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Und tschüss. DGB-Chef Michael Sommer lässt Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hinter sich – der muss nun allein für ein Gesetz zur Klarstellung der Tarifeinheit werben.

© picture alliance / dpa

Arbeitgeber enttäuscht: DGB verlässt Gesetzesinitiative für Tarifeinheit

Ein Jahr lang haben DGB und Arbeitgeber über die Zukunft des Tarifsystems beraten. Für das Aus sorgte ein Streit unter den Gewerkschaften.

Berlin - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lässt die Arbeitgeber im Konflikt um die Zukunft des Tarifsystems allein. Genau ein Jahr, nachdem die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) und des DGB gemeinsam eine Initiative zur gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit (ein Betrieb, ein Tarifvertrag für eine Beschäftigtengruppe) gestartet hatten, zog sich der Gewerkschaftsbund am Dienstag zurück: „Unter den gegebenen Bedingungen sieht der DGB keine Möglichkeit, die Initiative von BDA und DGB weiterzuverfolgen.“ Mit „Bedingungen“ ist der Widerstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gemeint.

Die BDA reagierte enttäuscht. „Ich bedaure die Entscheidung“, sagte BDA- Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner dem Tagesspiegel. „Unser gemeinsamer Vorschlag zur gesetzlichen Regelung bleibt nach meiner Überzeugung notwendig und richtig.“ Ziel des Vorschlags ist die Stärkung der größten Gewerkschaften in den Unternehmen und damit die Vermeidung einer weiteren Zersplitterung der Tariflandschaft in sogenannte Berufs- oder Spartengewerkschaften. In den letzten Jahren stand dafür die Tarifpolitik der Lokführergewerkschaft GDL.

Vor allem die Arbeitgeber befürchten weitere eigenständige Tarifverhandlungen durch bestimmte Berufsgruppen wie etwa Feuerwehrleute. „Ich bin sicher, dass es eine gesetzliche Regelung geben wird, die Frage ist nur, ob sie rechtzeitig kommt. Denn wenn neue Spartengewerkschaften weiteren Erfolg haben, gibt es einen Dominoeffekt und die Zersplitterung der Tariflandschaft ist dann kaum noch zu stoppen“, sagte Göhner und kündigte weitere Lobbyarbeit bei der Bundesregierung an. „Wir werden unseren gemeinsamen Vorschlag mit denjenigen aus den Gewerkschaften fortsetzen, die ebenfalls unverändert eine gesetzliche Regelung für notwendig halten.“

Damit sind unter dem DGB-Dach vor allem die IG Metall und die Chemiegewerkschaft IG BCE gemeint. Beide Organisationen wollten an der Initiative festhalten, doch aus Solidarität zu Verdi respektive Verdi-Chef Frank Bsirske akzeptierten sie schließlich den Ausstieg des DGB. Bsirske, einer der entschiedensten Befürworter der gesetzlichen Regelung, hatte erst kürzlich dem Druck aus den eigenen Reihen nachgeben müssen. Da die BDA/DGB-Initiative auch eine Einschränkung des Streikrechts für kleinere Gewerkschaften vorsieht, gab es zunehmend Widerstand innerhalb Verdi gegen Bsirskes Kurs. Der hörte schließlich auf die eigene Basis und drehte bei – auch weil im Herbst seine Wiederwahl ansteht.

Mit Freude und Genugtuung kommentierten die Gewerkschaften, die nicht dem DGB angehören, die jüngste Entwicklung. Neben der Lokführergewerkschaft wehren sich unter anderem Piloten und Fluglotsen, Journalisten und Ärzte vehement gegen die BDA/DGB-Initiative, weil sie um ihre tarifpolitische Handlungsfähigkeit fürchten. Rudolf Henke, Vorsitzender der Ärzteorganisation Marburger Bund, warnte die Arbeitgeber, die Initiative auch ohne DGB fortzusetzen und damit einen „gesellschaftlichen Großkonflikt“ zu riskieren.

Vor solch einem Konflikt hat offenbar die Bundesregierung Angst. Trotz diverser Ankündigungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im vergangenen Jahr gibt es bislang keinen Vorschlag für eine Gesetzesänderung. Die federführende Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) war durchaus willig, im Sinne von DGB und BDA zu agieren. Doch der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle blockte ebenso ab wie seine FDP-Kollegin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger im Justizressort. „Es gibt einen Konsens in der Regierung über die prinzipielle Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung, aber leider noch keinen konkreten Vorschlag“, kommentierte das jetzt BDA-Chef Göhner.

Rund zwei Jahre hatten die Arbeitgeber mit den Gewerkschaften verhandelt, bevor sie dann im Juni 2010 ihren gemeinsamen Vorschlag präsentierten. Sie kamen damals dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zuvor, das wenig später den Grundsatz der Tarifeinheit zugunsten einer größeren Tarifpluralität aufgab. Ob sich nun tatsächlich neue Organisationen formieren und tarifpolitisch agieren, ist umstritten. Der Sachverständigenrat etwa hatte der Politik geraten, nach dem BAG-Urteil die weitere Entwicklung abzuwarten. Nun, infolge des Rückzugs des DGB, dürfte sich die Regierung noch stärker an diesem Ratschlag orientieren.

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