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Thomas Rabe ist seit 1. Januar Vorstandsvorsitzender des Medienkonzerns, der digitaler werden soll. Auch ein Börsengang ist wieder denkbar. Foto: dpa

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Wirtschaft: Der Neue greift an

Thomas Rabe will Bertelsmann dynamischer machen – und bricht mit einem Gütersloher Tabu.

Berlin - Einen kurzen Moment lang stand die Erinnerung an Thomas Middelhoff im Raum. Als Bertelsmann am Mittwoch in seiner Berliner Repräsentanz die Bilanz des Geschäftsjahres 2011 präsentierte und der neue Vorstandsvorsitzende Thomas Rabe in die Zukunft des größten Medienkonzerns Europas blickte, fielen zwei Zauberworte: Digitalisierung und Börsengang. Mit beiden hatte schon Middelhoff – von 1998 bis 2002 an der Spitze des Unternehmens – jongliert. Von der Großspurigkeit des gescheiterten Ex- Chefs ist im heutigen Vorstand nichts übrig geblieben. An Middelhoff will man sich in Gütersloh am liebsten auch gar nicht mehr erinnern.

Dennoch formulierte Rabe strategische Ziele für das Unternehmen, die Bertelsmann gewissermaßen zurück in die Zukunft führen. „Bertelsmann soll wachstumsstärker, digitaler und internationaler werden“, sagte der seit 1. Januar amtierende 46-Jährige. Dabei nehme der Medienkonzern, der noch 80 Prozent seines Umsatzes im wachstumsschwachen Europa macht, vor allem Schwellenländer wie Indien, China oder Brasilien in den Blick. Rabe will angreifen, aber nachhaltig: Die Wachstumschancen der neuen Geschäfte (im Bildungssektor, mit Musikrechten und Online) sollen langfristig sein, die digitalen Geschäftsmodelle (E-Books oder Videoplattformen) müssen erprobt sein. Den Eindruck, ein Hasardeur zu sein, vermeidet der bisherige Finanzvorstand. Fünf bis zehn Jahre gibt Rabe Bertelsmann für den Umbau. „Wir müssen nicht in Hektik verfallen.“ Aber klar ist: Das Unternehmen kann nicht so weitermachen wie in den vergangenen Jahren, in denen die Dynamik fehlte. Google & Co. geben das Tempo vor. „Zwei Prozent organisches Wachstum werden langfristig nicht reichen“, sagte Rabe.

Um Bertelsmann mit seinem TV-Geschäft (RTL), den Zeitschriften und Zeitungen (Gruner + Jahr), Buchverlagen (Random House) und Dienstleistungen (Arvato) schneller voran zu bringen, bricht der neue Vorstandschef mit einem Tabu: Das von der Familie Mohn und der Bertelsmann-Stiftung kontrollierte Unternehmen öffnet sich für einen späteren Börsengang. Rabes Vor-Vor-Vorgänger Middelhoff war mit ähnlichen Plänen vor zehn Jahren am Widerstand der Gründerfamilie gescheitert. Die Mohns befürchteten damals, die Kontrolle über den Konzern zu verlieren und gaben lieber Milliarden aus, um den belgischen Finanzinvestor Albert Frére auszuzahlen. Bertelsmann ist bis heute mit dem Schuldenabbau beschäftigt. Rabe stellt es deshalb cleverer an: Bertelsmann soll bis Ende Juni von einer Aktiengesellschaft in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) umgewandelt werden. Diese Rechtsform wird von Dax-Konzernen wie Henkel oder Fresenius genutzt. Der Vorteil: Sie erlaubt die Aufnahme neuer Gesellschafter oder einen Börsengang, ohne den Einfluss der Altgesellschafter zu verwässern.

Beim Blick zurück fällt der „Schrumpfungsprozess“ auf, den Bertelsmann hinter sich hat. „Seit 2006 haben wir uns von Geschäften mit einem Umsatzvolumen von mehr als fünf Milliarden Euro getrennt“, sagte Rabe. Unter anderem wurde das Buchclub-Geschäft nach und nach verkauft. Aktuell laufen Rabe zufolge „keine Verkaufsprozesse“. Ertragsbringer war 2011 RTL mit einer Umsatzrendite von 19,3 Prozent. Bertelsmann insgesamt verdiente trotz guter Werbeumsätze weniger: 612 Millionen Euro (minus sieben Prozent) – vor allem wegen schwacher Zahlen der Drucksparte. Für 2012 erwartet Rabe ein „moderates Umsatzwachstum“ und ein Ergebnisplus.

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