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Wirtschaft: „Der große Vorteil von Hamburg ist die Nähe zu Berlin“

Robin Houcken, Geschäftsführer von Studio Hamburg, das auch in Adlershof TV-Shows produziert, vergleicht die Kreativwirtschaft beider Städte

Herr Houcken, wie sexy ist Berlin?

Als Stadt sehr, als Wirtschaftsmetropole weniger.

In Hamburg ist es umgekehrt.

Die Stadt Hamburg wird in ihrer Ausstrahlung unterschätzt.

Und wirtschaftlich überschätzt?

Das glaube ich nicht. Um den Musikmanager Tim Renner zu zitieren: „In Berlin ist man kreativ, in Hamburg wird man dafür bezahlt.“ Im Dienstleistungsbereich, der ja in beiden Städten entscheidend für die Wertschöpfung ist, hat Hamburg deutlich mehr Substanz.

Hat Berlin nicht aufgeholt?

Der Abstand ist eher größer geworden. Noch vor fünf Jahren sind zum Beispiel viele Werbeagenturen von Hamburg nach Berlin gegangen – und dann mit einem Kater aufgewacht. Es ist ganz schön, mal dort zu sein, und das eine oder andere Event darf man nicht verpassen. Aber das Geschäft macht man in Hamburg, München oder Nordrhein-Westfalen. Ich kenne eine ganze Menge Leute, die nach Berlin gegangen und inzwischen wieder zurückgekommen sind.

Warum kann man hier keine Geschäfte machen?

Die großen Konzerne haben Repräsentanzen in Berlin. Mehr aber auch nicht. Das Geschäft machen die operativen Bereiche aus, und die sind nicht in Berlin. Ein gutes Beispiel ist die Telekom: Eine prächtige Hauptstadtrepräsentanz, aber entscheidend sind Bonn und Darmstadt.

Viele Konzerne hat Hamburg auch nicht.

Die Industriestruktur ist aber gut gemischt. Es gibt Schwerindustrie wie zum Beispiel den Flugzeugbau, Handel und Weltwirtschaft durch den Hafen, Hochtechnologiebereiche, Energiewirtschaft und eine sehr ausgeprägte Dienstleistungswirtschaft, eben auch im kreativen Bereich.

Und Ihr Geschäft, die Medien? Wie unterscheiden sich da Berlin und Hamburg?

Berlin macht jetzt, nach der Abwanderung von Sat 1 die Erfahrung durch, die wir in Hamburg vor zehn Jahren nach dem Abgang von Premiere machen mussten. Das ist ein Problem. Solche großen Sender sind Clustermultiplikatoren, um die herum sich eine ganze Branche ansiedelt. Allerdings ist es für Berlin etwas einfacher eine solche Verlagerung auszugleichen als für Hamburg. Berlin hat eine große Anziehungskraft und für Talente und Stars bietet die Stadt so viel Attraktivität, dass sie dort sein wollen.

Trotzdem kann Studio Hamburg das Fernsehzentrum in Adlershof nicht auslasten.

Wir hatten Probleme nach dem Wegzug von Sat 1. Jetzt läuft unsere Auslastungskurve deutlich nach oben. Insbesondere mit „The Voice of Germany“, gruppieren sich diverse Talentbereiche wieder in der Hauptstadt. Zum Beispiel die Musikbranche. So eine Show mit allem drum und dran hat Berlin in den letzten Jahren gefehlt. In diesem Herbst werden mit „Der klügste Deutsche“ und „Das Quiz der Deutschen“ zwei Shows für die ARD in Adlershof realisiert und auch die Talks „Anne Will“ und „Eins gegen Eins“ sorgen für gute Auslastung.

Also ist TV gut in Berlin aufgehoben?

Die Fernsehwirtschaft leidet darunter, dass es keinen großen Sender gibt. Es gibt den RBB, aber der verfügt über begrenzte Kapazitäten. Wenn man sich bei einer internationalen Filmproduktion für Deutschland entscheidet, dann ist Berlin der Standort, an dem Produzenten, Regisseure und Schauspieler sein wollen.

Ein paar Filme und Modemessen sind zu wenig für die Kreativwirtschaft.

Wachstumspotenzial sehe ich in der Internetindustrie. In Berlin gibt es sehr gut ausgebildete und günstige Arbeitskräfte wie etwa Entwickler. Die kriegen sie an anderen Standorten zwar auch, aber die sind dort teurer, weil die Lebenshaltungskosten teurer sind. Das ist die Szene, die sich in Berlin schön entwickelt. Und davon profitiert auch Hamburg.

Wie das?

Der große Vorteil vom Standort Hamburg ist die Nähe zu Berlin. So verstehen wir auch unsere unternehmerische Tätigkeit: Wir wollen den Nordosten insgesamt bespielen.

Spielt es sich im eleganten Hamburg leichter als im etwas schmuddeligen Berlin?

Hamburg ist ja nicht nur elegant, da gibt es auch sehr harte Seiten. Was in Hamburg die Identität mit der Stadt erleichtert, ist ihre Kompaktheit. Es gibt einen kleinen Binnensee, um den sich die Stadt gruppiert. Es gibt ein richtiges Zentrum. Berlin ist sehr viel weitläufiger und auch - zumindest gefühlt - immer noch eine Stadt die zusammenwächst.

Hamburg wird vom nüchternen Scholz regiert, Berlin vom schillernden Wowereit - für jede Stadt der passende Kopf?

Scholz nimmt eine Managementaufgabe wahr. In Berlin stehen dagegen Stimmung und Wohlgefühl im Vordergrund.

Wird Berlin in absehbarer Zeit die Wirtschaftskraft Hamburgs erreichen?

In die Zukunft kann ich nicht schauen, aber die vergangenen Jahre waren schon erstaunlich: Die Hamburger Wirtschaft ist von 1996 bis 2009 um 26 Prozent gewachsen und Berlin nur um 15 Prozent – trotz der Investitionen im Zusammenhang mit der Hauptstadtentscheidung.

Robin Houcken,

ist Geschäftsführer von Studio Hamburg, dem drittgrößten deutschen TV-Produzenten mit Standorten in Babelsberg und Adlershof. Mit Houcken sprach Alfons Frese.

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