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Wirtschaft: Deutschland bleibt von Asienkrise verschont

Stabilisierungshilfen weiter notwendig / IWF-Gelder sind "haushaltsneutral" / Bankensprecher beschwichtigenVON TIM KÖHLER BERLIN.Für Deutschland hat die Krise in Südostasien nur geringe Auswirkungen.

Stabilisierungshilfen weiter notwendig / IWF-Gelder sind "haushaltsneutral" / Bankensprecher beschwichtigenVON TIM KÖHLER BERLIN.Für Deutschland hat die Krise in Südostasien nur geringe Auswirkungen.Darüber sind sich Konjunkturexperten, Politiker und Bankenvertreter einig.Die deutschen Exporte in die südostasiatischen Schwellenländer nahmen 1997 zwar um über zehn Prozent zu, insgesamt macht die Krisenregion an dem Gesamtexport Deutschlands aber weniger als sieben Prozent aus.Der Anteil ganz Asiens am deutschen Exportvolumen beträgt 12 Prozent. Joachim Volz vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) schätzt die möglichen Wachstumseinbußen im kommenden Jahr hierzulande auf höchstens 0,25 Prozent des prognostizierten Wertes von 2,5 Prozent.Dennoch sei man hierzulande an einer Stabilisierung der Krise interessiert, damit sie sich nicht ausweite."Im Grunde ist die Krise eine Gesundung der Region, weil die künstlich hochgehaltenen Wechselkurse dort nun endlich sinken," erklärte Volz.Dies stärke künftig die Wettbewerbsfähigkeit der südostasiatischen Länder, der Rückgang der Dynamik in dieser Wachstumsregion sei also allenfalls kurzfristig. Auch nach Meinung des Bonner Finanzministeriums gibt es "keinen Grund zur Panik" für die Bundesbürger.Als Steuerzahler seien sie nicht betroffen von der Asienkrise, weil die Hilfsgelder "haushaltsneutral" seien.Die Deutsche Bundesbank - nicht die Bundesregierung - stelle die Gelder zur Verfügung, so ein Sprecher des Ministeriums.Bisher seien 13,5 Mrd.US-Dollar als Soforthilfe nach Südostasien geflossen, davon 10 Mrd.Dollar nach Südkorea, für das der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Gesamtkreditsumme von 57 Mrd.Dollar beschlossen hat.Weitere Rettungspakete gibt es für Thailand (17 Mrd.Dollar) und Indonesien (37 Mrd.Dollar). Deutschland aber ist an diesen Kreditlinien nur zu einem relativ geringen Teil beteiligt.An den Sonderziehungsrechten - das sind die Kapitaleinlagen der 181 IWF-Mitgliedsländer in den gemeinsamen Fonds - hält Deutschland eine Quote von 5,67 Prozent.Das entspricht im Falle der Finanzhilfe für Südkorea einer Summe von 3,2 Mrd.Dollar.Nach der kürzlich in Hongkong beschlossenen 45prozentigen Kapitalerhöhung werde sich dieser Anteil der deutschen Quote zwar auf 6,13 Prozent erhöhen, "aber dies tritt wegen der notwendigen Ratifizierung in den anderen Ländern erst in zwei Jahren in Kraft", erklärte der Sprecher des Bonner Finanzministeriums gegenüber dem Tagesspiegel. Als "zweite Verteidigungslinie" hinter der vom IWF vergebenen Kredite, gibt es nach Angaben des Finanzministeriums zusätzlich die private Hilfe durch die Banken.Sie betrage insgesamt 8 Mrd.Dollar, von denen die deutschen Kreditinstitute insgesamt 410 Mill.Dollar übernehmen müßten.Diese Gelder seien allerdings noch nicht geflossen, und täten dies auch nur in dem unwahrscheinlichen Fall, daß die öffentliche Hilfe nicht ausreichen sollte."Aber die Auflagen des IWF sind streng, die internationale Zusammenarbeit läuft gut, und die Reformen in den betroffenen Länder gehen gut voran", äußerte sich der Ministeriumssprecher. Auch die deutschen Großbanken beschwichtigen Befürchtungen, die Asienkrise könne sich negativ auf die deutsche Wirtschaft auswirken.Bei der Commerzbank mache das Asiengeschäft insgesamt nur fünf Prozent aus, und "es gibt genug Absicherungen überall", erklärte Dieter Schütz, ein Sprecher der Bank.Auch die Deutsche Bank sieht "keinen Grund zur Aufregung", so ihr Sprecher Jürgen Rahmsdorf.Das Asiengeschäft umfasse bei der Deutschen Bank nur rund 10 Prozent (etwa 40 Mill.DM) des gesamten Kreditvolumens - davon enfalle etwa die Hälfte auf Japan.Es könne auch keine Rede davon sein, daß all diese Kredite "faule Kredite" seien."Nicht einmal im Falle Südkorea haben wir Befürchtungen, unsere Kredite nicht zurückzubekommen", so der Deutsche Bank-Sprecher. Die Commerzbank sieht ebenfalls keinen Grund zur Aufregung.Vorstandschef Martin Kohlhaussen hatte sogar jüngst angekündigt, daß sein Haus das Asienengagement trotz der Finanzturbulenzen weiter ausbauen werde. Seit Jahren versuchen deutsche Großbanken in der asiatischen Wachstumsregion Fuß zu fassen.Dies führte vor einigen Wochen zu kritischen Äußerungen der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel.Trotz der wachsenden Spannungen in Südostasien haben - so die Baseler Experten - die Banken der Industrieländer noch im ersten Halbjahr 1997 umfangreiche Kredite vergeben.Sie hätten die Warnsignale der aufkommenden Krise ignoriert und weitere Kredite vergeben, schrieb die Bank in ihrem Bericht. Der rasante Aufholprozeß der südostasiatischen Schwellenländer beruhte vor allem auf hohen Exporten.Zuletzt entstanden dabei umfangreiche Leistungsbilanzdefizite, weil diese Länder erheblich an Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten verloren.Um internationales Kapital anzulocken, fixierten sie den Wechselkurs ihrer Währungen gegenüber dem Dollar.Damit hofften sie, daß internationale Anleger die Wechselkursrisiken geringer einschätzen und ihr Kapital zu einem niedrigeren Zinssatz zur Verfügung stellen würden."Die Preise und Löhne sind in diesen Regionen aber um drei bis vier Prozent schneller gewachsen als in den USA", erklärte gestern Gustav Horn vom DIW.Die Folge: Abzug des internationalen Kapitals aus diesen Regionen, Verfall der Währungen, sinkende Aktienkurse und Firmenpleiten.

TIM KÖHLER

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