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Wirtschaft: Der Quereinstieg in die Kita

Erzieher werden verzweifelt gesucht, auch Berufsfremde haben sehr gute Jobchancen – nach einer Weiterbildung.

Tröster, Erfinder, Schiedsrichter, Freund, Beobachter: Der Erzieherberuf hat viele Facetten. Und momentan hervorragende Perspektiven. Das hat mehrere Gründe, sagt Babette Sperle von der Mitgliedervertretung des Dachverbands Berliner Kinder- und Schülerläden (Daks). „Nämlich wachsende Kinderzahlen, eine höhere Inanspruchnahme der Tagesbetreuung sowie eine Verbesserung des Personalschlüssels in der letzten Legislaturperiode.“ Auch für die Betreuung von Schulkindern in Horts werden Erzieher benötigt. Außerdem gingen gerade viele Erzieher in Rente, deren Stellen neu besetzt werden müssen. Laut dem Daks waren im März 2012 etwa fünf Prozent der besetzbaren Stellen in Kinderläden wegen des Erziehermangels nicht besetzt.

Auch in Zukunft werden eher mehr als weniger Erzieher benötigt. Der Senat hat das Ziel, „bis Ende 2015 bedarfsgerecht bis zu 19 000 neue Plätze zu schaffen, damit noch mehr Kinder früh in die Kita gehen“, sagt Thorsten Metter, Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Er rechnet damit, dass bis Ende 2015 6300 Erzieher gebraucht werden. Der Senat hat daher die Plätze an den Fachhochschulen bereits verdoppelt.

Um den erhöhten Bedarf zu decken, gibt es inzwischen mehr Wege in den Beruf als die dreijährige Ausbildung. Auch Quereinsteiger können sich zum Erzieher qualifizieren. In Berlin gibt es derzeit rund 1400 von ihnen. Die größte Gruppe unter den Quereinsteigern machten eine berufsbegleitende Ausbildung zum Erzieher, sagt Babette Sperle. Das Ganze dauert in der Regel drei Jahre, 2013 werden laut Thomas Metter die ersten ihren Abschluss machen.

Während ihrer Ausbildung arbeiten die Quereinsteiger bis zu 28 Stunden pro Woche in einer Kita oder einem Hort und absolvieren berufsbegleitend ihre Fachschulausbildung. Sie umfasst in der Regel zwölf Stunden pro Woche, also eineinhalb Arbeitstage. „Das hat für sie den Vorteil, dass sie bereits während des Quereinstiegs Geld verdienen“, sagt Thomas Metter. Das Gehalt variiert je nach Träger der Kita. Der Daks empfiehlt seinen Mitgliedern eine Orientierung an der Tariftabelle des öffentlichen Dienstes. Danach bekommt ein Quereinsteiger im ersten Jahr knapp 1890 Euro im Monat, im zweiten 2080 Euro. Nach dem Abschluss verdienen die Quereinsteiger das Gleiche wie alle anderen Erzieher, nämlich zwischen 2130 und 2750 Euro – je nach Berufserfahrung und Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die staatlichen Fachhochschulen sind kostenfrei, private Träger können ein geringes Schulgeld erheben.

Zu den formalen Voraussetzungen für einen Quereinstieg gehören etwa ein Fachhochschulabschluss mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik oder das Abitur mit einem achtwöchigen Praktikum. Auch ein mittlerer Schulabschluss mit beruflicher Vorbildung ermöglicht den Quereinstieg. „Neben den formalen Anforderungen ist die persönliche Eignung wichtig. Dazu gehören eine hohe Motivation und eine realistische Einschätzung eigener Möglichkeiten“, sagt Klaus-Harald Straubb, pädagogischer Leiter bei dem kommunalen Betrieb „Kindergärten City“, dem 57 Kitas in Mitte, Tiergarten, Wedding, Friedrichshain und Kreuzberg angehören. Die berufsbegleitende Erzieherausbildung bietet sich etwa für Sozialassistenten an, die bereits über eine pädagogische Ausbildung verfügen.

Auch Männer sind gefragt in dem Beruf, Klaus-Harald Straubb spricht von ausgezeichneten Chancen. Zwar seien sie nach wie vor in der Minderheit, würden aber benötigt, um den Kindern auch männliche Modelle als Vorbilder anzubieten. Zehn Prozent der 39 Quereinsteiger, die Kindergärten City momentan ausbildet, sind Männer.

Eine weitere Möglichkeit für den Quereinstieg ist die so genannte Nichtschülerprüfung. Allerdings eignet sich diese Form nur für Leute mit einem breiten pädagogischen Vorwissen, die bereits mehrere Jahre im pädagogischen Bereich gearbeitet haben und praktische und theoretische Kenntnisse besitzen. Babette Sperle vom Daks verweist auf die hohe Durchfallquote von über 60 Prozent. Die Prüfung sei ein harter Brocken und ohne eine akademische Vorerfahrung schwer zu bewältigen, sagt sie. Viele Prüflinge haben vorher jedoch „nur“ an einer ein- oder zweijährigen Bildungsmaßnahme des Jobcenters teilgenommen. Wichtig: Wer bei dieser Prüfung durchfällt, hat in Berlin keine Chance mehr, einen Abschluss als Erzieher zu machen.

Außerdem fehle vielen die notwendige Berufspraxis, nämlich ein Jahr Vollbeschäftigung ohne Urlaub und Krankheit. Ohne eine Ausbildung sei diese Praxis nur schwer zu bekommen. Auf der Website www.erzieher-werden-in-berlin.de hat der Daks die verschiedenen Wege in den Erzieherberuf zusammengestellt.

Nach der Prüfung zum staatlich anerkannten Erzieher stehen die Chancen für Quereinsteiger gut, in ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen zu werden. Wer sich anschließend noch weiterbilden möchte, kann verschiedene Zusatzausbildungen erwerben und sich so spezialisieren, etwa auf Kinder mit Behinderungen. „Aus solchen Spezialisierungen ergibt sich aber nicht automatisch ein höheres Gehalt“, sagt Babette Sperle.

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