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Wirtschaft: Die 78-DM-Chance wird verschenkt

Nur wenige Arbeitnehmer lassen sich bei der Vermögensbildung vom Staat fördern / Kleine Beträge zahlen sich ausVON MARTIN MROWKA (DM)Vermögen für alle - unter dieser Überschrift will die Bundesregierung noch vor den Bundestagswahlen das 936-DM-Gesetz reformieren.Wichtigste Änderungen: Künftig sollen alle Arbeitnehmer staatliche Zuschüsse zur Vermögensbildung erhalten, deren zu versteuerndes Einkommen weniger als 35 000 DM (Verheiratete: 70 000 DM) beträgt.

Nur wenige Arbeitnehmer lassen sich bei der Vermögensbildung vom Staat fördern / Kleine Beträge zahlen sich ausVON MARTIN MROWKA (DM)Vermögen für alle - unter dieser Überschrift will die Bundesregierung noch vor den Bundestagswahlen das 936-DM-Gesetz reformieren.Wichtigste Änderungen: Künftig sollen alle Arbeitnehmer staatliche Zuschüsse zur Vermögensbildung erhalten, deren zu versteuerndes Einkommen weniger als 35 000 DM (Verheiratete: 70 000 DM) beträgt.Bisher liegt diese Grenze bei 27 000 beziehungsweise 54 000 DM. Der bisherige Förderbetrag von 936 DM soll bestehen bleiben.Darüber hinaus ist ein gesonderter Förderbetrag von 700 bis 800 DM geplant, der ausschließlich für die Bildung von Produktivkapital - beispielsweise über Aktienfonds - verwendet werden kann. Die Pläne dürften einen möglichen Regierungswechsel im Herbst überdauern, denn auch Sozialdemokraten und Grüne machen sich für eine stärkere Förderung der Arbeitnehmer-Beteiligung stark.Allerdings: Trotz staatlicher Anreize verschenken viele Bürger ihre derzeit mögliche 78-DM-Chance.Vor allem Auszubildende in mittelständischen Betrieben verzichten - meist aus Unwissenheit - auf die Zahlungen, die ihnen laut Tarifvertrag zustehen.Zwar zahlen nur die Arbeitgeber in der Versicherungsbranche, im Bankgewerbe und im Groß- und Außenhandel oft den Höchstsatz von 78 DM, doch selbst wenn es - meist im öffentlichen Dienst oder im Einzelhandel - monatlich nur 13 DM gibt, lohnt sich die Anlage. Von den fast 35 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland lassen derzeit etwa 25 Millionen das Geld von ihrem Arbeitgeber vermögenswirksam in sogenannte VL-Verträge einzahlen.Davon sind lediglich zwei Millionen Fonds-Sparpläne.Der Rest verteilt sich auf Bausparverträge (etwa 46 Prozent), Banksparpläne (31 Prozent) und Lebensversicherungen (14 Prozent). Die vergleichsweise geringe Nachfrage nach Fonds-Sparplänen ist verwunderlich, denn: Meist schlägt die Rendite von Aktienfonds die aller anderen VL-Sparformen.Lediglich in mageren Börsenperioden (zuletzt zwischen 1990 und 1994) liegen die Renditen von Bausparkassen manchmal etwas höher.Doch wenn die Börse - wie in den vergangenen drei Jahren - brummt, erwirtschaften gute Fondsmanager Traum-Renditen für die Anleger.Top-Fonds konnten im VL-Plan der vergangenen sieben Jahre die eingezahlte Summe von 5616 DM mindestens verdoppeln. Es gibt allerdings auch schlechtere Ergebnisse.Hauptsächlich aufgrund des miesen Abschneidens von Japan-Aktien litten die Aktienfonds mit internationaler Ausrichtung.Der MK Asia Pazifik mußte wegen der Asien-Krise nach sieben Jahren sogar einen leichten Verlust hinnehmen.Betroffene VL-Anleger sollten jedoch auf bessere Zeiten warten, bevor sie aussteigen.Oder noch besser: die Einzahlungen über einen neuen Vertrag fortsetzen. Am oberen Ende der Fondsliste beeindrucken die Ergebnisse über lange Zeiträume.Der Investa erwirtschaftete über eine Spanne von 30 Jahren eine durchschnittliche jährliche Rendite von zwölf Prozent.Durch monatliche Einzahlungen von 78 DM häufte sich so seit 1968 - ohne Berücksichtigung eventueller Sparzulagen - ein Vermögen von mehr als einer Viertelmillion DM an.Mittels Auszahlplan läßt