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Wenn es um Vorwürfe gegen die ehemals von ihm geleitete Investmentsparte geht, schweigt Deutsche-Bank-Chef Jain beredt.

© Reuters

Update

Deutsche Bank: Die Stunde der Wahrheit für Anshu Jain

Anshu Jain stellt sich am Mittwoch bei der Jahres-Pressekonferenz der Deutschen Bank. Was wusste der Co-Chef von fragwürdigen Geschäften der Investmentbanker?

Zahlen, Bilanzdaten, Gewinn - wer in diesen Tagen an die Deutsche Bank denkt, hat das so wenig im Kopf wie selten in der Vergangenheit. Wenn Anshu Jain und Jürgen Fitschen am Mittwochvormittag im großen Konferenzsaal der Deutsche-Bank-Zentrale an der Frankfurter Taunusanlage zur Jahres-Pressekonferenz aufs Podium treten, geht es vor allem um die beiden Chefs der Bank.

Ganz besonders um Anshu Jain. Zinsmanipulationen, mögliche Tricksereien im Handel mit Devisen und Edelmetallen, fragwürdige Hypothekengeschäfte in den USA - die Investmentbanker der Deutschen Bank haben derzeit massive Probleme. Und damit auch der 51-jährige smarte indisch-stämmige Brite. Schließlich hat Jain die Investmentsparte jahrelange geleitet. Kann es sein, dass er von den fragwürdigen, zum Teil illegalen Geschäften nichts gewusst hat? Hat er sie geduldet oder sogar gefördert? Noch gibt es keine Antworten. Aber hochrangige Banker in Frankfurt bezweifeln, dass Jain auf Dauer Co-Chef der Bank bleibt.

„Ich weiß nicht, ob die Deutsche Bank die Krise mit Jain an der Spitze bewältigen kann“, sagt ein Top-Banker einer Frankfurter Privatbank. Pressesprecher anderer Institute bedauern die Kollegen bei der Deutschen Bank angesichts fast täglicher negativer Schlagzeilen. „Für alles Geld der Welt wollte ich nicht tauschen.“ Seit Monaten lehnt man sich bei der Commerzbank fast beruhigt zurück. Die lange krisengeschüttelte, allerdings von Manipulationsvorwürfen unberührte Bank, stand für Monate oben in den Schlagzeilen. Die Zeiten sind dank Deutscher Bank vorbei.

Jain zumindest moralisch verantwortlich

Bei seinen raren öffentlichen Auftritten äußert sich Jain, vermutlich auf Rat der Bank-Juristen, zu seinen möglichen Verwicklungen in die Skandale mit keinem Wort. Bankenkenner wie Dieter Hein vom Analysehaus Fairesearch sind überzeugt, dass Jain um die fragwürdigen Praktiken wusste. Er sei zumindest für das unmoralische Verhalten seiner Mitarbeiter verantwortlich, sagt Hein, der Jain für den falschen Mann an der Spitze der Bank hält.

Bemerkenswert auch: Enge Vertraute des früheren Chefs Josef Ackermann, der die Bank von 2002 bis 2012 führte, weisen eine Verantwortung des Schweizers für die Skandale entschieden zurück. „Anshu Jain war doch Chef der Investmentbank“, heißt es. So, als ob er völlig unbesehen von Ackermann seinen Geschäften hätte nachgehen können. Ganz unrecht war es der Bankspitze allerdings auch nicht: Es gab Jahre, in denen Jains Investmentbanker für 70 Prozent des Gewinns der Bank sorgten.

Fünf Milliarden Euro für diverse Skandale

Mittlerweile kostet ihr Treiben freilich sehr viel Geld. Im Dezember zahlte die Bank wegen Zinsmanipulationen 725 Millionen Euro an die EU, 1,4 Milliarden Euro waren in den USA wegen umstrittener Hypothekengeschäfte fällig. Insgesamt musste die Bank 2012 und 2013 satte fünf Milliarden Euro für diverse Skandale überweisen.

Mehr als zwei Milliarden Euro sind als Reserve für mögliche weitere Strafen gebunkert. Auch für vermutlich fälligen Schadensersatz im Streit mit den Erben des Medienunternehmers Kirch. Immerhin: Dafür ist Jain definitiv nicht verantwortlich, sondern sein Vor-Vorgänger Rolf Breuer mit seinen im Februar 2002 gefallenen lockeren Worten über die mutmaßliche Insolvenz Kirchs.

Möglicherweise steht Fitschen bald allein an der Spitze

Jain wird allmählich mehr Farbe bekennen müssen. Allgemeinplätze reichen nicht mehr. Zumal auch die Bankenaufsicht Bafin entschiedene Konsequenzen fordert. Das Verhältnis der Bank zu den Bonner Aufsehern hat sich merklich abgekühlt. Auch er wisse nicht, was alles noch auf die Bank zukomme, sagt Jain immer wieder lapidar. Und dass der versprochene Kulturwandel nicht über Nacht umgesetzt werden könne, wie er vor wenigen Tagen in der Telefonkonferenz betonte, in der er den Verlust im vierten Quartal 2013 eingestehen musste. Den ehrgeizigen Jain trifft zudem, dass die großen US-Investmentbanken schon wieder satte Gewinne ausweisen. Obwohl auch sie drastische Strafen zahlen mussten.

Klare Worte von Jain wird auch Aufsichtsratschef Paul Achleitner erwarten. Achleitner weiß um die schwierige Lage der Bank. Im August hat er den Vertrag des 65-jährigen Fitschen um zwei Jahre bis 2017 verlängert. Eigentlich sollte der - trotz seiner zeitweiligen Streitereien mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und wegen Ermittlungen im Blick auf Umsatzsteuerbetrug und zweifelhafte Zeugenaussagen im Kirch-Prozess - bei deutschen Unternehmen geschätzte Fitschen ab 2015 Jain alleine das Ruder überlassen. Das ist dem Aufsichtsrat längst zu heikel. Möglicherweise steht bald nur noch Fitschen an der Spitze der Bank.

Ein Kommentar der Deutschen Bank

„Wir wiederholen, dass nach aktuellem Stand der Untersuchungen kein amtierendes oder früheres Mitglied des Vorstands in irgendeiner unangemessenen Weise in die untersuchten Vorgaenge um Referenzzinssaetze verwickelt war." (dies können Sie einem Sprecher der Deutschen Bank zuordnen) Desweiteren können Sie auch die Aussagen von Paul Achleitner, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Bank, verwenden. In einem Interview mit der "Wirtschaftswoche" vom 21.12.2013 hat Herr Achleitner auf folgende Frage geantwortet:

WiWo: "Bei jedem Skandal stellt sich die Frage, ob Anshu Jain als Ex-Chef des Investmentbankings die glaubwürdige Führungsfigur für eine bessere Zukunft ist."

Paul Achleitner: "Davon sind wir im Aufsichtsrat fest überzeugt. An der Spitze der Bank stehen Persönlichkeiten, die unter den alten Spielregeln korrekt gehandelt haben, und erfolgreich waren, aber wissen, wie fundamental sich die Regeln verändert haben und dafür sorgen, dass sich Bank anpaßt. In der Kultur der Deutschen Bank war bei weitem nicht alles schlecht. Die Bank war und ist ökonomisch eine sehr erfolgreiche Organisation. [...] Manager, die sich bewiesen haben, sind glaubwürdig und können als Katalysatoren des Wandels wirken.“

Christoph Blumenthal von der Deutsche Bank AG ließ dem Tagesspiegel diese Stellungnahme zum Artikel von Rolf Obertreis zukommen

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