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Wirtschaft: Der Osten fährt vor

Industrie lobt Motivation der Mitarbeiter in den neuen Ländern/VDA fordert Abschaffung der Ökosteuer

Dresden - Mit zum Teil überschwänglichen Worten haben Vertreter aus Politik und Wirtschaft am Dienstag den Osten gewürdigt. „Ostdeutschland ist eine der am stärksten unterschätzten Regionen Europas“, sagte Peter Claussen, Leiter des neuen BMW-Werks in Leipzig. „Unsere Erwartungen wurden übertroffen“, meinte Claussen im Hinblick auf Einsatzbereitschaft und Flexibilität der Beschäftigten.

Ähnlich äußerte sich auf dem „Automobiltag Ostdeutschland“ in Dresden auch der frühere Opel-Chef und heutige Vize von General Motors in Europa, Carl-Peter Forster. Die Einstellung der Mitarbeiter im thüringischen Opel-Werk sei „teilweise besser als im Westen“. Die besondere Motivation der ostdeutschen Arbeitskräfte erläuterte der Vorstandschef der Firma Webasto, die mit 600 Beschäftigten im mecklenburgischen Neubrandenburg Autoteile produziert. Der Krankenstand dort sei nur halb so hoch wie im Westen, die Qualität der Arbeit hervorragend, und mit einer Zustimmungsquote von 99 Prozent habe die Belegschaft einer Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunden zugestimmt.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) verwies darauf, dass allgemein „die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche im Gang ist“, das Thema Arbeitszeitverlängerung sei kein Tabu mehr. Bund und Länder haben laut Clement seit 1991 rund 2,2 Milliarden Euro für etwa 1000 Investitionsvorhaben in der ostdeutschen Autoindustrie ausgegeben, insgesamt liege die Investitionssumme bei elf Milliarden Euro.

Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, bewertete den bisherigen Aufbau Ost mit den Worten: „Es geht was in Deutschland, wenn Politik und Wirtschaft das gemeinsam angehen.“ 2004 sind Gottschalk zufolge 423000 Autos von VW, Opel, Porsche, Daimler-Chrysler und BMW im Osten gebaut worden. „Ostdeutschland hat aber auch noch einiges zu tun“, sagte er. Notwendig sei eine Konzentration der Wirtschaftsförderung auf Schwerpunkte wie den Automobilsektor.

Zugleich forderte Gottschalk eine Abschaffung der Ökosteuer. Steuersenkungen im Kampf gegen zu hohe Benzinpreise lehnte Wirtschaftsminister Clement dagegen ab. Auch von der Opposition werde ja eine Rücknahme der Ökosteuer nicht als möglich angesehen. „Das sehe ich genau- so“, sagte Clement. Er kündigte dagegen Maßnahmen zur Eindämmung des Tanktourismus nach Tschechien und Polen an. Derzeit werde im Wirtschaftsministerium dazu ein Modell entwickelt, sagte Clement. Dies müsse noch mit dem Bundesfinanzministerium abgestimmt werden.

Kritik gab es vom VDA am Plan der Union, nach einem möglichen Sieg bei der im Herbst geplanten Bundestagswahl die Mehrwertsteuer auf 18 Prozent zu erhöhen. „Die derzeit diskutierten zwei Prozentpunkte würden die Kraftstoffrechnung der deutschen Autofahrer um weitere 700 Millionen Euro erhöhen“, sagte Gottschalk.

Als Nachteil der ostdeutschen Autoindustrie identifizierten die Experten in Dresden die Branchenstruktur: Es gibt viel mehr kleine Firmen als im Westen. Zudem sind Hersteller und Zulieferer mit ihren Hauptverwaltungen – und damit zentralen Funktionen wie Forschung und Entwicklung sowie Marketing – weiter an ihren historischen Standorten angesiedelt, im Osten wurden nur Produktionsbetriebe gebaut. Daher sei es umso wichtiger, so ein Ergebnis der Konferenz, dass sich ostdeutsche Zulieferer und Hersteller zu Netzwerken verbinden und stärker kooperieren.

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