zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Der Wolkenkratzer

Ihr Rotor durchschneidet die Fläche von zwei Fußballfeldern. In dieser Woche geht die weltweit größte Windkraftanlage in Betrieb

Wer sie von Weitem sieht, ist erst einmal enttäuscht. Von der Bundesstraße bei Brunsbüttel aus betrachtet, sieht die „Repower 5M“ aus wie all die anderen Windräder in Schleswig-Holstein. Aber je näher man ihr kommt, desto deutlicher wird der Unterschied. Und wenn man schließlich vor ihr steht und an ihr hoch blickt, kann man ihre Ausmaße voll erfassen: 183 Meter ragt sie in den Himmel – doppelt so hoch wie das Berliner Europa-Center. Allein ihr Rotor hat einen Durchmesser von 120 Metern; mit einer Umdrehung durchschneidet er die Fläche von zwei Fußballfeldern. Läuft er auf vollen Touren, liefert er fünf Megawatt (MW) Strom – genug für 4500 Haushalte. Damit ist die Repower 5M die größte Windkraftanlage der Welt.

Martin Skiba steht neben seinem Werk und kann seinen Stolz nur mühsam verbergen. Drei Jahre lang war er als Projektleiter des Hamburger Unternehmens Repower für die Planung und den Bau der 5M verantwortlich. „Eigentlich ist das eine ganz normale Anlage“, sagt er mit gespieltem hanseatischem Understatement. „Mit drei Rotorblättern wie bei anderen auch.“ Aber sobald er mehr von seiner 5M erzählt, wird schnell klar, dass sie etwas Besonderes ist.

In der Gondel, die den Rotor trägt, wäre auf 100 Quadratmetern Platz für eine geräumige Vier-Zimmer-Wohnung – bei einer komfortablen Deckenhöhe von fünf Metern. Selbst neben Getriebe, Generator und Transformator können sich hier zehn Menschen bequem bewegen. Luxuriös ist auch die Aussicht: Bei gutem Wetter reicht der Blick bis ins 33 Kilometer entfernte Cuxhaven.

Nach oben gelangt man mit einem der beiden Aufzüge, die sich im Inneren des Turms befinden. Oder man benutzt die Hubschrauber-Plattform auf dem Dach der Gondel. Landen kann ein Helikopter hier zwar nicht, aber wenn er direkt über der Plattform schwebt, können Menschen und Lasten auf die 5M abgeseilt werden. „Beim ersten Anflug sagte der Pilot, dass ihm die Plattform zu langweilig sei“, erzählt Skiba. „Wir hätten sie ruhig kleiner bauen können.“

Errichtet wurde die 5M im Herbst 2004, direkt an der Elbe, in unmittelbarer Nachbarschaft des Atomkraftwerks Brunsbüttel. Knapp 13 Millionen Euro hat Repower in die Anlage gesteckt, 2,5 Millionen davon aus Fördertöpfen der Europäischen Union und des Landes Schleswig Holstein. An diesem Mittwoch soll die 5M nun offiziell in Betrieb gehen. Rund 400 geladene Gäste werden kommen, darunter die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis und Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Für Martin Skiba ist das Projekt 5M damit aber nicht abgeschlossen. Schließlich läuft in Brunsbüttel nur die Versuchsphase für das eigentliche Vorhaben: den ersten deutschen Windpark im offenen Meer. Denn dafür wurde die 5M entwickelt. In einigen Jahren sollen 80 Anlagen offshore eingesetzt werden – in der Nordsee, in einem gigantischen Windpark mit der Leistung eines halben Kernkraftwerks.

In anderen Ländern wie Dänemark, Schweden oder Großbritannien gibt es Offshore-Anlagen – wenn auch kleiner – schon heute. In Deutschland hingegen verzögern sich die Planungen. Ursprünglich hatte die Bundesregierung für das Jahr 2006 mit einem Windpark gerechnet. Skiba ist aber skeptisch: „Ich habe große Bedenken, ob wir das schaffen.“

Das Problem ist nicht, geeignete Gebiete zu finden. So haben die zuständigen Behörden bereits mehrere Flächen rund 30 Kilometer vor der Nordseeküste ausgewiesen. Auch eine Wassertiefe von bis zu 40 Metern macht Skiba keine Sorgen: „Technisch ist das alles machbar.“ Und selbst am nötigen Geld fehlt es offenbar nicht: Repower hat mit interessierten Betreibern bereits Vorverträge für Anlagen vor der mecklenburgischen Küste und in der Nähe von Helgoland geschlossen.

Was sich aber schwierig gestaltet, ist die Verlegung des Kabels. Denn das müsste durch den Nationalpark Wattenmeer verlaufen – und da stellen sich die zuständigen Landesregierungen quer. Auch eine vorläufige Versuchsanlage in Küstennähe wollen sie nicht genehmigen. Skiba liebäugelt deshalb schon mit dem Gedanken, den ersten Schritt aufs Wasser im Ausland zu wagen, zum Beispiel in Dänemark. „Das wäre dann wie beim Transrapid: Die Technologie stammt von hier, aber zum Einsatz kommt sie woanders.“ In Deutschland rechnet er frühestens 2007 oder 2008 mit einem Offshore-Windpark.

Doch entmutigen lässt sich Skiba nicht. „Ich bin zäh, wenn ich etwas erreichen will“, sagt er. Auch bei der ersten 5M lief schließlich nicht sofort alles glatt. „Alle Behörden hatten Angst wegen der Höhe“, erzählt Skiba. Entsprechend lange dauerte die Standortsuche: fast zwei Jahre. Schlussendlich entschied sich Repower einfach deshalb für Brunsbüttel, weil hier am schnellsten eine Baugenehmigung zu bekommen war. Allerdings erst, nachdem ein TÜV-Gutachten geklärt hatte, dass die 5M für das nachbarliche Kernkraftwerk keine Gefahr darstellt.

Doch die Ausdauer hat sich gelohnt: Der Probebetrieb seit dem Herbst verlief ohne Komplikationen. „Natürlich haben wir vorher alles genau berechnet“, erzählt Skiba. „Aber als sie dann tatsächlich reibungslos lief, war das schon eine große Erleichterung.“ Generator, Getriebe, Flügel – alles arbeite „solide“.

Und auch mit dem Kernkraftwerk gibt es heute keinen Ärger mehr. Im Gegenteil: Repower und die Atombetreiber pflegen mittlerweile gute Beziehungen. Erreicht hat Skiba das mit einem äußerst pragmatischen Mietvertrag: Die beiden Nachbarn teilen sich ihr Besucherinformationszentrum. „Da habe ich überhaupt keine Berührungsängste“, sagt Skiba.

Zur Startseite