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Paolo Tumminelli

© privat

Design-Professor Paolo Tumminelli: "Wir werden langsamer fahren"

Selbstfahrende Elektrofahrzeuge und Joysticks statt Lenkrad. Der Design-Professor Paolo Tumminelli erklärt seine Auto-Vision.

Herr Tumminelli, wie sieht das Auto der Zukunft aus?



Wir werden in den nächsten zehn Jahren eine Renaissance erleben: Der Elektroantrieb kommt wieder. 1910 fuhren 30 Prozent aller Autos in Amerika elektrisch. Erst die flächendeckende Versorgung mit Benzin hat zum Siegeszug des Verbrennungsmotors geführt. Jetzt wird der Strom allmählich das Benzin verdrängen.

Überall in der Welt?

Nein, ich sehe ein zweigeteiltes Bild: Wie jeder große Trend wird das Elektroauto sich zuerst in den Metropolen durchsetzen. Das Elektroauto bietet Mobilität ohne Emissionen – und das auch noch geräuscharm. Auf dem Land macht das dagegen keinen Sinn.

Sind Elektroautos nur umweltfreundlich oder machen sie auch Spaß?

Sie sind mit einem Elektromotor viel bequemer unterwegs. Er hat viel Kraft, sie müssen nicht hochdrehen und nicht schalten. Bei der Fahrqualität schlägt ein Elektroauto jedes Verbrennungsauto – solange Sie Saft haben. Im besten Mercedes steckt aber heute noch dieselbe Batterietechnik wie im Ford Modell A von 1930.

Wie sieht die Batterie in zehn Jahren aus?

Im Grunde gibt es die Technik schon, nämlich Lithium-Ionen-Batterien. Die sind den Automobilherstellern von der Elektronikbranche geschenkt worden. Sie hat sie als Akkus für Mobiltelefone und Laptops entwickelt. Allerdings fehlt noch die automobile Version.

Jeder kennt Science-Fiction-Versionen von Autos: Plexiglaskugeln, die durch die Gegend rollen. Werde ich das Auto des Jahres 2020 noch als Auto erkennen können?

Ja, absolut. Diese Visionen sind so alt wie das Auto. Ich würde aber sagen, dass wir heute weniger Visionen haben. Wir haben nach 100 Jahren Mobilität einen gewissen Standard. Zum Beispiel wie man sitzt, wie viel Platz man braucht oder in welche Richtung man fährt.

Und daran wird sich nicht viel ändern?

Nein. Auch weil das Publikum sehr konservativ ist. Prinzipiell bietet das Elektroauto die Möglichkeit, die Architektur des Autos zu revolutionieren. Dafür brauchen Sie die Serientauglichkeit zweier Technologien: Die erste ist der Radnabenmotor. Sie platzieren den Elektromotor im Rad und nicht mehr unter der Haube. Das ist ein Patent von Ferdinand Porsche aus dem Jahr 1899.

Und die zweite Technik?

Das ist das Thema „Drive-By-Wire“. Heute können sie problemlos elektrisch bremsen und Gas geben und das Auto mit einem Joystick steuern. Doch wir sind alle an die mechanische Verbindung vom Lenkrad zum Rad gewöhnt. 2020 wird es das wahrscheinlich noch geben. Danach ist etwas denkbar, was wie ein Lenkrad aussieht, aber nicht mehr mechanisch mit der Achse verbunden ist. Dann kann ich die Lenkung platzieren, wo ich will.

Wie wird der Verkehr aussehen?

Wir werden mehr Autos haben und mehr fahren. Aber das einzelne Auto wird weniger Energie verbrauchen. Und: Wir werden langsamer fahren und kontrollierter. Firmen wie Microsoft arbeiten an Systemen, die Autobahnen, Landstraßen und Stadtverkehr so verwalten wie die Datenströme im Internet. Im Prinzip kann man vom kontrollierten Fahren bis hin zum selbstfahrenden Auto sprechen.

Wann kommt das?

Das kann ich nicht sagen. Aber mittlerweile ist die Technik so weit, dass sie damit auf einer Landstraße fahren könnten. Anfangs wird das nur eine Option sein. Zum Beispiel, wenn Sie im Stau auf der Autobahn stecken. Dann schalten Sie in den Automatikmodus, drehen Ihren Sitz, lesen Ihre Zeitung oder arbeiten am Laptop.

Wer wird die neuen Autos bauen?

Ein Hersteller baut heute nur noch 20 bis 25 Prozent eines Autos. Der Rest kommt von den Zulieferern. Im Prinzip kann jeder kommen und sagen: dort kaufe ich die Räder, dort den Rahmen, dort die Bremsen und baue damit selber ein Auto. Wäre ich ein großer Autokonzern, würde ich den Tüftlern dieser Welt sagen: Du Kleiner spiel ruhig, ich schaue, was du machst und wenn du Erfolg hast, kaufe ich dich.

Das Interview führte Joachim Telgenbüscher.

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