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Wirtschaft: Deutsche Aktionäre sind schlecht geschützt

Der Sturz von Thomas und Florian Haffa dürfte die beiden Brüder bislang nicht allzu hart getroffen haben. Abgefedert wurde er durch mehrstellige Millionenbeträge, die die Ex-Vorstände trotz des Desasters ihres Unternehmens EM.

Der Sturz von Thomas und Florian Haffa dürfte die beiden Brüder bislang nicht allzu hart getroffen haben. Abgefedert wurde er durch mehrstellige Millionenbeträge, die die Ex-Vorstände trotz des Desasters ihres Unternehmens EM.TV & Merchandising AG ihr eigenen nennen können. Die Gefahr, für das Debakel belangt zu werden, ging gegen Null - bis Anfang dieser Woche. Am Dienstag gab die Staatsanwaltschaft München bekannt, Anklage wegen des Verdachts falscher Angaben und des Kursbetrugs zu erheben.

Dass die beiden falsche Angaben gemacht haben, hat die Realität gezeigt. Statt angekündigter dreistelliger Millionengewinne stand am Ende des Jahres 2000 ein Milliardenverlust zu Buche. Doch der Knackpunkt, den die Münchner Staatsanwälte beweisen wollen und müssen: Haben die Haffas vorsätzlich gehandelt? Gelänge ihnen der Beweis, könnten zum Teil bereits abgewiesene Klagen in neuem Licht erscheinen. Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) wertete die Anklage als "Schritt in die richtige Richtung". Sie bestätige die Einschätzung der DSW, dass es sich um einen strafrechtlichen Tatbestand handele. Dennoch: Bislang ist nicht einmal sicher, ob es überhaupt zu einer Verfahrenseröffnung kommt.

Auch das Urteil des Augsburger Landgerichtes aus dem September, das im Fall der Infomatec-Vorstände Gerhard Harlos und Alexander Häfele erstmals einem Anleger Schadenersatz für erlittene Kursverluste zugestanden hat, hat nach Meinung von Experten auf Grund ganz spezifischer Umstände keinen Präzedenzcharakter. Es zeigt jedoch auch, dass die Rechtsauslegung nicht ganz eindeutig zu sein scheint. Eines hat der Wirbel um angestrebte Prozesse bereits gebracht: Die Basis, auf der sich Geschädigte künftig bewegen werden, soll durch Gesetzesänderungen etwas stabiler werden. Schließt der Paragraf 15, Absatz 6 des Wertpapierhandelsgesetz einen Schadenersatzanspruch von Anlegern bei falschen Ad-hocMeldungen zurzeit aus, sind solche Ansprüche künftig vorgesehen. Aber es bleibt die Beschränkung auf Ad-hoc-Meldungen. "Gegenüber Medien oder auf der Hauptversammlung kann der Vorstand weiterhin straflos lügen", bemängelt Klaus Nieding von der Frankfurter Anwaltskanzlei Nieding + Bartsch. Nieding, auch Präsident des Deutschen Anleger-Schutzbunds (DASB), räumt den aktuellen Aktionärsklagen nur wenig Chance ein. Er kritisiert vor allem, dass der Anleger nach der bisherigen Gesetzesfassung nur gegen die Gesellschaft, nicht aber gegen die Personen klagen kann: "Damit schädigt er sich im Zweifelsfall selbst." Die Paragraphen 93 und 116 des Aktiengesetzes, die Vorstand und Aufsichtsrat der Sorgfaltspflicht unterwerfen, lassen zwar einen Anspruch gegen handelnde Personen zu. Anspruch hat danach aber nur die Aktiengesellschaft selbst, so dass er bei Aktionärsklagen keine Anwendung findet.

Die Anwaltskanzlei Tilp & Kälberer, die einige Geschädigte vertritt, bewertet die Chancen von Klagen optimistischer. So bezweifelt Tilp & Kälberer-Anwalt Wolf von Buttler beispielsweise, dass der Ausschluss eines Schadenersatzes für Anleger in Paragraf 15 des Wertpapierhandelsgesetzes mit europäischem Recht zu vereinbaren ist. Er will dies zur Not vor dem Europäischen Gerichtshof klären lassen.

Die Richter des Landgerichts Augsburg stützen sich in ihrem Infomatec-Urteil jedoch nicht auf den Ad-hoc-Paragraphen, sondern auf Paragraf 88 des Börsengesetzes, der Kursmanipulation unter Strafe stellt. Doch auch dabei muss Vorsatz nachgewiesen werden. Nicht einmal bei einem nachgewiesenen Verstoß gegen Insidergesetze könne automatisch davon ausgegangen werden, gibt Nieding zu Bedenken. Gleiches gilt für den Anlagebetrugsparagraphen 264 im Strafgesetzbuch, der Fahrlässigkeit ebenso wenig unter Strafe stellt wie der Paragraph 400 des Aktiengesetzes, der Vorstand und Aufsichtsrat eine Bestrafung androht, wenn "in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft falsche Angaben" gemacht werden. Nieding kommt daher zu einem eher ernüchternden Schluss: "Die gesetzlichen Regeln in Deutschland reichen zurzeit offensichtlich nicht aus, um den Anlegern zu ihrem Recht zu verhelfen. In dieser Legislaturperiode wird sich daran aber nichts mehr ändern."

hof

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