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Wirtschaft: Die Angst vor dem „Double Dip“

US-Experten befürchten einen zweiten Absturz in die Rezession – mit bösen Folgen für die Weltwirtschaft

Von Robert von Rimscha,

New York

Das Gespenst hat einen Namen. Amerika fürchtet sich vor dem „Double Dip“, dem zweimaligen Eintauchen in eine Rezession. Die erste Schwäche, die vom Vorjahr, scheint nun überwunden. Im dritten Quartal wuchs die US-Wirtschaft zwar um 3,1 Prozent – auf das ganze Jahr gerechnet. Doch rund um die Wall Street in Manhattan dominiert die Furcht, es könne sich um nichts weiter handeln als um ein Zwischenhoch auf dem Weg in ein neues Tief.

Jan Hatzius, Vizepräsident und Chefvolkswirt von Goldman Sachs, sieht drei strukturelle Ursachen für die anhaltende Konjunkturschwäche der USA. Während der Boomjahre haben Amerikas Bürger nichts gespart – der anschwellende Wert der Aktiendepots schien dies zu rechtfertigen. Allein die private Hypotheken-Verschuldung wächst derzeit in den USA um über zehn Prozent jährlich. Die Bürger nehmen immer neue Kredite auf ihre Eigenheime auf, um den Lebensstandard zu sichern.

Neben den privaten Schulden beunruhigt die Chefetage bei Goldman Sachs auch der Schuldenstand der Unternehmen. Gewinne wandern in den Ausgleich der Bilanzen, statt investiert zu werden. „Dies ist ein starkes Argument gegen einen anhaltenden Aufschwung“, sagt Hatzius. Als Drittes nennt er den Dollar, der überbewertet sei und US-Exporteuren Marktanteile genommen habe. Sein Ergebnis: „Auf drei Jahre hinaus sind die Aussichten mies.“

Goldman Sachs spricht von einem „hohen Risiko“ einer Rezession in den USA und veranschlagt die Wahrscheinlichkeit bei einem Drittel. „Dass die Lokomotive stottert, ist für die ganze Welt eine schlechte Nachricht.“ Die Konjunktur brauche dringend einen Impuls aus Europa. „Mein Rat an die EZB ist auf jeden Fall, die Zinsen zu senken“, meint Hatzius. Für die US-Notenbank Federal Reserve prognostiziert sein Finanzhaus jedenfalls weitere Zinssenkungen. Sollte es zum „Double Dip“ kommen, so glaubt Hatzius, dass eine 20-prozentige Wahrscheinlichkeit für „eine wirklich völlig trostlose Lage“ besteht: eine langanhaltende Stagnations- oder Deflationsphase in Europa, Japan und in den USA.

Dass sich Europa den Zuständen in Fernost annähert, liest Goldman Sachs von den gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen EZB und Regierungen ab. „Die, die Geldpolitik machen sollen, klagen dauernd über die Fiskalpolitik. Und jene, die Fiskalpolitik betreiben sollten, rügen nur immer die Geldpolitik.“ Dies gelte auch für Deutschland. Und so ist man bei Goldman Sachs der Ansicht, das pessimistischere, abweichende Herbstgutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung liege wohl richtiger als jenes der anderen Institute. Werner Walbröl, Chef der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer, schließt sich dem an. „Das Klima in Deutschland ist alles andere als ermutigend“, sagt er.

Fred Langhammer, der (deutsche) Vorstandschef des US-Kosmetikriesen Estee Lauder, sieht als „größte Bedrohung für die Wirtschaft“ etwas anderes. Die Klage-Wut in Amerika treibe die Kosten gerade auch für Versicherungen dermaßen in die Höhe, dass eine „Lähmung“ und ein „völliger Verzicht auf Risiko“ einträten. Wenn in schlechten Zeiten Millionen enttäuschter Aktionäre anfingen, Vorstände zu verklagen, könne die Wirtschaft dicht machen.

Zu alledem kommt als größte Unwägbarkeit für die Weltkonjunktur der mögliche Irak-Krieg. „Nicht viel Begeisterung“ für einen Waffengang kann Hatzius in der Geschäftswelt ausmachen. Dies entspringe einer weit verbreiteten Unsicherheit, nicht einer Ablehnung. Denn rein ökonomisch betrachtet ist die Kriegsfolgenabschätzung zwiespätig. „Katapultiert ein Krieg den Ölpreis auf 45 Dollar, haben wir eine Weltrezession“, sagt Hatzius. Kommt indes die irakische Ölproduktion nach einem Krieg rasch auf die Beine, könnte der Ölpreis fallen. Laut Goldman Sachs würde ein Ölpreis von 20 Dollar den US-Bürgern jährlich 50 Milliarden mehr in den Taschen lassen. Wegen des höheren Steueranteils in Europa wären es hierzulande bestenfalls 20 Milliarden.

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