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Wirtschaft: Deutschlands Steuer-Dumping

EDITORIALS Bundeskanzler Gerhard Schröder hat kürzlich seine Kampagne gegen „unfairen“ Steuerwettbewerb aus dem Osten verschärft. Sein Finanzminister Hans Eichel hat natürlich sofort in den Refrain eingestimmt und die Gemeinheit der neuen Mitgliedstaaten beklagt, durch niedrige Steuern für Unternehmen zu versuchen, ausländische Investoren anzulocken – und gleichzeitig Geld von Brüssel zu erhalten, um die Infrastruktur zu verbessern.

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Bundeskanzler Gerhard Schröder hat kürzlich seine Kampagne gegen „unfairen“ Steuerwettbewerb aus dem Osten verschärft. Sein Finanzminister Hans Eichel hat natürlich sofort in den Refrain eingestimmt und die Gemeinheit der neuen Mitgliedstaaten beklagt, durch niedrige Steuern für Unternehmen zu versuchen, ausländische Investoren anzulocken – und gleichzeitig Geld von Brüssel zu erhalten, um die Infrastruktur zu verbessern. „Das ist nicht der Weg nach vorne“, klagte – oder warnte – Schröder. Vor vier Jahren hat Schröder das noch anders gesehen. Damals machten er und Eichel sich noch für eine Steuerreform stark, die die Körperschaftssteuer von 40 auf 25 Prozent senkte.

Klar – deutsche Unternehmen müssen immer noch viele kommunale, regionale Steuern und Solidaritätszuschläge für den Osten zahlen. Aber die Senkung der Körperschaftssteuer war ein Kernelement in Schröders Steuerreform und sollte genau das bewirken, was die Konkurrenz im Osten jetzt auch zu erreichen versucht: Investitionen ankurbeln und Unternehmen ins Land locken.

Zudem lohnt eine genauere Betrachtung. Die Einnahmen aus Unternehmens- und Einkommensteuern summierten sich 2002 laut OECD in Deutschland auf 10,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. In Polen waren es 9,9 Prozent, in Ungarn 10,0 Prozent und in Tschechien 9,7 Prozent.

Bei all dem Wirbel um so genanntes Steuer-Dumping und übermäßig niedrige Steuern geht es, was Schröder auch immer sagen mag, gar nicht um die Einnahmen. Es ist der schlecht versteckte Versuch der EU- Mitgliedstaaten mit den höchsten Produktionskosten, die Kosten ihrer Konkurrenten auf ein ähnliches Niveau zu steigern und so die Herausforderung im Standortwettbewerb zu entschärfen. Zum Glück für Mittel- und Osteuropa bleibt die Steuerkompetenz in der Verantwortung der nationalen Regierungen der Mitgliedstaaten. Außerdem würden Maßnahmen wie die Einführung eines Mindeststeuersatzes nach EU-Recht Einstimmigkeit erfordern. Die neuen Mitgliedstaaten sollten auf ihrem Standpunkt beharren – und auf ihren niedrigen Steuern. Statt zu nörgeln sollte Deutschland anfangen, von seinen Nachbarn zu lernen. Es könnte einiges über den Zusammenhang von Steuern und Wirtschaftswachstum lernen.

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