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Wirtschaft: Deutsche Bank: "Die Deutsche Bank ist nicht national"

Herr Breuer, nach fünf Jahren treten Sie als Vorstandssprecher der Deutschen Bank ab. Am 22.

Herr Breuer, nach fünf Jahren treten Sie als Vorstandssprecher der Deutschen Bank ab. Am 22. Mai übernimmt mit Josef Ackermann erstmals ein ausländischer Manager die Führung. Das Ende eine großen Tradition?

Eine Revolution ist nicht zu erwarten. Der Übergang auf den Schweizer Josef Ackermann ist ohne Probleme, nahtlos und ohne Brüche. Unser Geschäft ist international, also sind auch die handelnden Personen international. Vor fünf Jahren waren wir noch eine traditionelle Universalbank in Deutschland. Heute sind wir eine weltweit tätige Universalbank neuen Stils, die als Investmentbank, aber auch als Filialbank sehr stark auf den Kapitalmarkt ausgerichtet ist. Das ist ein Modell, wie es keine andere Bank versucht. Wir agieren damit in einer anderen Kategorie.

Nur die Kostenprobleme teilen Sie noch mit Ihren Wettbewerbern am Finanzplatz Deutschland. Alle Banken bauen massiv Mitarbeiter ab, streichen Ausgaben zusammen.

In der Tat. Unsere Produktivität ist zu niedrig, weil sie nicht mit der Geschwindigkeit des Konzernumbaus Schritt gehalten hat. Wir hinken deutlich hinter unserer ausländischen Konkurrenz hinterher.

Bei Ihnen kommen auf einen Euro Einnahme rund 90 Cent Kosten, andere Banken kommen mit 65 Cent aus. Woran liegt das?

Hauptgrund ist ein typisch deutsches Standortproblem: Wir agieren in einem überbesetzten Markt mit verzerrtem Wettbewerb und entsprechend unzulänglichen Margen. Wir leben eben in einem Hochkostenland und müssen gegen äußerst rigide Reglementierungen am Arbeitsmarkt kämpfen. Das ist der größte Standortnachteil, den wir mit uns herumschleppen.

Aber auch der Vorstand der Deutschen Bank lässt sich nicht gerade bescheiden entlohnen. 2001 waren es stolze 59 Millionen Euro.

Wir müssen uns vergleichen mit den Spitzenkräften der Schweizer Großbanken, die ähnlich aufgestellt sind wie wir. Dann sind unsere Gehälter absolut im Markt. Mit Blick auf unsere amerikanischen Kollegen sind wir dürftig bezahlt. Der deutsche Neidkomplex ist im übrigen nicht immer der richtige Wegweiser.

Die Reform der Arbeitsmarktpolitik ist offenbar in die Wege geleitet. Gibt es ein weiteres Sanierungsfeld?

Zwei sogar. Die Pisa-Studie hat die gravierenden Mängel in der Bildungspolitik offen gelegt. Wir sind in der breiten Ausbildung guter Durchschnitt, haben aber die Fähigkeit verloren, Spitzenkräfte auszubilden. Das müssen wir dringend ändern. Ein anderes wichtiges Thema ist der Föderalismus. Der ist in dieser Form nicht mehr zeitgemäß.

Wollen Sie die Bundesländer abschaffen?

Es geht um die Kompetenz und die Struktur. Ein halbes Jahrhundert nach Gründung der Bundesrepublik ist es an der Zeit, Dinge, die im Nachkriegsdeutschland sinnvoll waren, auf den Block zu stellen. Für die Väter des Grundgesetzes machte es sicher großen Sinn, dass wichtige Gesetzesvorhaben durch das Länderparlament Bundesrat müssen. Solche Stopper können wir uns nicht mehr leisten, wenn wir eine zügige Reformpolitik machen wollen. Wir sollten uns jetzt von einigen Dingen verabschieden, weil das Inseldasein Deutschlands zu Ende ist. Die Auflösung der so genannten Deutschland-AG ist der beste Beleg dafür.

