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Wirtschaft: Der Sinn und Unsinn von Unternehmensfusionen

Um den fiktiven Titel "Großfusion der Woche" bemühen sich derzeit dem Vernehmen nach die US-Ölkonzerne Exxon und Mobil, die am Freitag ihre Verhandlungen erstmals bestätigten.Aber auch die Frankfurter Hoechst und Frankreichs Pharmakonzern Rhône-Poulenc liegen gut im Rennen.

Um den fiktiven Titel "Großfusion der Woche" bemühen sich derzeit dem Vernehmen nach die US-Ölkonzerne Exxon und Mobil, die am Freitag ihre Verhandlungen erstmals bestätigten.Aber auch die Frankfurter Hoechst und Frankreichs Pharmakonzern Rhône-Poulenc liegen gut im Rennen.Andere votieren wiederum für Deutsche Bank und das US-Geldhaus Bankers Trust oder die Münchner Viag und die Schweizerische Algroup.Die Fusionitis nimmt auch im bislang eher zurückhaltenden Deutschland die Züge einer Epidemie an.

Fast täglich gibt es nun Nachrichten vom Zusammengehen großer Konzerne - zuletzt am Sonnabend über die Verschmelzung von Dasa und British Aerospace, über die der "Spiegel" am Montag berichten wird.In Grafiken werden vor den staunenden Augen von Mitarbeitern und Aktionären Milliarden- zu Billionenumsätzen.Es entstehen Konglomerate, deren Beschäftigtenzahl die Bevölkerung einer mittleren Großstadt weit übertrifft.Zeit zur kritischen Würdigung der Vorgänge ist kaum noch.Die Frage, ob der neue Drang zur Größe ein gesunder ist, bleibt vorerst unbeantwortet.

So manchen mögen allerdings angesichts der entstehenden Macht Bedenken beschleichen.Das gilt auch für die Kontrolleure: wie den Präsident des Bundeskartellamts, Dieter Wolf.Vor kurzem hat der oberste Kartellwächter Deutschlands eine Weltkartellamt gefordert.Die jüngst angekündigten Konzernheiraten seien selbst für die in Brüssel ansässige europäische Fusionskontrolle "eine Nummer zu groß".

Allesamt über einen Kamm scheren lassen sich die Zusammenschlüsse der Konzerne nicht.Die Globalisierung ist ein Grund, der gemeinsame europäische Markt ein anderer.Dazu kommt das Bestreben, auf den wichtigsten Märkten der Welt einen ansehnlichen Marktanteil zu repräsentieren.Die deutschen Konzerne treten dabei einmal als Treiber ihrer Branche auf, wie Daimler-Benz bei der Fusion mit dem US-Autobauer Chrysler.Ein andermal wird ihnen Nachholbedarf attestiert - wie im Bankensektor.Die Fusion der beiden großen Münchner Banken zur Bayerische HypoVereinsbank im September war nach allgemeiner Einschätzung ein später Anfang für die deutsche Finanzwelt.

Gleichzeitig zeigt das bayerische Beispiel ein Risiko von Großfusionen.Die Entdeckung der angeblich nicht bekannten Flops bei der früheren Hypo-Bank haben für einen Sonderbedarf an Wertberichtigung von 3,5 Mrd.DM beim jetzt fusionierten Institut gesorgt.Auch die Deutsche Bank könnte bei der klammen US-Bank Bankers Trust unliebsame Überraschungen erleben.Gerade große Fusionen bergen oft mehr Gefahrenpotential als Chancen.So mag das Verschmelzen kleiner, noch relativ flexibler Unternehmen weitgehend unproblematisch sein.Wenn als unbeweglich verrufene Großkonzerne mit noch dazu unterschiedlichen Unternehmenskulturen aufeinandertreffen, ist ein glückliches Zusammenkommen weit schwieriger.Derartige Vorbehalte treffen beispielsweise DaimlerChrysler und Hoechst sowie Rhône-Poulenc.Schätzungen entpuppt sich mindestens jeder zweite Firmenzusammenschluß am Ende als Fehlinvestition und scheitert.

Dennoch wagen es nur wenige Manager, sich dem Fusionstrend offen zu verweigern.So will BMW trotz öffentlichkeitswirksamen Werbens von Volkswagen auch künftig unabhängig bleiben.Offiziell hat das BMW-Chef Bernd Pischetsrieder zumindest mehrmals betont.Auch wenn BMW das durchhält, dürften die Bayern eine Ausnahme bleiben.52 unabhängige Autobauer gab es vor rund 30 Jahren.Heute sind es noch 19 Hersteller.Acht bis zwölf Konzerne werden nach Ansicht von Experten übrigbleiben, wenn das Fusionkarussell anhält.Was der Kfz-Industrie vorausgesagt wird, dürfte auch andere "reife" Wirtschaftszweige treffen.Dafür sprechen so unterschiedliche Gründe wie Einkaufsvorteile durch Größe, Monopole, Ausweitung der regionalen Präsenz, Stellen- und damit Kostenabbau durch das Zusammenlegen von Werken, Verwaltung oder Vertrieb sowie schlichtweg der Euro.Der Höhepunkt dieser Entwicklung steht vor allem in Deutschland wohl noch bevor.Erst wenige heimische Großkonzerne waren Mitspielder bei einer Megafusion.Die meisten aber halten aktiv Ausschau nach Partnern für eine Fusion oder lohnenden Übernahmekandidaten.Auch wer heute noch scheinbar völlig abseits steht, leistet hinter den Kulissen bereits Vorarbeiten, um in den erlauchten Kreis der Fusionsfähigen zu kommen."Unser Ergebnis ist völlig unbefriedigend.Die aktuelle Börsenbewertung spiegelt auch die Unzufriedenheit unserer Investoren wider.Aber gerade dem Börsenwert kommt höchste strategische Bedeutung zu - Aktien sind zur Akquisitionswährung geworden." Diese rund vier Monate alten Aussagen stammen von Siemens-Chef Heinrich von Pierer.Ohne Folgen sind sie nicht geblieben.Das komplette Chipgeschäft wird demnächst an die Börse gebracht oder direkt verkauft.Der Kurs der Aktie steigt.Wenn sie ein Niveau erreicht hat, das die Münchner zum Seniorpartner macht, wird wohl auch Siemens Fusionsgeschichte schreiben.

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