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Wirtschaft: Die Arbeitszeit für das ganze Leben

BERLIN .Die Idee ist bestechend: Lebensarbeitszeitkonten sollen die Misere auf dem Arbeitsmarkt beheben helfen.

BERLIN .Die Idee ist bestechend: Lebensarbeitszeitkonten sollen die Misere auf dem Arbeitsmarkt beheben helfen.Das hat Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt im Vorfeld der Bündnis-für-Arbeit-Gespräche gefordert.Statt wie bisher Arbeitszeit nur über ein, zwei oder drei Jahre anzusparen und auszugleichen, soll ein Arbeitnehmer in Zukunft Zeit noch länger verwahren können - im Idealfall ein ganzes Berufsleben lang.Der Arbeitsmarkteffekt: Lebensarbeitszeitkonten führen fast zwangsläufig zu mehr Arbeitsplatzsicherheit und zu neuen Jobs - wenn die Konten abgeschmolzen werden.Dann müssen die Unternehmen neu einstellen oder aber andere stärker beschäftigen.

Schade nur, daß es so einfach nicht ist.Denn es ist unklar, wie sicher langfristige Arbeitszeitkonten sind.Nicht nur, daß die Unternehmen keine Lust haben, die vollen Sozialversicherungsbeiträge für die gesparte Arbeitszeit zu entrichten.Geklärt werden muß auch, wie sich Arbeitszeit verzinst.Betriebswirtschaftlich nämlich ist ein Arbeitszeitkonto nichts anderes als ein Kredit, den ein Beschäftigter seinem Unternehmen gibt.Wird das Konto als Geldkonto geführt, fallen Zinsen an.Die Frage aber, wie sich Zeit verzinst, haben bisher weder Ökonomen noch Philosophen beantworten können.

Noch vertrackter ist das Problem, ob eine Stunde Arbeitszeit, die ein Arbeitnehmer mit 35 leistet, der entspricht, die er mit 55 abfeiern will.Was, wenn der Mann vom Facharbeiter zum Betriebsleiter aufgestiegen ist? Was, wenn er degradiert wurde? Auch ist längst nicht ausgemacht, was aus dem schönen Arbeitszeitkonto wird, wenn das Unternehmen pleite geht.Zwar werden im neuen Insolvenzrecht die Konten normalen Lohnansprüchen gleichgestellt.Und Ansprüche, die über mehr als 27 Monate hinweg erworben werden, müssen vom Betrieb gegen die Pleite versichert werden.Nur weiß niemand, ob die Unternehmen das auch tun.Die Bundesregierung will das erst in zwei Jahren prüfen.Bisher ist nur klar, daß die Bundesanstalt für Arbeit keinen Zugriff auf Konten hat, die ausdrücklich zur Verkürzung der Lebensarbeitszeit angelegt wurden.Das gilt zum Beispiel bei Kurzarbeit.Ob ein Lebensarbeitszeitkonto aber auch bei Arbeitslosigkeit vor den Ansprüchen des Arbeitsamtes geschützt ist, dazu gibt es weder ein Gesetz noch ein Gerichtsurteil.

Auch die traurige Frage, wem die angesparte Zeit gehört, wenn der Beschäftigte stirbt, bevor er sie abbummeln kann, ist bisher nur in Absichtserklärungen geklärt: Das Konto wird den Erben ausbezahlt - zu welchen Konditionen aber, läßt sich bisher allenfalls einzelvertraglich regeln.

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