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Wirtschaft: Die Altersteilzeit schlägt nicht durch

VON ALFONS FRESEIm Februar letzten Jahres funktionierte das deutsche Konsensmodell noch.Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften verständigten sich damals auf ein neues Altersteilzeitgesetz.

VON ALFONS FRESE

Im Februar letzten Jahres funktionierte das deutsche Konsensmodell noch.Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften verständigten sich damals auf ein neues Altersteilzeitgesetz.An die Stelle des Vorruhestands trat damit ein neues Modell, mit dem die Arbeitnehmer schrittweise aus dem Berufsleben ausscheiden können.Hauptziel der Regelung: Nachdem der von den Beitragszahlern finanzierte Vorruhestand die Rentenkassen zu sprengen drohte, sollte nun ein Teil der Kosten des frühzeitigen Berufsausstiegs individuell getragen werden.Gleichsam kürzere Lebensarbeitszeit erkauft durch Lohn- und Renteneinbußen.Durchgeschlagen hat das bislang nicht.Die Bundesanstalt für Arbeit rechnete für 1996 mit rund 20 000 Altersteilzeitfällen, tatsächlich waren es knapp 550; im laufenden Jahr hoffte man auf 40 000 Halbzeitarbeiter.Auch dieses Ziel bleibt Utopie, im ersten Quartal zählten die Arbeitsämter 1265 Personen.Doch jetzt hat VW mit einer großzügigen Vereinbarung den Weg frei gemacht für den Ausstieg von bis zu 10 000 älteren Mitarbeitern.Damit gelingt den Wolfsburger nach der Einführung der Vier-Tage-Woche zum zweiten Mal ein großer personalpolitischer Wurf.Kann VW Trendsetter sein für die deutsche Wirtschaft insgesamt? In der Bundesrepublik sind rund 18 Prozent aller Erwerbspersonen Teilzeitbeschäftigte (33 Prozent der Frauen, 3,3 Prozent der Männer).In den Niederlanden ist die Quote doppelt so hoch, was unter anderem damit zusammenhängt, daß dort die Teilzeitler sozial besser abgesichert sind.Die Initiative der Bundesregierung für mehr Teilzeit ging bislang ebenso ins Leere wie das Altersteilzeitgesetz von 1989, das Ende 1992 ersatzlos gestrichen wurde - in drei Jahren zählte die Nürnberger Bundesanstalt 650 Personen.Dieser erste Versuch einer gesetzlichen Regelung hatte niemals eine Chance gegen den großzügigen Vorruhestand mit Abfindungen, Übergangsgeld und späterer Rente.In einer Interessenkoalition von Betrieben und Beschäftigten ging es mit 55 nach Hause - auf Kosten der Allgemeinheit, denn ohne diesen Weg der Belegschaftsverjüngung wäre der Beitrag zur Rentenversicherung um einen Prozentpunkt niedriger. Die "Ausplünderung" (Norbert Blüm) der Rentenkassen ist vorbei.Gleichzeitig haben die Rentenpolitiker die Lebensarbeitszeit erhöht.Aber wenn die Jungen entlassen werden, da die Alten nicht mehr vorzeitig in Rente gehen dürfen, belastet das wiederum die Sozialkassen.Die Quadratur des Kreises: Rentenkassen und gleichzeitig Arbeitsmarkt entlasten, den Unternehmen personalpolitische Spielräume schaffen und den Arbeitnehmern materielle Einbußen bei weniger Arbeit schmackhaft machen. Obgleich aus der Not geboren, weist das Altersteilzeitgesetz die richtige Richtung.Für die fünf Jahre vom 55.bis 60.Lebensjahr halbiert sich die Arbeitszeit, entsprechend zahlt der Arbeitgeber Einkommen und Rentenbeiträge, diese werden von der Bundesanstalt für Arbeit auf 70 Prozent (Entgelt) beziehungsweise auf 90 Prozent (Rentenbeitrag) aufgestockt - wenn das Unternehmen einen Arbeitslosen oder Azubis einstellt.Wird zusätzlich - wie jetzt bei VW oder auch in der Chemieindustrie - das Nettoeinkommen von den Unternehmen auf 85 Prozent erhöht, macht das die Sache für die Arbeitnehmer attraktiver. Für die Bundesanstalt rechnet sich das Ganze sowieso: Zwei subventionierte Teilzeitarbeiter kosten im Monat knapp 1600 DM, ein Vollzeitarbeitsloser jedoch 2700 DM.Die Sozialversicherung steht also auf der Gewinnerseite.Doch der Beschäftigte muß Verluste bei der Rente einkalkulieren, und zwar von 3,6 Prozent für jedes Jahr vorgezogenen Ruhestandes.Da die Renten ohnehin unsicher sind, schreckt diese Einbuße ab.In diesem Punkt müßte Bonn nachbessern und die Rentenabschläge verringern.Auch die Unternehmen sind noch nicht überzeugt.Doch im Alter steigen Gesundheitsrisiken und Krankenstand, die Leistungsfähigkeit nimmt ab.Die Betriebe werdem im Interesse einer ausgewogenen Altersstruktur Geld für Vorruheständler in die Hand nehmen, bei VW sind das nach Unternehmensangaben 150 000 DM pro Kopf.Mit den Ressourcen eines Weltkonzerns ist das möglich.Indes ist die deutsche Wirtschaft mittelständisch geprägt.Und selbst wenn sich die Altersteilzeit durchsetzte - auf dem Weg zu mehr Arbeitsplätzen ist das nur ein Trippelschritt.

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