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Wirtschaft: Deutschland wird eine Basar-Ökonomie

Ein immer größerer Teil des Exports wird zuvor importiert. Wirtschaftsforscher streiten, ob das gut oder schlecht für das Land ist

Berlin - Ein wachsender Anteil des deutschen Exports geht auf Zulieferungen aus dem Ausland zurück. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag bekanntgab, ist der Anteil der Importe an den deutschen Exportgütern in den vergangenen Jahren auf fast 40 Prozent gestiegen. 1995 lag er noch bei knapp 30 Prozent.

Die Ergebnisse seien vor dem Hintergrund der Debatte um eine „Basar-Ökonomie“ zu sehen, meint das Amt: Danach exportiert die deutsche Wirtschaft immer mehr Waren in die ganze Welt, die hier zu Lande gar nicht mehr wettbewerbsfähig hergestellt werden könnten. „Made in Germany“ werde daher mehr und mehr zu einem „Etikettenschwindel“, argumentiert etwa der Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn.

„Die Zahlen zeigen, dass wir den Titel des Exportweltmeisters relativieren müssen“, sagte Olaf Wortmann, Konjunkturexperte des Maschinenbauverbandes VDMA, dem Tagesspiegel. Auch im besonders exportstarken Maschinen- und Anlagenbau steige der Anteil der im Ausland eingekauften Vorprodukte seit Jahrzehnten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stieg der Anteil der importierten Vorleistungen am Export seit 1995 im jährlichen Durchschnitt um 11,5 Prozent. Der Export insgesamt sei im Schnitt nur um 8,2 Prozent angestiegen.

Für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) belegen die Zahlen, dass die Arbeitskosten in Deutschland nach wie vor zu hoch sind: „Zum Teil gelingt es deutschen Firmen nur mit Hilfe der Produktion im Ausland, die heimischen Standorte mitzuschleppen“, sagte BDI-Konjunkturexperte Reinhard Kudiß dieser Zeitung.

Andere Wirtschaftswissenschaftler können in den Zahlen keinen Beleg für den Trend zu einer „Basar-Ökonomie“ erkennen: „Das Bild, das die heimische Industrie fast nur noch in der Lage ist, im Ausland gefertigte Produkte mit deutschen Etiketten zu versehen, ist eingängig, aber falsch“, betont Henning Klodt vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Denn wegen der Kostenvorteile durch Zulieferungen aus dem Ausland werde die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte auf dem Weltmarkt verbessert, was inländische Arbeitsplätze sichere. Die Automobilindustrie sei auch wegen ihrer hohen Vorleistungsimporte international erfolgreich gewesen. „Sie hat es nicht trotz, sondern wegen des Engagements im Ausland geschafft, die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland seit 1995 um 20 Prozent zu steigern“, sagte Klodt dem Tagesspiegel. Dagegen sei die deutsche Werftindustrie kaum in die internationale Arbeitsteilung eingebunden, und die Zahl deutscher Arbeitsplätze in dieser Branche sei geschrumpft.

VDMA-Experte Wortmann sieht in den neuen Zahlen der Statistiker keinen Anlass zur Beunruhigung. „Selbst wenn die deutschen Maschinenbauer alle Vorprodukte im Ausland kaufen würden, gehört sehr viel Know-How dazu, daraus weltmarktfähige Produkte zu machen.“ Zudem seien viele deutsche Zulieferer auf absehbare Zeit nicht durch ausländische zu ersetzen. „Sie liefern noch immer eine Qualität, die in ihrer Konstanz die meisten Wettbewerber übertrifft“, sagte Wortmann.

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