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Mit ernster Miene. Jürgen Fitschen macht sich mit seinem Auftreten derzeit wenig Freunde.

© dpa

Deutsche Bank: Der Fall des Jürgen Fitschen

Für die Deutschen ist vor allem Jürgen Fitschen das neue Gesicht der Deutschen Bank. Und ein Gesicht, das Ärger, Wut und Verwunderung auf sich zieht. Doch die Skandale der Bank provozieren auch in der Finanzwelt.

Jürgen Fitschen ist bester Laune. Auf dem Empfang der bundeseigenen KfW-Bankengruppe in der Deutschen Botschaft am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds scherzt der Co-Chef der Deutschen Bank mit Kollegen, Bundestagsabgeordneten und Journalisten. Das war Mitte Oktober in Washington. Heute würden die Gespräche anders ablaufen. Die Razzia bei der Deutschen Bank, die Verhaftung von fünf Bankern, die Ermittlungen gegen Fitschen und seinen Vorstandskollegen Stefan Krause sowie Fitschens Versuch, über einen Anruf bei Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) die Ermittler zur Mäßigung zu bewegen, sorgen für Entsetzen in der Politik und auch in der Frankfurter Bankenszene.

Für die Deutschen ist vor allem Fitschen seit Juni das Gesicht der Deutschen Bank. Und mittlerweile ein Gesicht, das Ärger, Wut, Empörung und Verwunderung auf sich zieht. Dabei galt der 64-jährige Niedersachse als seriöse, solide und zurückhaltende Erscheinung, nicht etwa als der Typ eines knallharten Investmentbankers. Im Gegensatz zu seinem 15 Jahre jüngeren Co-Chef Anshu Jain.

Die vergangenen Wochen haben alles verändert. Einen Kulturwandel hatte Fitschen im September bei seinem ersten gemeinsamen Auftritt mit Jain in Aussicht gestellt. Ausgerechnet in jenem Saal, der nach der Deutsche-Bank-Legende Hermann-Josef Abs benannt ist. Die Bank solle wieder ihren Platz in der „Mitte der Gesellschaft“ finden. Drei Monate später findet sie sich am Rande wieder. Der Skandal um die Manipulation des Interbanken-Zinses Libor – die Bank hat deshalb vor Monaten zwei Händler entlassen –, das Schadenersatzurteil im Kirch-Prozess und die Razzia mit 500 Beamten verbunden mit Verhaftungen und Ermittlungen werden von vielen nur als Spitze des Eisberges eingestuft. Für Fitschen sind es Tiefschläge, die ihn am vergangenen Mittwoch sogar zur telefonischen Beschwerde bei Ministerpräsident Bouffier getrieben haben. „Was hat ihn da wohl geritten?“, wundert sich ein Banker. Damit habe er alles noch schlimmer gemacht.

In Kreisen der Bank heißt es inzwischen, Fitschen bedauere den Anruf und spreche selbst von einem Fehler. Doch rückgängig machen kann er ihn nicht. Im Internet kursieren hämische Artikel, die die Zwillingstürme der Bank als Gefängnis mit Zellenblock A und B und den Insassen Fitschen und Jain titulieren. In Berlin wird über einen Untersuchungsausschuss zur Deutschen Skandalbank debattiert. Für Fitschen, der in der Politik bestens verdrahtet ist, wäre es ein Gang nach Canossa. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ wurde die Deutsche Bank von der britischen Steuerbehörde HMRC frühzeitig vor kriminellen Machenschaften beim Emissionshandel gewarnt. Die Bank habe es anschließend aber versäumt, intern durchzugreifen. Das gehe aus Akten der Generalstaatsanwaltschaft hervor.

Fitschen gilt als Aushängeschild der Bank, er sollte den Gegenpart zu Jain einnehmen

Dem Bericht zufolge wies die HMRC führende Vertreter der Deutschen Bank in London bereits im Herbst 2009 darauf hin, dass große Teile des Handels mit Luftverschmutzungsrechten „mit Betrugskriminalität behaftet seien“. Ein Sprecher der Deutschen Bank bekräftigte dazu: „Wir werden alle Detailvorwürfe prüfen.“

Bis auf solche kurze Stellungnahmen und zwei knappe Interviews von Fitschen schweigt die Bank zu den Vorwürfen. Von Jain ist seit Wochen kein einziges Wort zu hören. Auch Aufsichtsratschef Paul Achleitner schweigt. Unter den Mitarbeitern brodelt es. „Von Kulturwandel ist nichts zu spüren. Der Druck ist enorm“, berichtet ein Insider. „Es herrscht eine Kultur der Gnadenlosigkeit.“ Es gebe „Todeslisten“ mit Namen von Mitarbeitern, die ihren Job verlieren sollten. Jain und Fitschen wollen die Kosten um 4,5 Milliarden Euro pro Jahr kappen. Das geht nicht ohne Konflikte.

Und das alles unter der Regie von Fitschen. Dabei gilt er als Aushängeschild der Bank. Genau deshalb ist er als Gegenpart zu Jain an die Spitze der Bank berufen worden – zumindest bis 2015. Dann soll der indischstämmige Brite, der jahrelang die Investmentsparte geleitet hat, das Institut alleine führen. Fitschen ist der Typ des honorigen Kaufmanns. Seit fast 30 Jahren arbeitet der Sohn eines Landwirts aus dem niedersächsischen Hollenbeck für die Bank. 17 Jahre verbrachte der Handelskaufmann und Wirtschaftswissenschaftler im Ausland, vor allem in Japan. Nach seiner Rückkehr kümmerte er sich jahrelang um den Mittelstand und erwarb sich einen tadellosen Ruf. 2001 rückte Fitschen in den Vorstand, seit Juni leitet er mit Jain die Bank. Jetzt hat er, „auch gegenüber Jain an Gewicht verloren“, sagt ein Kenner der Bank über das Spitzenduo.

Doch die Branche setzt auf Fitschen und sein ruhiges, von Allüren gänzlich freies Auftreten. Im April soll er an die Spitze des Bundesverbandes Deutscher Banken rücken. Im November wurde er einstimmig gewählt. Jetzt fragen sich manche Banker, ob Fitschen die Branche noch aus der schweren Vertrauenskrise führen kann. Auch wenn er angeblich die im Zusammenhang mit den Emissionszertifikaten monierte Steuererklärung mit falschen Rückforderungen in Höhe von 300 Millionen Euro nur zufällig unterschrieben hat, weil der damalige Bank-Chef Josef Ackermann nicht im Haus war. Aber wer glaubt das schon, in einer Zeit, in der reihenweise Skandale und mutmaßliche Regelverstöße der Bank zum Vorschein kommen. (mit dpa)

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