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Ein herausforderndes Umfeld: Die beiden Chefs Jürgen Fitschen (l.) und Anshu Jain müssen mit Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten in Milliardenhöhe rechnen.

© Reuters

Deutsche Bank: Sieben Seiten Streit

Die Deutsche Bank hat eine Liste ihrer Rechtsrisiken veröffentlicht. Insgesamt 4,1 Milliarden Euro hat das Institut bereits für mögliche Bußgelder und Strafzahlungen zurückgelegt.

Frankfurt am Main - Im jüngsten Zwischenbericht muss man bis Seite 106 blättern, um Details zu erfahren. Dort erläutert die Deutsche Bank unter dem Stichwort „Sonstige Eventualverbindlichkeiten“ die Liste von Rechtsstreitigkeiten, denen sie sich derzeit ausgesetzt sieht. Gut sieben eng bedruckte Seiten sind nötig, um die diversen Fälle zumindest oberflächlich zu erläutern. Dabei tauchen die jüngst angestoßenen Ermittlungen gegen Ko-Vorstandschef Jürgen Fitschen wegen angeblicher Falschaussage im Prozess um Schadenersatzforderungen des Medienunternehmers Leo Kirch dort noch nicht einmal auf, weil sie erst Anfang der Woche bekannt wurden.

Die Bank spricht im Blick auf die lange Liste von Klagen und Prozessen von einem „herausfordernden Umfeld“. Insbesondere in den USA und Großbritannien könne der Ausgang der Verfahren „nicht abgeschätzt werden“. Schon zu Jahresbeginn hatte Ko-Chef Anshu Jain eingeräumt, dass er nicht wisse, was noch alles auf die Bank zukomme. 4,1 Milliarden Euro hat das Institut mittlerweile zur Seite gelegt – so viel wie sie zuletzt in manchen Jahren netto verdient hat. Ein Überblick:

Isdafix: Die EU-Kommission wirft rund einem Dutzend Banken vor, zwischen 2006 und 2009 den Zins Isdafix für das außerbörsliche Geschäft mit Zinsprodukten manipuliert zu haben. Dieser Markt hat ein Volumen von etwa 500 Billionen Dollar. Der Nachweis solcher Manipulationen gilt als extrem schwer. Sollte er gelingen, drohen Bußgelder. Im Zusammenhang mit Isdafix gibt es in den USA auch Zivilklagen gegen die Deutsche Bank.

Devisenmarkt: Mehrere Aufsichtsbehörden prüfen seit Monaten, ob es auch an den Devisenmärkten zu Manipulationen der Referenzkurse gekommen ist. Im Visier der Ermittler ist neben der Deutschen Bank auch die Schweizer UBS.

Hydro-Wasserkraftwerk in Albanien: Hier war die Deutsche Bank Ko-Finanzierer. Die italienischen Projektunternehmen klagen, weil die Bank ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Ein Gericht in Rom hat die Bank im August zu knapp 400 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt. Die Bank hat den internationalen Schiedsgerichtshof in Paris angerufen.

Interbanken-Zins Libor: Hier geht es um die Manipulation des wichtigen Libor- Zinses für Euro, Dollar und Yen sowie um Betrug. Mehrere Großbanken haben bereits Vergleiche geschlossen oder Bußgelder bezahlt. Allein in der EU könnten bis zu 800 Millionen Euro fällig werden. Die Deutsche Bank räumt ein, dass die Untersuchungen „die Verhängung hoher Geldstrafen und andere Auswirkungen nach sich ziehen könnten“. In den USA sind auch etliche Zivilklagen anhängig. Allein der Immobilienfinanzierer Fannie Mae soll von mehreren Banken 800 Millionen Dollar Entschädigung verlangen.

Kirch: Im Streit mit den Erben des Medienunternehmers Kirch, der wegen einer Aussage von Ex-Bankchef Rolf Breuer im Februar 2002 über die nicht vorhandene Kreditwürdigkeit des Konzerns auf Schadenersatz geklagt hat, sieht es für die Bank nicht gut aus. Prinzipiell ist das Institut zu Schadenersatzzahlungen verurteilt. Sie könnten in die Milliarden gehen. Ex-Bankchef Josef Ackermann wollte sich Anfang 2012 mit Kirch auf eine Zahlung von 800 Millionen Euro einigen, bekam aber im Vorstand kein Okay.

Monte dei Paschi in Italien: Die Deutsche Bank soll hier Bilanzmanipulationen unterstützt haben, bestreitet das aber. Eine Schadenersatzforderung über eine halbe Milliarde Euro steht im Raum.

Hypothekenkredite in USA: Zum einen gibt es zahlreiche Klagen wegen Finanzprodukten aus verbrieften Krediten, die von der Bank vor dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes vertrieben wurden. Zum anderen fordern diverse Banken die Deutschen auf, an sie verkaufte Kreditpapiere wieder zurückzunehmen. Offen sind der Bank zufolge noch Forderungen in Höhe von 6,3 Milliarden Dollar. Allein dafür hat sie mehr als eine halbe Milliarde Dollar zurückgestellt. Es sei möglich, dass diese Forderungen eine „wesentliche Auswirkung auf die Deutsche Bank haben“, heißt es in dem Bericht.

Zinswetten: In Deutschland und Italien hat die Bank vor Jahren mit zahlreichen Kommunen, aber auch Firmen Zinsgeschäfte vereinbart, die die Zinslast senken sollten, aber zum Teil zu herben Verlusten führten. In einigen Fällen musste die Bank Schadenersatz leisten, in anderen bekam sie Recht. Allein in Italien sollen noch 600 Verfahren anhängig sein.

CO2-Zertifikate: Im Handel mit diesen Zertifikaten soll es zu Steuerbetrügereien gekommen sein. Im Dezember vergangenen Jahres durchsuchten 500 Beamte die Zentrale in Frankfurt am Main. Fitschen beschwerte sich bei Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Den Fehler gestand er jedoch schnell ein. Gegen Fitschen, Finanzvorstand Stefan Krause und weitere Banker wird wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt. Fitschen hatte eine der Steuererklärungen unterschrieben.

2012 hat die Bank rund 1,6 Milliarden Euro an Bußgeldern und Strafen bezahlt, sagte Finanzchef Krause Anfang des Jahres. Jedoch umfasst dies nur Einzelbeträge von mehr als 100 Millionen Euro. Was darunter liegt, wird nicht erwähnt. Ob die Rückstellung von 4,1 Milliarden Euro reicht – auch Jain und Fitschen wissen es nicht. Rolf Obertreis

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