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Wirtschaft: Der Senat verspielt Kredit bei der Wirtschaft

Die Berliner Unternehmer und Manager reagieren äußerst skeptisch auf die ersten Wochen des rot-roten Senats. Zwei Drittel der Teilnehmer des Berlin Future Panels, das der Tagesspiegel und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) gemeinsam erheben, beurteilen die Wirtschaftskompetenz des neues Senats negativ.

Die Berliner Unternehmer und Manager reagieren äußerst skeptisch auf die ersten Wochen des rot-roten Senats. Zwei Drittel der Teilnehmer des Berlin Future Panels, das der Tagesspiegel und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) gemeinsam erheben, beurteilen die Wirtschaftskompetenz des neues Senats negativ. Es fehle ein Konzept zur Lösung der katastrophalen Finanzlage. Den am Dienstag verabredeten Doppelhaushalt für die Jahre 2002 und 2003 halten die Unternehmer für "symbolische Politik".

Damit stehen die Teilnehmer an der nicht repräsentativen Umfrage des DIW im Gegensatz zu den Wirtschaftsverbänden und zur Industrie- und Handelskammer Berlin, die in den vergangenen Wochen eher versöhnliche Töne gegenüber der Wirtschaftspolitik der neuen Regierung Berlins angeschlagen hatten. Als Hoffnungsträger sehen die Unternehmer allerdings den neuen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Befragt hatte das DIW 22 Unternehmerpersönlichkeiten und Manager.

Sarrazin sagte am Dienstagabend vor den Panel-Teilnehmern, dass auch er die Finanzkrise des Landes selbst mit dem nun vereinbarten Doppelhaushalt nicht für beendet halte. Im Gegenteil: Auch im günstigsten Szenario werde die Verschuldung mittelfristig steigen. Die Unternehmer hatten in der Umfrage klar ihre Befürchtung ausgesprochen, dass Berlin seine Finanzprobleme überhaupt nicht alleine lösen kann. Das Land sei auf die Hilfe des Bundes angewiesen.

Keine klaren Prioritäten

DIW-Chef Klaus Zimmermann zeichnete ein sehr verhaltenes Bild für die Entwicklung der Berliner Wirtschaft. Wenn Deutschland beim Wachstum die rote Laterne in Europa habe, dann hinke Berlin in Deutschland noch einmal hinterher. In Deutschland werde sich im zweiten Halbjahr dieses Jahres ein moderater Aufschwung bemerkbar machen, der im kommenden Jahr in ein Wachstum von etwas über zwei Prozent übergehen könne. Zimmermann warnte davor, zu viele Hoffnungen an diese Entwicklung zu knüpfen: "Der kommende Aufschwung wird überhaupt nicht kräftig sein". Der Arbeitsmarkt werde in diesem und im kommenden Jahr nach Erwartung des DIW vom anziehenden Wachstum in Deutschland noch nicht profitieren. In Berlin werde die Aufwärts-Entwicklung voraussichtlich noch einmal verhaltener ausfallen: "Wir sind weit weg von einer Erholung auf dem Arbeitsmarkt", sagte Zimmermann.

Inzwischen bedrohe die deprimierende Wirtschafts- und Finanzlage der Stadt auch wieder den Ruf und das Image außerhalb. Kritisch sei, dass Berlin bisher noch keine klaren Prioritäten gesetzt habe, was seine künftige Entwicklung angehe. Auch in der überregionalen Arbeitsteilung habe die Stadt immer noch kein klares Profil gefunden. Auch deshalb liege die Wirtschaftsleistung pro Kopf deutlich hinter allen anderen Großstädten Nordeuropas zurück.

Das DIW empiehlt Berlin, einen klaren Schwerpunkt bei Bildung, Hochschule und Wissenschaft zu bilden. In diesen Bereichen sei das Land schon heute stark, hier seien auch tatsächliche Wachstumseffekte zu beobachten. Die dramatische Finanzlage der Stadt dürfe nicht dazu führen, dass die Zukunftsfähigkeit eingeschränkt werde. Finanzsenator Sarrazin setzte allerdings dagegen, dass am Sparen in diesem Bereich kein Weg vorbei führe.

Bislang habe Berlin sich darauf verlassen können, dass die Stadt in Deutschland und Europa als attraktiv und chic gelte, sagten die Unternehmer. Der Schub, der vom Regierungsumzug ausgegangen sei, drohe nun aber wieder zu versanden, ohne dass daraus wirklich Wachstum für Berlin geworden sei. Seit Januar werde überdeutlich, dass der nationale und internationale Tourismus in Berlin zurück gehe. Die Umsätze im Einzelhandel seien drastisch eingebrochen. Das habe nicht nur etwas mit den Reaktionen der Touristen auf die Terroranschläge des 11. Spetember zu tun. Zu befürchten sei, dass Berlin an Attraktivität einbüße.

PDS-Beteiligung schadet

Die Regierungsbeteiligung der PDS werde dem Wirtschaftsstandort Berlin auch nicht nutzen, meinen die Befragten in der DIW-Erhebung. Besonders kritisch sei, dass die Sozialisten keine Ahnung von Wirtschaft hätten. Fast zwei Drittel der Unternehmer und Manager meinen, dass die Regierungsbeteiligung der PDS dem Standort Berlin schaden wird. Allerdings beurteilen die befragten Unternehmer die Glaubwürdigkeit des neuen Senats eiigermaßen positiv: Wenigstens seien die PDS-Senatoren persönlich unbelastet von den Filz- und Bankaffären in der Stadt.

Von dem neuen Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) glauben die Unternehmer, dass er bei der Anwerbung und Betreuung von Investoren eine gute Figur machen könnte. Damit schätzen die befragten Unternehmer den Wirtschaftssenator besser ein als die Kompetenz seiner Partei. Am meisten trauen die Manager Gysi bei der Verbesserung der Aus- und Weiterbildung zu.

uwe

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