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Wirtschaft: „Der Weg zum Supermarkt wird länger werden“

Rewe-Chef Hans Reischl über das Ende der Krise im Einzelhandel, den Erfolg der Discounter und die Folgen des Anschlags auf der Insel Bali

Herr Reischl, Rewe macht inzwischen 13 Prozent seines Umsatzes mit Reisen. Haben Sie nach dem Anschlag auf Bali wieder Angst vor einem Rückschlag im Tourismus?

Wir müssen abwarten, wie sich die schrecklichen Anschläge auf der Insel Bali vom Samstag auswirken werden. Die Terroranschläge vom 11. September vergangenen Jahres haben bei der Rewe Touristik im laufenden Touristikjahr zu einem Umsatzrückgang von fast zehn Prozent geführt. Im kommenden Jahr wollen wir wieder um fünf Prozent zulegen. Die Touristik erholt sich sehr langsam und wird sich dann auf einem etwas niedrigeren Niveau einpendeln. Die Leute buchen vorsichtiger und schauen sich an, was die Billigflieger bieten.

Ihre Konkurrenten Karstadt-Quelle und Metro berichteten am Freitag von einem guten dritten Quartal. Ist wenigstens die Krise im Einzelhandel vorbei?

Vielleicht ist die Talsohle erreicht. Von einer Trendwende würde ich noch nicht sprechen.

Warum sind die Verbraucher überhaupt in den Käuferstreik getreten?

Die wirtschaftliche Situation ist schlecht. Die Menschen fürchten um ihren Arbeitsplatz und verschieben größere Ausgaben auf bessere Zeiten. Hinzu kam die leidige Diskussion um den vermeintlichen Teuro.

Viele Lebensmittel waren zu Beginn des Jahres teurer als jetzt.

Wir hatten Pech. Die Euro-Einführung fiel mit katastrophalen Ernteausfällen wegen schlechten Wetters in Südeuropa zusammen. Da kostete ein Eisbergsalat plötzlich 1,99 Euro. Jetzt ist er wieder für 49 Cent zu haben. Die Folge war, dass die Menschen sich betrogen fühlten und zu den Discountern gegangen sind.

Wie spürt Rewe die Konsumflaute?

Lebensmittel sind von den Umsatzeinbußen nicht so stark betroffen. Bei den Vollversorgern, dem klassischen Supermarkt, verlieren wir zwei bis drei Prozent vom Umsatz im Vergleich zum Vorjahr. Bei unserem Discounter Penny legen wir andererseits zweistellig zu. Schwierig ist die Lage bei Promarkt. Langlebige Konsumgüter wie Fernseher oder Waschmaschinen gehen sehr schlecht.

Warum gewinnen die Discounter so stark?

Die Billigketten haben ein kleines Sortiment und können schnell auf Marktänderungen reagieren. Im Frühjahr haben die Discounter eben keinen Eisbergsalat geführt. In unseren Supermärkten erwarten die Kunden das, weil sie ein vollständiges Sortiment gewöhnt sind. Hinzu kommt, dass viele Menschen bei der schlechten Konjunktur preisgünstige Produkte bevorzugen.

Ihre Konkurrenten handeln mit Computern, Autos und Häusern. Geht Rewe diesen Weg mit?

Wir sehen unseren Schwerpunkt bei Lebensmitteln, wo wir ein größeres Sortiment als die Konkurrenz bieten und innovativ bleiben wollen. Penny war lange Zeit der einzige Discounter, der Frischfleisch verkauft hat. Jetzt ziehen Aldi und Lidl wohl nach.

Seit Jahren modernisiert Rewe seine Supermärkte oder schließt unrentable Läden. Geht diese Entwicklung weiter?

Das ist noch lange nicht vorbei. Allein in diesem Jahr schließen wir rund 100 unrentable Supermärkte, eröffnen aber auch 40 bis 50 neue. Auf unser Ergebnis wirken sich die Schließungen durchweg positiv aus. Die Nahversorgungssituation, besonders in kleinen Städten, verschlechtert sich dadurch häufig. Die Wege zu den Märkten werden länger.

Lässt sich das Problem lösen?

Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen. Das Wachstum des Discounters hat auch etwas mit seiner Fläche zu tun. Die Discounter haben mit rund 800 Artikeln ein sehr kleines Sortiment. Unsere Supermärkte wie Rewe, HL oder Minimal sind aber Vollsortimenter mit bis zu 12000 Artikeln. Die gesetzlichen Vorgaben erlauben uns aber in Wohngebieten nur kleine Flächen, auf denen wir die Vorteile des Supermarktes mit seinem breiteren Angebot nicht ausspielen können.

Stirbt der mittelgroße Supermarkt um die Ecke irgendwann ganz aus?

Nein. Der Supermarkt wird sogar eine Renaissance erleben. Nicht umsonst investieren wir hohe Summen in die Modernisierung der Märkte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Verbraucher mit Schmalspursortimenten auf Dauer zufrieden geben.

Wie sieht der Supermarkt der Zukunft aus?

In weniger als zehn Jahren werden wir automatische Kassen haben, bei denen der Kunde seine Einkäufe selbst scannt. Auf einem Display am Einkaufswagen kann er sehen, welche Produkte zu welchem Preis er eingekauft hat. Viele Neuerungen laufen aber hinter den Kulissen ab.

Ändert sich auch das Urlauberverhalten grundlegend?

Die Urlauber sind schlau und buchen, was zu ihrem Geldbeutel passt. Wir hatten in diesem Sommer zum Beispiel am Schwarzen Meer kein einziges Bett mehr frei. Die Hotels in Bulgarien oder Rumänien bieten ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Bei Mallorca dagegen hatten wir Buchungsrückgänge von 35 Prozent. Die Insel gilt als teuer.

Konnten Sie schnell genug reagieren?

Das ist nicht so einfach. Wir haben Verträge mit den Hotels, die wir erfüllen müssen. Da wir aber kaum eigene Hotels betreiben, können wir recht flexibel reagieren und für das kommende Jahr die Kontingente entsprechend anpassen.

Verdienen Sie im Tourismus noch Geld?

Ja, selbstverständlich. Wir rechnen auch in diesem Jahr mit einem Gewinn von deutlich über 25 Millionen Euro. Das ist zwar weniger als im Vorjahr, im Wettbewerbsumfeld sind wir aber damit durchaus zufrieden.

Sie halten 40 Prozent des Ferienfliegers LTU. Wollen Sie die Mehrheit übernehmen?

Auf keinen Fall. Wir wollen nicht die unternehmerische Führung einer Fluglinie. Deshalb bemühen wir uns mit der LTU um weitere Investoren.

Gibt es Interessenten?

Wir verhandeln mit zwei ernsthaften Investoren, die gerade die Bücher der LTU in einem Due-Dilligance-Verfahren prüfen. Derzeit werden einem Fluggesellschaften nicht gerade aus den Händen gerissen, obwohl die LTU-Ergebnisse deutlich über Plan liegen.

Das Gespräch führte Maurice Shahd.

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