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Wirtschaft: Der Spielraum für Preissenkungen ist noch lange nicht ausgeschöpft

Die Industrie-Stromtarife an der Spree sind immer noch die höchsten imLandeVON DANIEL WETZELInnerhalb von zwei Jahren hat die Bewag ihre Tarife schon dreimal gesenkt,doch die Preise der Konkurrenz in Brandenburg sind immer noch um zwölfProzent niedriger.Nirgendwo in Deutschland ist der Strom so teuer wie inBerlin.

Die Industrie-Stromtarife an der Spree sind immer noch die höchsten imLandeVON DANIEL WETZEL

Innerhalb von zwei Jahren hat die Bewag ihre Tarife schon dreimal gesenkt,doch die Preise der Konkurrenz in Brandenburg sind immer noch um zwölfProzent niedriger.Nirgendwo in Deutschland ist der Strom so teuer wie inBerlin.Diese Aussage gilt noch immer, obwohl der städtischeEnergieversorger, die Berliner Kraft- und Licht (Bewag)-Aktiengesellschaft,seine Preise für Industrie-Kunden innerhalb von zwei Jahren schon dreimalgesenkt hat - um insgesamt 15 Prozent.21,47 Pfennig pro Kilowattstundeberechnet die Bewag im Durchschnitt ihren Stromkunden.Der EnergieversorgerEnergieversorgung Müritz-Oderhaff AG (EMO) im benachbarten Brandenburg istmehr als zwölf Prozent billiger.Für die Berliner Industrie, die in denletzten Jahren einen beispiellosen Substanzverlust hinnehmen und die Zahlihrer Arbeitsplätze auf 130 000 fast halbieren mußte, bleibt die Energiealso ein durchaus gravierender Standort-Nachteil.Was für Berlin gilt, gilt in Maßen für alle neuen Bundesländer: Nach einemVergleich des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft(VIK) in Essen hat Ostdeutschland die höchsten Industrie-Strompreise inEuropa.Dadurch seien in den neuen Bundesländern etwa 10 000 bis 15 000Arbeitsplätze unmittelbar bedroht, betont VIK-Vorstandsvorsitzender PhilippMagel.Allein die strompreisbedingte Mehrbelastung der ostdeutschengegenüber der westdeutschen Industrie betrage jährlich rund 280 Mill.DM.Mehrere VIK-Mitglieds-Unternehmen hätten damit gedroht, ihren ostdeutschenStandort wieder aufzugeben, nach Westdeutschland oder gar ins Auslandabzuwandern.Die Berliner Bewag hat das Preisniveau bislang mit der jahrzehntenlangenInsellage begründet, die höhere Investitionen und Wartungskostenerforderlich machten: Statt eines großen Kraftwerks mußten viele kleineStadtteil-Kraftwerke aufgebaut werden.Doch sechs Jahre nach derWiedervereinigung sind die inselbedingten Nachteile weitgehend überwunden.Billige Importkohle und Rationalisierungsgewinne gaben der Bewag inzwischenRaum zu Preisnachlässen.Für Oktober kündigte die Bewag weitereVergünstigungen an, gibt dann möglicherweise auch den unrühmlichenSpitzenplatz als Deutschlands teuerster Stromversorger ab.DerUnternehmensgewinn der Bewag soll trotz der Preissenkung - und trotz derständig steigenden Konzessionsabgabe an das Land Berlin - auf demVorjahresniveau von rund 168 Mill.DM gehalten werden.Die Preissenkungen sind Teil der Strategie, mit der sich die Bewag auf diezukünftige Liberalisierung des Strommarktes vorbereitet.An derNotwendigkeit, einen schlanken, wettbewerbsfähigen Konzern zu schaffen,ändert sich auch nichts, wenn das Land Berlin seinen 50,8-prozentigenAktienanteil an der Bewag verkauft.Die neuen Großaktionäre, so dieHoffnung bei Bewag und Senat, sollen mit ihrem Know-how dazu beitragen, dieBewag zu einem hochmodernen, diversifizierten und vor allemwettbewerbsfähigen Energiedienstleister umzubauen.Die Bewag hat schon beträchtliche Schritte in diese Richtung unternommen.Zukunftsträchtige Felder wie die Solarenergie, Fernwärme undKraft-Wärmekopplung werden bereits von ihr abgedeckt.Mit Siemens wurde dasJoint-Venture BerlinDat gegründet, das Rechnerdienstleistungen verkauft.Künftig will die Bewag auch auf dem Wachstumsmarkt der Telekommunikationmitspielen.Die Bewag will offenbar keine Zeit verlieren.Denn noch vor derÖffnung des europäischen Strommarktes rüsten sich kleine, aber engagierteKonkurrenten.Blockheizkraftwerke etwa jagen der Bewag bereits heute wichtigeFirmenkunden ab.Die private Blockheizkraftwerks-Träger- undBetreibergesellschaft (BTB) setzt auf die Einsicht vieler Firmen, daß eineigenes Kraftwerk auf dem Hinterhof oft billiger kommt, als Strom und Wärmevon der Bewag zu beziehen.Inzwischen erwirtschaften rund 100BTB-Mitarbeiter einen Umsatz von 40 Mill.DM.Das UniversitätsklinikumBenjamin Franklin in Steglitz setzt ebenso auf das Kleinkraftwerk von BTBwie die Melitta-Papierfabrik oder das Projekt "Rudower Feld" mit seinen 130Wohnungen, Büros und Sportanlagen.Mittlerweile plant das mittelständischeBerliner Unternehmen BTB selbst Anlagen in China und Indien.Auch auf dem Gebiet der Sonnenenergie muß sich die Bewag gegen einewachsende Zahl von Konkurrenten wettbewerbsfähig zeigen.Noch in diesemJahr will die neugegründete Solon AG in Berlin-Kreuzberg die Produktion vonSolarstrom-Modulen aufnehmen.Die vier Gründungsväter investieren 25 Mill.DM in das Unternehmen, hoffen auf schnelles Wachstum mit der Photovoltaik.Mit seinen rund 100 Mitarbeitern hat Vorstandschef Alexander Voigt fest denWeltmarkt im Blick.Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei vor allem auf dieLänder der Dritten Welt, in die 80 Prozent der weltweitenPhotovoltaik-Produktion gehen.Auch Solarthermik, die Wassererwärmung per Sonnenenergie, verspricht inBerlin hohe Chancen, nachdem sich der Senat auf eineSolaranlagen-Verordnung geeinigt hat: Alle Neubauten mit zentralerWarmwasserversorgung müssen künftig 60 Prozent ihres Brauchwassers mitHilfe solarthermischer Anlagen erwärmen - dies sind zumeist schwarzeSchläuche, die kostengünstig unter den Dachziegeln verlegt werden könnenund die Sonnenwärme einfangen.Der Senat hegt die berechtigte Hoffnung, daßmit dieser Verordnung, auch wenn sie nur in Form einer "Selbstverpflichtungder Wirtschaft" realisiert wird, Berlin die deutsche "Solarhauptstadt"wird.

DANIEL WETZEL

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