An der Gestaltung dieser nationalen Aktiengesellschaft hat die Deutsche Bank maßgeblich mitgewirkt.

Dass eine Bank wie wir viele Beteiligungen an Industrieunternehmen hält, ist nicht mehr zeitgemäß. Seit einiger Zeit verfolgen wir daher das Konzept, aus unseren Beteiligungen auszusteigen, auch um damit die Verkrustungen in der deutschen Wirtschaft aufzubrechen.

Der Zeitpunkt für einen Verkauf von Aktienpaketen ist nicht sehr günstig, weil die Unternehmen an den Börsen schlecht bewertet sind.

Deshalb schlagen wir unseren Aktionären auf der Hauptversammlung am 22. Mai auch vor, Erlöse aus der Veräußerung von Industriebeteiligungen zum Rückkauf eigener Aktien zu verwenden - praktisch ein Aktientausch. Und wenn unsere Aktionäre diesen Plan genehmigen, kann es munter losgehen. Wir führen jedenfalls laufend Gespräche. Für den Aktionär ist das eine gute Idee, wenn das Kurspotenzial der Deutsche-Bank-Aktie besser ist, als das der Beteiligungen.

Damit steht Ihre Beteiligung an Daimler- Chrysler ebenfalls zur Disposition?

Grundsätzlich ja. Wir unternehmen jedoch nichts, ohne vorher mit dem Daimler-Vorstand gesprochen zu haben. Und das ist noch nicht geschehen.

Sind Sie im Gespräch mit der Telekom wegen ihres Kabelnetzes?

Nein.

Die Deutsche Bank wird sich aber trotzdem weiter an Unternehmen beteiligen.

Das ist schließlich ein Kerngeschäft. Wir kaufen, um bei der Restrukturierung zu helfen und unsere Beteiligung dann wieder gewinnbringend zu verkaufen. Das gilt auch für börsennotierte Gesellschaften. Alle diese Engagements sind immer zeitlich begrenzt.

Die Deutsche Bank selbst ist ja auch Gegenstand von Spekulationen. Sind Sie ein Übernahmekandidat, weil der Börsenwert aktuell so gering ist?

Theoretisch ja. Praktisch ist das höchst unwahrscheinlich. Der deutsche Bankenmarkt ist schwierig und ein Käufer müsste 50 Milliarden Euro plus Prämie auf den Tisch legen. Das ist ein stolzer Preis, bei dem eine entsprechende Rendite fraglich wäre.

Als Sie Bankers Trust in den USA vor drei Jahren übernommen haben, war das nicht anders.

Das war eine gelungene Übernahme und die Integration war eine großartige Managementleistung. Zudem haben wir Bankers Trust für 17 Milliarden D-Mark vergleichsweise billig bekommen. Wir hatten auch Glück, die Kapitalmärkte haben danach geboomt. Heute kommen vergleichbare Übernahmen wegen der Flaute am Kapitalmarkt schnell in schweres Wasser.

Stünden Sie heute besser da, wenn die Fusion mit der Dresdner Bank nicht geplatzt wäre?

Ich hätte diesen Zusammenschluss gerne gesehen. Es ist eine verpasste Gelegenheit. Gerade wegen des enormen Kostenblocks beider Häuser. Die Produktivität wäre mit einem Schlag sehr deutlich gestiegen. Aber am Ende war es nicht unsere Entscheidung.

In den letzten Jahren ihrer Amtszeit war nicht mehr klar erkennbar: Will die Deutsche Bank nun das Privatkundengeschäft oder will sie es nicht? Vor zwei Jahren stand die Trennung zur Debatte, jetzt legen sie wieder großen Wert darauf, die Bank 24 soll in den Konzern eingegliedert werden.

