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Wirtschaft: Deutschland soll Krisengewinne abtreten

Studie: Zinsvorteil Spanien und Italien überlassen.

Frankfurt am Main - Etwa zehn bis zwölf Milliarden Euro spart Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) derzeit pro Jahr, weil er so günstig neue Kredite aufnehmen kann wie nie zuvor. Deutschland gilt in der Euro-Schuldenkrise als sicherer Hafen. Deshalb geben Investoren Schäuble zum Teil sogar Geld, um kurzfristig laufende Bundeswertpapiere kaufen zu können. Umgekehrt müssen die Krisenstaaten im Süden Europas weiter hohe Zinsen zahlen. Nach Ansicht von Friedrich Heinemann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sollten Deutschland und andere „Krisengewinner“ wie die Niederlande und Finnland zumindest einen Teil ihres Zinsgewinns abtreten und damit den Südländer helfen – auf ein Jahr befristet. Dieser Weg biete, so Heinemann am Donnerstag in Frankfurt, erhebliche Vorteile: „Keine Inflationsrisiken, keine gemeinsame Haftung und äußerste Transparenz.“

Nach Ansicht Heinemanns, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs Öffentliche Finanzwirtschaft, könnten die Zinsen für neue Anleihen der beiden großen Krisenstaaten Spanien und Italien auf diesem Weg auf fünf Prozent begrenzt und beiden Ländern mehr Spielraum für Reformen gegeben werden. Den Finanzbedarf dafür beziffert Heinemann auf sechs Milliarden Euro. Diese Mittel würden aus einem Zinsausgleichfonds – „Fiscal Interest Rate Equalization“ (FIRE) – gezahlt, in den die starken Länder, deren Renditen für zehnjährige Staatsanleihen unter 2,5 Prozent liegen, einzahlen. Das wären Deutschland, die Niederlande und Finnland, wobei Deutschland mit 90 Prozent den Hauptanteil beisteuern würde.

Grundsätzlich sollte der Zinsausgleich, so Heinemann, immer nur zeitlich befristet für ein Jahr gewährt und mit klaren Reformfortschritten verbunden werden. Sollten keine Fortschritte erkennbar sein, würden die Zahlungen eingestellt.

„Der geschützte Staat müsste so nur ,normale‘ Zinsen für neue Emissionen zahlen. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen würde nicht mehr durch exzessive neue Zinslasten konterkariert“, umreißt Heinemann die Vorzüge von FIRE. Der Durchschnittszins in der Euro-Zone sei seit Krisenbeginn nicht gestiegen und liege bei drei bis vier Prozent. „Die Zinsnachteile der Krisenstaaten sind die Zinsvorteile der stabilen Staaten.“ Die Zinsen in Deutschland würden durch den Ausgleichsfonds nach Schätzung von Heinemann um etwa 1,5 Prozentpunkte auf ein immer noch niedriges Niveau steigen. „Hinzu käme, dass die stabilen Länder nicht länger über unnatürlich niedrige Zinslasten über den wahren Stand der eigenen Konsolidierungsbemühungen getäuscht würden“, sagte der Forscher.

Mit diesem Weg würde auch der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) gemildert. Dort wird derzeit über neue Ankäufe von Staatsanleihen der Krisenstaaten diskutiert. „Das ist eine vertretbare Notlösung, mehr nicht“, sagt Heinemann, der eine Auflösung der Euro-Zone für ein unverantwortbares Szenario hält. Zumal es Fortschritte in den Krisenländern gebe, die aber nicht honoriert würden.

Axel Angermann von Feri-Euro-Rating untermauerte am Donnerstag diese Einschätzung. In Spanien gebe es ab 2013 wieder Wachstum, der Schuldenstand werde ab 2015 wieder sinken. In Italien bleibe das Defizit schon 2012 unter drei Prozent, im kommenden Jahr sinke der Schuldenstand. Auch Reformen seien in beiden Ländern auf gutem Weg, auch wenn noch etliche Schritte fehlten. Ein kurzfristiges Ausscheiden beider Länder aus dem Euro wäre dagegen ein Desaster: Es käme zu einer schweren Rezession nicht nur in den Ländern selbst, sondern in Europa und weltweit. Auf den Finanzmärkten herrsche dann das Chaos, warnte Angermann. Allein in Spanien würden Gläubiger rund 400 Milliarden Euro verlieren. Rolf Obertreis

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