ausdrücklich die Einbeziehung „weiterer Standorte in die Restrukturierung“ an. Für Brüssel bleibt nach dem Verlust des Golf vermutlich nur der Polo. Der wird derzeit auch in Pamplona (Spanien) und Bratislawa (Slowakei) gebaut. Da Bratislawa gut mit Geländewagen ausgelastet ist (VW-Touareg, Porsche Cayenne und Audi Q7), könnte von dort Polo-Volumen nach Brüssel verlegt werden.

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