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Wirtschaft: „Der Streik ist unverantwortlich“

Bernd Gottschalk, Chef des Verbandes der Automobilindustrie, warnt: Der Arbeitskampf gefährdet den Aufbau Ost

Die Kritik ist knallhart. Als „Standortgefährdungspolitik pur“ bezeichnet der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Bernd Gottschalk, die Streiks für die Einführung der 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland. Damit werde die einzig verbliebene stabile Schlüsselbranche Deutschlands getroffen. Dies könne nicht im Interesse der Beschäftigten liegen, ist Gottschalk überzeugt. Die Mehrzahl der betroffenen Mitarbeiter sei gegen den Streik.

Mittlerweile würden Zulieferer Investitionspläne für Ostdeutschland überdenken. Konkrete Anzeichen gebe es aber nicht, sagte Gottschalk am Montag in Frankfurt. Er beziffert den durch den Streik verursachten Produktionsausfall in ost- und westdeutschen Werken auf derzeit knapp 3200 Fahrzeuge täglich. 18000 Beschäftigte seien betroffen. Trotz des Streiks halte der VDA an seiner Produktionsprognose von über fünf Millionen Fahrzeugen für 2003 fest.

Der Streik sei unverantwortlich, so Gottschalk. Er treffe die ostdeutsche Automobilindustrie mitten in der Phase des Aufbaus und der Integration. Standorte wie Dresden, Leipzig oder Kölleda seien noch mitten im Aufbau, der nun ins Stocken geraten könnte.

2002 wurden in Ostdeutschland rund 423000 Fahrzeuge produziert, 37000 Menschen waren zum Jahresende in der ostdeutschen Automobilindustrie beschäftigt; indirekt sollen es sogar 100000 gewesen sein. Nach derzeitigen Plänen sollen die Fabriken auf eine Kapazität von rund 750000 Fahrzeugen pro Jahr ausgebaut werden.

Auch international schade der Streik dem Image der neuen Bundesländer, glaubt Gottschalk. Wenn dort die Standortvorteile wie geringere Arbeitskosten, längere Arbeitszeit und höhere Flexibilität wegfielen, werde sich das auch auf die Investitionen auswirken. „Das gibt Oberwasser eher für Osteuropa als für Ostdeutschland“, sagt Gottschalk. Einer vor dem Streik unter Zulieferern durchgeführten Umfrage zufolge denken nur noch elf Prozent der Firmen bei Investitionen an Deutschland. 89 Prozent haben das Ausland im Blickfeld, an erster Stelle Osteuropa und dann Ostasien. Trotz seines Ärgers über das Vorgehen der IG Metall sieht der VDA aber keine gravierenden Auswirkungen auf die Produktion. Nach wie vor rechnet der Verband damit, dass 2003 wie im Vorjahr in Deutschland wieder mehr als fünf Millionen Autos von den Bändern laufen. In den ersten fünf Monaten war die Produktion um fünf Prozent auf knapp 2,2 Millionen Pkw und Kombi gestiegen. Dadurch konnten nach Angaben von Gottschalk bis Ende April im Vergleich zum Vorjahresmonat 11000 neue Arbeitsplätze vor allem bei Zulieferern geschaffen werden. In diesem Zusammenhang unterstützt Gottschalk auch das Vorziehen der Steuerreform.

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