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Deutschlands Energiewirtschaft: Eon-Mitarbeiter stimmen für Streik

Der Winter hat Deutschlands Stromnetz bisher nicht ins Wanken gebracht. Und auch ein Streik bei Stromriesen Eon ist laut Experten für die Versorgung zunächst kein Problem. Aber er könnte lange dauern: Die Gewerkschaften verweisen auf prall gefüllte Streikkassen.

Deutschlands Energiewirtschaft steuert auf den ersten Streik zu. Voraussichtlich am Montag beginnen bei Eon die ersten Aktionen nach einem bundesweit abgestuften Plan - falls die Tarifparteien nicht doch noch in letzter Minute zusammenfinden. RWE könnte folgen: Bei den Essenern droht ebenfalls ein Scheitern der Tarifgespräche. Und auch bei EnBW gibt es nach bereits drei Runden keine Einigung.

Experten versichern, dass die Verbraucher von Versorgerstreiks kurzfristig nichts merken. Doch teuer dürfte das Ganze werden - und möglicherweise lange dauern. Die Streikkasse sei randvoll: „Das reicht immer“, sagt Verdi-Vorstandsmitglied Erhard Ott auf die Frage nach der Streikfähigkeit der Gewerkschaften. Gefährdet ein Streik bei einem großen Konzern die Stromversorgung? „Nein“, sagen die Experten beim Netzbetreiber Amprion. Ausfälle ganzer Kraftwerke etwa wegen Revisionen gehörten zum Alltagsgeschäft und werden ohne Schwierigkeiten ausgeglichen.

Und wenn mehrere Kraftwerke bestreikt werden? Das deutsche Netz hat Sicherheitsspielraum und Reserven auf mehreren Ebenen: Zunächst mal liegt die gesicherte Leistung von rund 90 000 Megawatt (MW) deutlich über dem normalen Verbrauch von 60 000 bis 70 000 MW und auch über dem bisherigen Höchstverbrauch von 82 000 MW. Außerdem stehen im europaweiten Netz jederzeit 3500 MW Reserve zur schnellen Verfügung. Das entspricht der Produktion von drei bis vier großen Kraftwerken. Für alle Fälle gibt es dann noch die sogenannte Kaltreserve - alte Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 2500 MW in Österreich und Deutschland, die notfalls wieder angefahren werden können. Kann Eon denn überhaupt rechtzeitig auf einen Kraftwerksausfall reagieren? Rechtzeitige Informationen sind gesetzlich vorgeschrieben und von den Gewerkschaften auch immer so zugesichert worden. Wo am nächsten Montag voraussichtlich gestreikt wird, wisse Eon schon, wie Verdi-Vorstandsmitglied Erhard Ott versichert. Was machen die Energieversorger dann? Sie kaufen Strom an der Börse dazu, um ihre meist langfristig abgeschlossenen Lieferkontrakte einzuhalten. Das verursacht Mehrkosten - so wollen die Gewerkschaften sie zu höheren Tarifabschlüssen zwingen.

Wie teuer könnte das denn werden? Die Gewerkschaft verrät öffentlich natürlich ihre Streikstrategie noch nicht. Von den 23 Eon-Kraftwerken (19 konventionelle plus vier Atommeiler) könnten aber einige bis zu einer Handvoll betroffen sein, spekuliert ein Insider. Die Kosten kann man ebenfalls nur grob schätzen - sie dürften mehrere Millionen Euro pro Tag betragen. Das ist viel Geld, aber für Eon zumindest kurzfristig kein wirkliches Drohszenario. Die finanziellen Folgen eines Streiks seien keine Größe, die kurzfristig auf das Ergebnis einwirkt, sagte Eon-Chef Johannes Teyssen diese Woche bei einer Pressekonferenz.

Was ist mit den bestreikten Kraftwerken? Für die bestreikten Kraftwerke werden Notdienstvereinbarungen auf Betriebsebene getroffen. Sie produzieren damit keinen Strom mehr, werden aber in Bereitschaft gehalten. Falls es doch Netzprobleme geben sollte, fahren die Notmannschaften sie wieder hoch. Vor allem bei Gaskraftwerken geht das sehr schnell. Bekommt der Verbraucher dann von dem ganzen Streik überhaupt etwas mit? Zunächst mal sind grundsätzlich auch Streikmaßnahmen beim Service und etwa bei Störungsdiensten möglich. Außerdem können Verbraucher mögliche Abschaltungen aus erster Hand verfolgen: Sie müssen an die Strombörse EEX gemeldet werden und werden dort täglich im Netz veröffentlicht.

Wieso musste das eigentlich so weit kommen - es ist doch bei den Versorgern noch nie gestreikt worden? Früher waren die Verdienste und damit auch der Spielraum für Tarifabschlüsse der Stromriesen deutlich besser. Jetzt bringen die Gas- und Steinkohlekraftwerke wegen der Energiewende kaum mehr Gewinn. Dazu kommen immer neue Steuerlasten und hohe Investitionen für Erneuerbare Energien. Eon sieht sich bisher außerstande zu einem deutlich höheren Angebot.
Andererseits haben die Gewerkschaften beim Sparprogramm Eon 2.0 mit dem Abbau von 6000 Jobs in Deutschland bis 2015 kooperiert, statt auf die Barrikaden zu gehen. Jetzt müsse wenigstens ein vernünftiger Tarifabschluss her, fordern sie. (dpa)

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