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Wirtschaft: Deutschland soll wie Wolfsburg werden

Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Superminister Wolfgang Clement preisen in der VW-Stadt ein Modell, das bald im ganzen Land Arbeitsplätze schaffen soll

Sind Sie ein Profi der Nation? Vielleicht sind Sie es, ohne es zu wissen. Es gibt mehr Profis der Nation, als Sie vielleicht denken. Allein in Wolfsburg sind es 4465. Die sind am Mittwochabend in das imposante Foyer der Volkswagen-Autostadt geladen, um zu erfahren, was das eigentlich ist, ein Profi der Nation. Peter Hartz, der vom Bundeskanzler zum Reformer der Nation erkorene VW-Personalvorstand erklärt das Prinzip. Der Kanzler und Superminister Wolfgang Clement stehen ihm bei, als er darlegt, wie die Idee ganz Deutschland verändern soll.

Der Profi der Nation gehört zum Hartz-Konzept gegen die Job-Flaute, wie die Personalservice-Agenturen, die Ich-AGs oder der Job-Floater. Zusammen sollen sie die Arbeitslosigkeit halbieren. Profis der Nation, erklärt Hartz, sind alle Vertreter bestimmter Berufsgruppen, die den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit unterstützen sollen. Dazu zählen nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Unternehmer und Gewerkschafter, sondern auch Priester, Installationskünstler oder TV- Moderatoren. Gemeinsam sollen sie gegen die „Gleichgültigkeit der Nicht-Betroffenen“ angehen, die Hartz zufolge einer der Hauptgründe für die hohe Arbeitslosigkeit ist.

Jeder Profi soll darüber nachdenken, was er in seinem Bereich für Arbeitslose tun kann. So könnten doch Pfarrer Arbeitgeber ansprechen, die Entlassungen planen und das Thema auch im Konfirmandenunterricht oder auf Jugendfreizeiten zur Sprache bringen. Künstler könnten Selbsthilfegruppen betreuen und die „Thematik Arbeitslosigkeit bearbeiten“. Auch die bekanntermaßen kritischen Journalisten sind aufgerufen, Hartz zu unterstützen, indem sie etwa „Erfolgsbeispiele vorstellen“. „Alle, aber wirklich alle“müssen Hartz zufolge anpacken, damit die Arbeitslosigkeit halbiert werden kann.

Die Mao-Fibel für den Arbeitsmarkt

In Wolfsburg ist das gelungen, auch dank Personalmanager Hartz. Durch Personalservice-Agenturen und andere Innovationen „sind mehr als 15 000 Arbeitsplätze entstanden“, sagt Hartz. „Wir müssen in Deutschland viele Wolfsburgs schaffen“, sagt Kanzler Schröder. So soll auch die Profi-Idee exportiert werden. „Wir haben 13 Profigruppen definiert: 4465 Profis in Deutschland und 6,1 Millionen in Deutschland,“ sagt Hartz. In rund 300 Veranstaltungen wie der am heutigen Abend soll das Konzept in ganz Deutschland auf lokaler Ebene erläutert werden.

Dazu dient ein kleines Büchlein, das etwa das Format der so genannten Mao-Bibel hat, mit der Chinas Kommunisten einst Dorfbewohnern den Sozialismus nahe bringen wollten. „Hartz-Fibel“ nennt Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement die gelbe Broschüre, in der die Arbeitsmarkt-Reform erklärt wird. „Es muss uns gelingen, das Wolfsburger Beispiel auf die ganze Bundesrepublik ausweiten und wir haben gewonnen“, sagt Clement, der sich als „Stellvertreter von Peter Hartz in Berlin“ sieht.

Um zu illustrieren, wer alles Profi der Nation sein kann, hat Peter Hartz 13 Vorzeige-Profis auf die Bühne geladen. Sie habe sich selbst gefragt, was sie als Einzelperson gegen die Arbeitslosigkeit machen könne, sagt Kirsten Voss, die als jüngste Wolfsburger Ratsfrau vorgestellt wird. „Da ist natürlich erstmal ein Gefühl der Ohnmacht. Doch wenn ich die Kleinigkeiten beitrage, die ich beitragen kann und auch alle anderen mitmachen, können wir etwas bewegen“, sagt sie. Ähnlich dürften auch die chinesischen Landarbeiter reagiert haben.

Am Ausgang der großen Volkswagen-Halle warten Karten auf die Besucher, auf der sie Namen und Adresse hinterlassen können. Sie werden dann selbst als Profi der Nation kontaktiert. Viele Besucher füllen die Karten aus und wollen mitmachen. Doch nicht alle sind überzeugt: „Das war doch eine Werbeveranstaltung für den Bundeskanzler“, sagt ein junger Unternehmer. „Der soll lieber mal etwas für den Mittelstand tun.“

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