sich daraus eine zweite Rente basteln. Wer seit Februar 1968 zu den monatlichen 78 DM noch jeweils 222 DM aus eigener Tasche zugelegt hätte, dem fehlten Anfang Februar 1998 lediglich 5000 DM an einer Mill.DM auf dem Fonds-Konto. Auch die Möglichkeit, daß dem VL-Konto freiwillig jeden Monat private Geldbeträge zufließen dürfen, ohne einen Zulagenanspruch zu verletzen, wird selten genutzt.Zwar weisen manche Fondsgesellschaften von sich aus auf diese Möglichkeit hin, doch Adig-Geschäftsführer Hendrick Bölter ist vom geringen Zuspruch enttäuscht: "Trotz Hinweis an unsere Sparer liegt die Quote der Draufzahler nur bei etwa 20 Prozent." Etwa die Hälfte der VL-Anleger sparen im Schnitt nach sechs Jahren weiter und schöpfen so den Zinseszins-Effekt aus.Die Fondsgesellschaften versenden vor Ablauf der Einzahlungsperiode ein Schreiben mit dem Vorschlag eines Folge-Sparvertrags.Schließlich wird der VL-Vertrag erst nach einer Verlängerung auch für die Fondsgesellschaft zum Geschäft. Da die vielen Einzelkonten mit den relativ kleinen Summen sehr kostenintensiv sind, zudem meist ein teurer Außendienst finanziert werden muß, forcieren die Gesellschaften das VL-Sparen nur selten.Herbert Winter, Marketing-Manager bei der Union Investment, sagt allerdings: "Wir hoffen, daß mit den VL-Verträgen neues Publikum an Akien herangeführt wird, das dann Lust auf mehr bekommt." Die VL-Fonds führen bei manchen Fondsgesellschaften ein Schattendasein.Meist werden die Spargelder nur in einzelne Fonds geschleust.Obwohl nach der jüngsten Liste des BVI Bundesverbandes Deutscher Investmentgesellschaften mittlerweile mehr als 200 Fonds zum VL-Sparen zur Verfügung stehen, werden nur 45 aktiv vertrieben, meist Fonds für deutsche Aktien. Während sich die Union Investment in diesem Punkt stur stellt, bekommen hartnäckige Nachfrager andernorts auch weitere Fonds angeboten.Deshalb sollten Anleger, die an einer möglichst breiten Streuung ihrer Chancen interessiert sind, auch dann gezielt nach einem international oder europäisch ausgerichteten Fonds fragen, wenn dieser nicht auf der VL-Liste der jeweiligen Gesellschaft aufgeführt ist. So stehen bei der Union Investment theoretisch 16 VL-Fonds zur Verfügung, doch nur der UniFonds und der UniGlobal werden über die Volks- und Raiffeisenbanken für die vermögenswirksame Anlage angeboten.Wenig einleutende Begründung von Union-Marketing-Manager Winter: "Auf unseren Antragsformularen sind nur diese beiden Aktienfonds verzeichnet." Das 936-DM-GesetzDer Staat fördert derzeit die Vermögensbildung von Arbeitnehmern, deren zu versteuerndes Einkommen weniger als 27 000 DM (Ledige) beziehungsweise 54 000 DM (Verheiratete) beträgt.Nach dem 5.Vermögensbildungsgesetz erhält eine Sparzulage, wer durch seinen Arbeitgeber Sparbeiträge, die sogenannten vermögenswirksamen Leistungen (VL), in genau festgelegter Weise in einem Aktienfonds oder Bausparvertrag anlegen läßt.Das Geld muß mindestens sieben Jahre festgelegt werden.Bei den 45 aktiv vertriebenen Aktienfonds zahlt der Arbeitgeber sechs Jahre lang monatliche Beträge von maximal 78 DM auf ein vom Arbeitnehmer zu wählendes Fonds-Konto ein.Die angesparte Summe muß anschließend noch mindestens ein Jahr ruhen.Der staatliche Zuschuß in Höhe von derzeit zehn Prozent wird auf VL-Beiträge bis 936 DM im Jahr gewährt und mit einem gesonderten Vordruck (Anlage VL) mit der jährlichen Einkommensteuererklärung beantragt.Wichtig: Je nach Tarifvertrag übernimmt der Arbeitgeber zumindest einen Teil der vermögenswirksamen Leistung.Dieser Zusatzlohn steht auch jenen Mitarbeitern im Unternehmen zu, die über den Einkommensgrenzen liegen.Das Geld unterliegt dann keinen zeitlichen Beschränkungen.

MARTIN MROWKA (DM)

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