Wir haben nie gesagt, dass wir uns von den Privatkunden trennen wollen. Die Bank 24 ist erfolgreich, bringt Gewinne. Aber die Kunden haben sich verändert, Altersvorsorge und Kapitalmarktanlage rücken immer mehr in den Vordergrund. Die Kunden wollen mehr Beratung für die Riester-Rente und darüber hinaus. Dass allein kann die Deutsche Bank 24 nicht leisten. Also rückt sie wieder näher unter das Dach der Deutschen Bank. Und ich könnte mir nach wie vor vorstellen, andere Finanzinstitute als Partner mit in dieses Geschäft zu holen.

Die privaten Kunden haben Sie wieder entdeckt, gilt das auch für die mittelständische Wirtschaft? Warum haben sich die Großbanken aus der Kreditfinanzierung zurückgezogen?

Diesen Schuh ziehe ich mir für unser Haus nicht an. Die Behauptung ist falsch. Es geht auch darum, wie man die mittelständische Kundschaft definiert. Die Deutsche Bank war noch nie eine Handwerkerbank wie die Sparkassen und Volksbanken.

Aber auch Mittelständler mit mehreren Millionen Euro Umsatz und Tausenden von Arbeitsplätzen klagen darüber, dass sie keine Kredite mehr bekommen.

Wir wollen unseren Kunden nicht nur Kredite geben. Die gesamte Kundenbeziehung muss sich für beide Seiten auch rechnen, erst dann macht sie Spaß.

Der Kanzler meint, Deutschland brauche eine neue Mittelstandsbank.

Wenn man unterstellt, dass wir einen Subventionstatbestand haben, mag das stimmen. Aber ich glaube nicht, dass der Mittelstand sich selbst als Subventionsfall sieht.

Also ist die Mittelstandsfinanzierung gar kein Problem?

Es steht genug Fremdkapital zur Verfügung. Was fehlt ist Eigenkapital. Das ist ein schon länger bekanntes Problem im deutschen Mittelstand. Das zu lösen, ist aber nicht Aufgabe der Geschäftsbanken. Dafür gibt es Förderinstitute wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Außerdem gibt es inzwischen genügend Beteiligungsgesellschaften. Nur müssen die Mittelständler dann auch bereit sein, Miteigentümer in ihre Firmen aufzunehmen. Daran hapert es manchmal.

In der Vergangenheit stand die Deutsche Bank immer in enger Verbindung zur Politik. Der Vorstandssprecher beriet die Regierenden, bei großen Unternehmenskrisen griff die Deutsche Bank ein. Ist der Name verpflichtend?

Wir sind nicht mehr deutsch im Sinne von national. Die Mehrheit unserer Mitarbeiter hat keinen deutschen Pass, die Mehrheit der Kunden ist nicht deutsch und lebt nicht in Deutschland wie die Mehrheit unserer Aktionäre. Und die Mehrheit unserer Gewinne kommt nicht aus Deutschland. Aber unsere Wurzeln und der Kern unserer Kultur liegen in Deutschland. Der Vorstandssprecher dieser Bank wird Politkern auch in Zukunft auf Gebieten, auf denen wir besondere Kompetenz haben, mit Rat zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollte er aber keinen Einfluss nehmen. Das ist nicht seines Amtes, und da haben wir heute vielleicht eine andere Einstellung als früher.

Der Hauptsitz in Frankfurt und der Name Deutsche Bank bleiben aber?

Eine Verlagerung unseres Sitzes nach London wäre unsinnig. Dort wären wir eine von dreihundert ausländischen Banken. In Frankfurt sind wir jedoch die einzige Großbank, die wirklich international aktiv ist, im größten Mitgliedsland der EU, im größten Markt. Das ist einer unserer wichtigsten Wettbewerbsvorteile. Und wir wären ziemlich dumm, wenn wir diesen Vorteil und diesen Namen aufgäben.

Herr Breuer[nach fünf Jahren treten Sie als]

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