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Wirtschaft: „Der Kanzler wollte mir eins auswischen“

BDI-Präsident Michael Rogowski über Politik, Moral und den Beitrag der Unternehmer für die Flutopfer

Herr Rogowski, selten haben die Unternehmer so in der Öffentlichkeit gestanden wie heute.

Das ist gut.

... und selten sind die Unternehmer so schlecht dabei weggekommen.

Warum?

Unternehmen zahlen keine Steuern.

Das stimmt nicht.

Sie bilden nicht mehr aus.

Bleiben Sie fair: In den letzten zwei, drei Jahren sind alle ausgebildet worden, die ausgebildet werden wollten. In diesem Jahr wird es schwierig. Aber nicht weil die Unternehmen nicht ausbilden wollen, sondern weil ihnen das Wasser bis zum Hals steht.

Sie entlassen Leute.

Wenn die Unternehmer keinen Gewinn mehr machen, wenn sie um ihre Existenz kämpfen, dann müssen sie auch Arbeitnehmer entlassen. Aber das macht doch niemand, weil es ihm Spaß macht.

Sie haben die Firmenbilanzen geschönt ...

Bitte nicht übertreiben. Das sind Einzelfälle. Unschön ist es dennoch, denn es beschädigt das Image aller Unternehmer.

...und sich dann mit überhohen Abfindungen davon gemacht.

Auch das gibt es und ich kritisiere das nicht zum ersten Mal. Denn solche Fälle schaden, auch wenn es Einzelfälle sind, dem Ruf unseres Berufsstandes. Wir müssen jedoch sehen, auch Unternehmer sind nur Menschen. Sie sind nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere. Aber wir haben eine größere Verantwortung. Und der müssen wir uns stellen.

Würden Sie Siemens oder die Allianz zu den schwarzen Schafen zählen?

Nein, warum?

Weil die dieses Jahr kaum Steuern abliefern.

Wenn diese und andere Unternehmen in einem Jahr mal weniger oder gar keine Steuern zahlen sollten, dann hat das Gründe. Entweder sie haben weniger oder keinen Gewinn erzielt oder sie haben Verlustvorträge genutzt. Oder sie lassen sich Steuern zurückerstatten, die sie vorher zu viel gezahlt haben. Das hat auch mit dem Systemwechsel zum Halbeinkünfteverfahren der Unternehmensteuerreform zu tun.

...das unter anderem Körperschaften von der Dividendenbesteuerung freistellt.

Das Verhalten der Unternehmen ist nicht nur legitim, sondern geboten. Unternehmen sind Wirtschaftseinheiten und keine Wohlfahrtseinrichtungen.

Wir haben nicht nach Unternehmen gefragt, die um ihre Existenz kämpfen.

Die Unternehmen tun übrigens nichts anderes als jeder Bürger auch, der sich zu viel geleistete Steuern zurückerstatten lässt. Das ist nichts Verbotenes, damit brechen die Unternehmen kein Recht. Ich finde es im Gegenteil unerträglich, wie wir als Unternehmer und unsere Firmen im Augenblick von der Politik und in einigen Medien behandelt werden: In Berlin wird wider besseres Wissen so getan, als plünderten wir den Staat aus. Das ist unlauter.

Warum?

Weil die Politik in vermeintlicher Allzuständigkeit Mittel nimmt und absorbiert, die eigentlich als Investitionen den Unternehmen, den Menschen dienen sollten. Wie verantwortungsbewusst und vorausschauend ist denn eine Finanzpolitik, die die Einnahmen aus Unternehmensteuern von über 90 Milliarden Euro im Boomjahr 2000 einfach fortschreibt? Und die dann von den Unternehmen erwartet, dass die das Geld auch dann abliefern, wenn die Konjunktur einbricht. Bund, Länder und Gemeinden haben sich auf völlig unrealistische Niveaus eingestellt. Daraus abgeleitet hat man unrealistische Planungen gemacht, für deren Nichterfüllung jetzt wir herhalten sollen.

Es geht doch darum, dass viele Unternehmen ihren Aktionären und den Banken Rekordzahlen präsentieren, sich vor dem Finanzamt aber dann zum armen Teufel rechnen.

Erstens gibt es derzeit kaum Unternehmen, die Rekordzahlen präsentieren, zweitens rechnen sich die Unternehmen nicht ärmer als sie sind. Sie bewegen sich vielmehr im Rahmen der Gesetze. Deutschland ist auch nach der Steuerreform immer noch ein Hochsteuerland. Auch das führt dazu, dass die Unternehmen alles Zulässige tun, um die Steuerlast zu reduzieren. Steuern sind Kosten.

Wie kommt es, dass das Bild des guten und sparsamen Unternehmers verbleicht – und stattdessen das von Managern dominiert, die sich wie bei der Berliner Bankgesellschaft oder bei EM.TV private Vorteile gesichert haben.

Ich habe kein Verständnis für die Maßlosigkeit und die Unverfrorenheit, mit der sich manche bedient haben. Wie gesagt, auch bei den Unternehmern gibt es schlechte Beispiele. Wir müssen sicherlich alles tun, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden. Wir müssen aber auch erkennen, dass es immer wieder schwarze Schafe geben wird.

Warum tun Sie nichts dagegen?

