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Wirtschaft: „Der Kursrutsch ist nicht übertrieben“

Vermögensverwalter Jens Ehrhardt über die Börsenkrise und was die Politik dagegen tun könnte

Die Kursverluste an den Börsen scheinen kein Ende zu nehmen. Kaum ein Analyst oder Anlageberater wagt noch eine Prognose. Eine Ausnahme ist Jens Erhardt. Er managt 15 Investmentfonds mit einem Gesamtvolumen von rund 700 Millionen Euro und gibt unter anderem den Börsenbrief „Finanzwoche“ heraus. Mit Erhardt sprach Bernd Frank.

Ist der Kursrutsch an der deutschen Börse, die noch stärker verloren hat als andere, nicht übertrieben?

Nein, ich denke nicht. Die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland und weltweit sind erheblich. Wir hinken an der Börse oft hinter Amerika her, diesmal aber erkennen wir - als Exportnation besonders stark vom Welthandel abhängig – die Gefahren vielleicht etwas eher als andere.

Welche Gefahren meinen Sie?

An erster Stelle die weltweit hohe Verschuldung. Die nun schon lange Zeit sehr niedrigen Zinsen in Japan und den USA haben zu einer weltweiten Liquiditätsschwemme geführt. Staaten – insbesondere Japan – ebenso wie Unternehmen und Privatpersonen haben sich mit dem billigen Geld immer weiter verschuldet. Unternehmen, insbesondere im Technologie- und Telekombereich, haben so oft völlig übertriebene Expansionsstrategien finanziert.

Börsenkrisen gab es immer wieder, aber so heftig wie diesmal hat es die Anleger seit der Weltwirtschaftskrise vor 70 Jahren nicht erwischt. Was ist passiert?

Vergangene Börsenkrisen wurden oft durch Zinserhöhungen ausgelöst. Diesmal ist die Ursache viel gravierender: Auf Basis zu optimistischer Prognosen wurde einfach viel zu viel investiert, Unternehmen haben so enorme Überkapazitäten aufgebaut. Dazu kommt, wie gesagt, die Verschuldung.

Aber jetzt sind Aktien doch sehr viel billiger geworden. Warum kauft trotzdem keiner?

Aktienanlage ist Vertrauenssache. Und das Vertrauen ist weg. Bei den Gewinnen wurde geschummelt, Bilanzen manipuliert. Gemessen an den Kurs-Gewinn-Verhältnissen erscheint der Aktienmarkt wieder günstig. Aber ich halte viele Gewinnprognosen für zu optimistisch. Auch das Wirtschaftswachstum in Deutschland und Europa wird 2003 niedriger sein, als die meisten heute erwarten. Der erhoffte Aufschwung kommt nicht.

Was könnte denn die Börsen stabilisieren oder sogar wieder beflügeln?

Man sollte mehr Geld drucken. Was ich damit meine: Nachdem nun die Krise da ist - an der Börse wie in der Konjunktur - wird eine strikte Sparpolitik die Lage noch verschärfen. Deshalb ist zur Zeit der Stabilitätspakt kontraproduktiv. Zudem müsste die Europäische Zentralbank die Zinsen senken.

Was sollten Anleger jetzt tun?

Den Aktienanteil eher noch zurückfahren oder in solide Titel mit hoher Dividendenrendite umschichten – beispielsweise Bayer, Eon, RWE Vorzüge oder Kali & Salz.

Wohin fällt der Dax noch?

Ich rechne zwar kaum mit einem Fall unter 2500 Dax-Punkte. Aber die große Trendwende, also den von vielen erhofften Börsenaufschwung nach dem Tief, sehe ich auch nicht.

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