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Deutsche Bahn: Der Bahnstreik ist Wahnsinn hoch drei

Ab jetzt geht es erst richtig los: Die Streiks der Lokführer in den vergangenen Wochen dürften nur ein Vorgeschmack auf das gewesen sein, was das Land in den nächsten Tagen erwartet. Wenn die Beteiligten nicht so dilettantisch agieren würden, bliebe uns das Chaos erspart.

Ab jetzt geht es erst richtig los. Die Streiks der Lokführer in den vergangenen Wochen dürften nur ein lauer Vorgeschmack gewesen sein auf das, was das Land in den nächsten Tagen erwartet: Fabriken, deren Stahl- und Kohlevorräte knapp werden, Häfen, in denen sich Frachtcontainer türmen, noch längere Lastwagenkolonnen auf den Autobahnen. Womöglich legt die Lokführergewerkschaft GDL obendrein die ICEs lahm. Nachdem ihr per Gericht erlaubt wurde, Güterzüge ebenso zu bestreiken wie Fern- und Regionalzüge, steht die Republik vor der beispiellosen Eskalation eines Tarifstreits. Für die Bahn ist es nach der Beerdigung ihrer Börsenpläne durch die Koalition ein weiterer Tiefschlag.

Doch all das müsste nicht sein, würden die Beteiligten auf beiden Seiten nicht so dilettantisch agieren. Schon seit mehr als einem halben Jahr beharken sich Deutsche Bahn und GDL, seither sind sie sich nicht einen Schritt nähergekommen. Hier der Konzern, der derart dürftige Angebote unterbreitete, dass sie für eine Gewerkschaft schlicht unannehmbar waren. Dort eine Arbeitnehmerorganisation mit einer völlig unprofessionellen Taktik: Mal streikte sie, mal drohte sie, mal tat sie gar nichts. Mal fuhr der Chef zur Kur, mal kam er wieder und beschimpfte die Gegenseite flegelhaft als „Außerirdische“. Respekt verschafft man sich so nicht. Eine Einigung, ohne dass eine der Parteien das Gesicht verliert, scheint mittlerweile unmöglich. Die Tarifrituale von IG Metall und Gesamtmetall mögen im Vergleich verstaubt anmuten, ihr Vorteil ist: Sie funktionieren, weil sich die Partner an die Regeln halten. Bahn und GDL sollten sich daran ein Beispiel nehmen, statt Kunden und Pendler leiden zu lassen und Gerichte zu bemühen.

Dabei ist es das gute Recht der Lokführer, ihre Forderungen mit Streiks durchzusetzen, auch wenn sie Schaden anrichten. Genauso klar ist, dass die Deutsche Bahn hart bleiben muss, im eigenen Interesse und in dem des Landes. Gewährte sie den Lokführern die geforderten hohen Lohnsteigerungen, stünden ihr nicht nur kostspielige Nachforderungen der anderen Bahn-Gewerkschaften ins Haus. Sie müsste auch damit rechnen, dass sich das Tarif-Hickhack mit den Lokführern Jahr für Jahr wiederholen könnte – und dass Stellwerker, Mechaniker und Gleisarbeiter sich dies zum Vorbild nehmen. Höhere Personalkosten wären ebenso die Folge wie steigende Fahrpreise. Am Ende würden wieder mehr Menschen mit dem Auto zur Arbeit fahren, Unternehmer ihre Waren auf der Straße statt auf der Schiene befördern lassen – so würde der Tarifstreit zum Klimakiller.

Die Chancen der Bahn, der GDL zu trotzen, stehen gleichwohl gut. Um die Wirtschaft zu treffen, müssten die Lokführer vor allem im strukturstarken Westen streiken. Dort aber ist die Gewerkschaft längst nicht so stark wie im Osten, weil es dort mehr beamtete Lokführer gibt. Ohnehin schwindet das Verständnis der Bürger für die Lokführer. Sollte im Zuge eines neuen Streiks auch noch die Konjunktur Schaden nehmen, dürfte sich dieser Trend beschleunigen. Die Kraftprobe wird zwar teuer für die Bahn. Ein Sieg wäre dennoch das Beste, was der deutschen Tariflandschaft passieren könnte: Ein Machtwort aus der Politik würde sich erübrigen, der Trend zur Zersplitterung der Gewerkschaften wäre aufgehalten, die Tarifeinheit gestärkt. Das wäre mehr, als man von einem so verfahrenen Konflikt erwarten kann.  

Ein Kommentar von Carsten Brönstrup

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