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Rene Obermann

© dpa

Deutsche Telekom: Vertrauenskrise statt Wirtschaftskrise

Telekom-Chef René Obermann hat andere Probleme als die meisten Konzerne - diese Woche legt er Geschäftszahlen vor. Vor allem muss er aber seinen Kunden erklären, wie er ihre Daten künftig besser schützen will.

René Obermann hat Glück. Während andere Unternehmen Vorbereitungen für die Rezession treffen, bleibt der Telekom-Chef weitgehend verschont. Die Telekom, so sagen Analysten, sei ein konjunkturresistenter Wert. Bislang hat Obermann von der Krise sogar eher profitiert. Ohne die Krise hätten Spitzelaffäre, Datendiebstahl und die schlecht geschützten Kundendaten bei T-Mobile die Öffentlichkeit viel mehr erregt. Früher beklagten Telekomkunden hohe Preise und schlechten Service. Nun steht auch die Zuverlässigkeit auf dem Spiel. "Wenn die Kunden das Vertrauen verlieren, dass mit ihren Daten verantwortungsvoll umgegangen wird, werden sie der Telekom den Rücken kehren", sagt Hans Richard Schmitz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Ich bin gespannt, ob sich die Abwanderung beschleunigt hat." Die aktuellen Zahlen wird Obermann am Donnerstag mit den Geschäftszahlen für die ersten neun Monate präsentieren.

"Aus Sicht des Aktionärs läuft es derzeit nicht so schlecht", sagt DSW-Sprecher Schmitz. Voraussetzung sei allerdings, dass Obermann "die Spionageaffäre sauber in den Griff bekommt. Das ist bisher nicht der Fall". Wie viele andere kritisiert Schmitz, dass der Konzern immer nur das zugegeben hat, was ohnehin drohte, öffentlich zu werden, Salami-Taktik also. Der Konzernchef habe Schaden genommen. "Obermann wandelt auf einem sehr dünnen Seil. Ich glaube nicht, dass der Aufsichtsrat ihm noch viel durchgehen lässt", sagt Schmitz.

Positiv bewertet der Aktionärsschützer, dass es nun einen neuen Vorstand für Datenschutz gibt. Manfred Balz ist seit wenigen Tagen im Amt. Doch auch bei dieser Personalie hat Obermann Kritik provoziert. Vor allem Vertreter der Arbeitnehmer bezweifeln, dass Balz als langjähriger Chefjustiziar des Konzerns ein glaubwürdiger Aufklärer sein kann. Nachdem Balz' Vorstandsressort nun einen neuen Zuschnitt hat - Balz beaufsichtigt die Konzernsicherheit, er leitet sie aber nicht -, sagt Verdi-Vorstandsmitglied und Telekom-Aufsichtsrat Lothar Schröder: "Damit bin ich sehr zufrieden."

Weniger zufrieden ist Schröder damit, wie der Konzern mit seinen Mitarbeitern umspringt. Im vergangenen Jahr lagerte Obermann 50 000 Beschäftigte in Servicegesellschaften aus, wo sie länger arbeiten und Einschnitte in die Tarife hinnehmen müssen. In diesem Jahr kündigte Obermann an, die Callcenter neu zu organisieren. Die mehr als 80 Center sollen auf 24 Städte konzentriert werden, aus 39 Kommunen will sich die Telekom zurückziehen. Betroffen sind 8000 Mitarbeiter, die an einem anderen Ort arbeiten sollen. Die 920 Berliner Callcenter-Mitarbeiter zum Beispiel in Frankfurt (Oder). Für Teilzeitkräfte, Schwerbehinderte oder familiengebundene Mitarbeiter ist das kaum möglich. "Die Maßnahme zielt auf eine kalte Kündigung", sagt Schröder. Er versteht nicht, warum Obermann wegen einer Einsparung von knapp 60 Millionen Euro so einen harten Konfrontationskurs zu den Mitarbeitern fährt. Überhaupt sei der Ton zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten ruppiger geworden, seit Obermann die Telekom leitet. "Da wird mit einer Rücksichtslosigkeit agiert, die wir in der Vergangenheit nicht kannten", sagt Schröder. Das Image der Telekom als Arbeitgeber sei beschädigt. "Sie läuft Gefahr, nicht mehr die richtigen Leute zu bekommen."

Unterstützung im Streit über die Callcenter findet Verdi bei der Politik. "Wir haben in der SPD-Fraktion deutlich gemacht, dass wir diese Radikallösung nicht für angemessen halten", sagt Martin Dörmann, Berichterstatter für Telekommunikation. "Die Unternehmensführung muss sensibler mit der Belegschaft umgehen. Bei einer so tiefgreifenden Maßnahme hätte man von Anfang an mehr auf die Mitarbeiter zugehen müssen. Ganz anders sehen die Aktionärsvertreter die Neuorganisation der Callcenter: "Bei dem Vorhaben stärken wir Obermann den Rücken", sagt DSW-Sprecher Schmitz. So sieht das auch Analyst Frank Rothauge von Sal. Oppenheim. Die Telekom produziere zu teuer im Vergleich zu Wettbewerbern. "Umsatzrückgänge sind im Festnetzgeschäft schwer zu vermeiden", sagt er. "Die Kosten zu reduzieren, das ist der einzige Weg, das Geschäft zu stabilisieren."

Der Analyst glaubt nicht, dass sich Bespitzelungsaffäre und Datenklau negativ auf das Geschäft auswirken. "Das ist kein Wechselgrund, weil man bei anderen Anbietern das gleiche Risiko hat", sagt Rothauge und stellt Obermann ein positives Zeugnis aus: "Er hat die richtigen Dinge angestoßen und keine signifikante Marktentwicklung verschlafen. Das ist das beste Management seit der Deregulierung im Jahr 1998."

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