Wir tun einiges. So werden wir in dieser Woche einen Antikorruptionsleitfaden für unsere Unternehmen vorstellen. Wir haben an führender Stelle mitgearbeitet, um den Corporate-Governance-Kodex für gute Unternehmensführung zu entwickeln. Und wir wirken auch mit, dass eine Aufsichtsstelle zur Kontrolle der Abschlussprüfungen geschaffen wird.

Brauchen wir ein Antikorruptionsregister?

Nein. Denn so sehr ich möchte, dass Kriminelle und Korrupte bestraft werden und Filz unterbunden wird, so möchte ich auch vermeiden, dass die Unternehmen mit allen Beschäftigten in Gesamthaftung genommen werden. Wenn man aber ein Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausschließt, dann bestraft man alle unschuldigen Mitarbeiter mit. Trotz einiger Skandale sollte die Öffentlichkeit nicht übersehen, dass die Unternehmen einen ausgesprochen positiven Beitrag in diesem Land leisten.

Fühlen Sie sich schlecht behandelt?

Ein bisschen, ja. Viele Unternehmen tun viel mehr als das, was sie müssen und was allgemein bekannt ist. Sie engagieren sich für Kultur, Bildung, für Kunst, Sport und die Allgemeinheit. Das Unternehmen, aus dem ich komme, Voith, bietet beispielsweise seit Jahren lernbehinderten Jugendlichen ohne Schulabschluss ein Einarbeitungsjahr an. Die meisten dieser Jugendlichen machen dann anschließend eine Lehre und schließen ab. Nur hängen wir das nicht an die große Glocke. Wir machen das ja aus innerer Überzeugung und nicht aus Marketinggründen.

Vor drei Jahren sind die Politiker als die Genossen der Bosse noch Arm in Arm mit den Managern über die Dörfer gezogen.

Ja, das stimmt. Vor drei Jahren gab es ein anderes Klima. Da hatte man zum ersten Mal seit Jahren das Gefühl, dass etwas aufbricht in Deutschland. Auch im Verhältnis des Landes zu seinen Unternehmern. Da ist etwas Unternehmerisches in Gang gekommen, plötzlich haben Menschen etwas gewagt. Leider ist das dann zusammen mit der New Economy so zusammengebrochen, dass da jetzt erst einmal Pause ist.

Ist es nur eine Pause?

Ich hoffe es. Sicher bin ich mir dagegen, dass in Deutschland diese Pause länger dauern wird als in anderen Ländern.

Dafür haben wir ja jetzt das Hartz-Konzept.

Dafür haben wir es nicht. Das Konzept sagt verdammt wenig darüber, wie wir die Beschäftigungsschwelle herunterbringen.

Und wo ist der Fortschritt?

An den glaube ich erst, wenn die Gewerkschaften gezeigt haben, dass sie mit dem Hartz-Konzept tatsächlich verantwortungsbewusst und ernsthaft umgehen. Hartz hat erkannt, dass er an bestimmte heilige Punkte der Gewerkschaften nicht herankommt. Deshalb versucht er drumherum zu organisieren. Aber die Beschäftigungsschwelle senkt das nicht nennenswert.

Sie haben doch als Arbeitgeber all die Tarifverträge unterschrieben, die heute die Beschäftigungsschwelle so hoch legen.

Die Schwelle, ab der es rentabel wird, neue Beschäftigung zu schaffen, wird ja bei weitem nicht nur von den Tarifverträgen beeinflusst. Aber es stimmt, wir haben zu viele zu hohe Verträge unterschrieben.

Auch in diesem Jahr?

Gerade in diesem Jahr. Die letzte Tarifrunde war eine Katastrophe. Wir haben geglaubt, mit Hilfe des Bündnis für Arbeit Realitätssinn in die Tarifpolitik zu bringen. Im Jahr 2000 ist das gelungen, in diesem Jahr aber schon nicht mehr.

Der Hau-drauf-Stil des BDI hat aber bisher auch nicht viel gebracht.

Ich bin nicht gerade derjenige, der ständig draufhaut. Gelegentlich muss das aber auch sein. Unter anderem hat das dazu geführt, dass ich zum besonderen Freund dieses Bundeskanzlers und dieser Bundesregierung geworden bin.

Der Kanzler hat Ihnen doch tief bewegt öffentlich dafür gedankt, dass Sie im nächsten Jahr einen Aufschlag von 1,5 Prozent auf die Körperschaftsteuer für die Flutopfer akzeptieren.

Damit täuscht er vor, ich hätte das gefordert. Das war ein hinterhältiger Stil.

Wieso?

Mit seinem süffisanten Dank wollte er mir eins auswischen. Dabei hatte er zuvor gar nicht mit mir gesprochen. Er handelte, ähnlich wie übrigens jetzt in der Außenpolitik, aus rein wahltaktischen Motiven.

Sie fühlen sich gelinkt?

Absolut. Das war schlicht unfair.

Und das würde Ihr Verhältnis zu einer künftigen Regierung Schröder belasten?

Es gibt eine bestimmte Art des Umgangs miteinander, die ist mir heilig. Die heißt Fairness. Das ist keine Frage politischer Überzeugungen, sondern des Stils. Von einem Bundeskanzler erwarte ich mir ein anderes Format.

Das Interview führten Antje Sirleschtov und Ursula Weidenfeld.

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