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Wirtschaft: Deutschland nimmt Anlauf zum Aufschwung

Im zweiten Quartal stagniert das Bruttoinlandsprodukt/Experten rechnen jetzt mit Impulsen durch den Export

Berlin - Die deutsche Wirtschaft ist im Frühjahr nicht gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) habe sich im Vergleich zum ersten Vierteljahr nicht verändert, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag nach einer ersten Schätzung mit. Ökonomen erwarten aber dank des starken Exports und einer sich belebenden Inlandsnachfrage nicht, dass ein Abschwung bevorsteht. In den kommenden Monaten werde es sogar eine leichte Belebung geben.

Im ersten Quartal war die Summe der neuen Güter und Dienstleistungen noch um 0,8 Prozent gewachsen. Ursprünglich hatten die Statistiker das Plus sogar bei 1,0 Prozent gesehen, den Wert jetzt nach unten korrigiert. Im zweiten Quartal blieb das BIP mit einer Rate von 0,0 Prozent unverändert. Dabei gab es zwar eine starke Nachfrage nach Waren aus deutscher Produktion. Dieser Wachstumsbeitrag sei aber von der stärkeren inländischen Nachfrage und dem hohen Ölpreis aufgezehrt worden, insgesamt habe der Außenhandel das Wachstum sogar gebremst, erklärten die Statistiker. Die Zahlen zum zweiten Quartal waren die letzten amtlichen Wachstumsdaten vor der für den 18. September geplanten Bundestagswahl. Nun stehen nur noch die Arbeitslosenzahlen am 31. August an, von denen Fachleute ebenfalls kaum Unterstützung für die Bundesregierung erwarten.

Im europäischen Vergleich der Wachstumsraten fiel Deutschland zurück. In den zwölf Ländern der Euro-Zone wuchs die Wirtschaft im Schnitt um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, teilte das EU-Statistikamt Eurostat in Straßburg mit. Spanien mit einem Zuwachs von 0,9 Prozent und Italien mit 0,7 Prozent lagen dabei klar vor Deutschland.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte, alles deute nun darauf hin, dass sich das Wachstum im zweiten Halbjahr fortsetze. Die Opposition nannte die Daten indes einen Beweis für das Versagen der rot-grünen Regierung.

Auch Wirtschaftsforscher äußerten sich optimistisch für den Konjunkturverlauf in den kommenden Monaten. „Trotz der Stagnation steht Deutschland nicht vor einem Abschwung“, sagte Bert Rürup, Chef des Wirtschafts-Sachverständigenrats, dem Tagesspiegel. Es gebe keine Veranlassung, die Prognose des Rats von etwa einem Prozent in diesem Jahr zu ändern. „Für das dritte Quartal erwarte ich ein Plus von 0,2 Prozent, im vierten Quartal dürfte das Wachstum ein wenig stärker ausfallen“, sagte er. Auf dem Arbeitsmarkt sei es allerdings „unverändert düster“. Der Abbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gehe weiter. „So lange sich hier nichts ändert, wird sich auch am schwachen Niveau der Verbrauchsausgaben nichts ändern“, sagte der Wirtschaftsforscher.

„Auf uns kommen bessere Zeiten zu“, findet auch Andreas Rees von der Hypo-Vereinsbank. Für deutsche Verhältnisse würde die Wirtschaft in den kommenden Monaten stark wachsen. Die Unternehmen im In- und Ausland investierten wieder und füllten ihre Lager auf. Die Nachfrage aus dem Ausland, vor allem aus den USA, bleibe stark. In den vergangenen Monaten habe der Export vom schwachen Euro profitiert.

Von den guten Geschäften mit dem Ausland wird die Hauptstadt aber kaum profitieren, befürchtet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Berlin hat nur wenig Industrie, daher gibt es keine so starke Belebung durch den Export wie andernorts“, sagte DIW-Experte Karl Brenke. „Wir brauchen einen stärkeren Rückenwind von der Binnennachfrage, weil die Entwicklung in Berlin stark am privaten Konsum hängt.“

Sorgen bereitet den Ökonomen allein das teure Öl. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Sorte WTI stieg in New York zeitweise auf das Jahreshoch 65,30 Dollar. Hohe Energiepreise waren auch der Grund für den Anstieg der Inflationsrate in Deutschland auf 2,0 Prozent im Juli. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, war etwa leichtes Heizöl um 41,2 Prozent teurer als noch ein Jahr zuvor.

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