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Wirtschaft: „Die Berliner sind in einer guten Position“

Wirtschaftsstaatssekretär Joachim Wuermeling über hohe Strompreise und Alternativen für die Kunden

Herr Wuermeling, in Berlin steigen die Strompreise trotz der Diskussion, ob Energie in Deutschland nicht viel zu teuer ist. Funktioniert der Wettbewerb überhaupt?

Es steigt nicht generell der Strompreis, sondern nur der eines Anbieters. Jeder Stromkunde kann den Lieferanten jederzeit wechseln. Die Berliner sind hier in einer guten Position, denn es gibt anders als in vielen Städten eine Reihe von Anbietern. Wir werden mit Interesse beobachten, wie sich die Preiserhöhung von Vattenfall auf das Marktgeschehen auswirken wird. Die Bundesregierung hat das Ziel, noch mehr Wettbewerb auf den Strommärkten zu schaffen. In Deutschland haben wir oligopolartige Strukturen. Da besteht immer die Gefahr, dass die Unternehmen das ausnutzen. Da hilft nur Wettbewerb.

In den Bundesländern werden nun Forderungen laut, dass die Preisaufsicht beim Strom, die Ende Juni ausläuft, verlängert werden sollte. Unterstützen Sie das?

Eine Verlängerung würde nichts bringen. Denn die meisten Kosten der Erzeuger müssten so oder so akzeptiert werden. Es gäbe keine niedrigeren Preise. Entscheidend ist die Verbesserung der Missbrauchsaufsicht im Kartellrecht. Die haben wir jetzt auf den Weg gebracht.

Das Kartellamt hat festgestellt, dass die Deutschen zwar über zu hohe Preise klagen, aber nur schwer zu einem Wechsel des Versorgers zu bewegen sind.

Der Markt käme sicher am besten in Gang, wenn die Verbraucher die Preise beim Strom genauso vergleichen würden wie bei der Milch oder dem Benzin. Wir setzen hier gerade nach Erhöhungen wie in Berlin auf eine zunehmende Sensibilität der Konsumenten.

Das geht ohne die Hilfe der Regierung?

Nein. Der Verbraucher braucht Schutz vor Monopolen. Es ist offensichtlich, dass die Instrumente des Kartellamts bei der Kontrolle des Energiesektors nicht ausreichen. Deshalb hat das Kabinett nun eine Verschärfung beschlossen. Missbrauch kann jetzt viel schneller und besser abgestellt werden.

Worauf die großen Versorger prompt geantwortet haben, milliardenschwere Investitionen in neue Kraftwerke würden sich in Deutschland nicht mehr rechnen.

Wir erwarten nicht, dass die Investitionsbereitschaft nachlässt. Der alte Kraftwerkspark muss ohnehin erneuert werden. Vor allem für neue Anbieter lohnt es sich, Kraftwerke zu bauen. Denn wir geben ihnen jetzt erstmals das gesetzliche Recht, den neu produzierten Strom auch in die Netze einzuspeisen. Das wurde früher von den Netzbetreibern oft blockiert. Deshalb wurde so wenig investiert.

Die EU-Kommission würde es am liebsten sehen, wenn die großen Stromkonzerne die Stromnetze abgeben müssten. Die Bundesregierung geht bei ihren Plänen bisher nicht so weit. Reichen Ihre Regulierungspläne aus, um für Wettbewerb zu sorgen?

Das Netz wird immer ein Monopol sein, egal wem es gehört. Entscheidend ist, dass jeder Zugang zum Netz erhält. Die eigentumsrechtliche Trennung von Netz und Stromerzeugung ist kein Allheilmittel. Sie garantiert weder die notwendigen Investitionen in das Netz noch dessen Qualität und Leistungsfähigkeit.

Die deutsche Tochter des russischen Gaskonzerns Gasprom hat Übernahmen in Deutschland vorerst gestoppt, weil sie Angst vor Enteignung ihres Netzes hat.

Investitionen in gemischte Betriebe, die auch über ein eigenes Netz verfügen, stehen wegen der EU-Debatte nun unter Vorbehalt. Das ist nicht gut. Deshalb müssen wir möglichst bald Klarheit schaffen. Im Herbst wird die Kommission ihre Vorschläge vorlegen.

Dann gibt es also bis Jahresende Klarheit?

Leider nicht. Denn das Gesetzgebungsverfahren mit Übergangszeit kann leicht fünf Jahre dauern. Mögliche Klagen von Unternehmen sind da noch nicht berücksichtigt. Von der ganzen Debatte um die Zerschlagung der Konzerne hat der Stromkunde derzeit gar nichts. Deshalb setzt die Bundesregierung auf die schnelle Öffnung der Märkte in Europa. Das bringt den nötigen Wettbewerb.

Wer ist eigentlich in der deutschen Regierung für das Thema Energie zuständig – Wirtschaftsminister Glos oder Umweltminister Gabriel?

Die Federführung bei der Energiepolitik liegt beim Wirtschaftsministerium. Für den Klimaschutz ist das Umweltministerium zuständig. Die Dinge hängen zusammen, weil die Energieproduktion einen erheblichen Anteil der Treibhausgase erzeugt. Deshalb arbeiten wir eng zusammen – und zwar recht gut.

Trotzdem hat das Wirtschaftsministerium eine eigene Studie zu den erneuerbaren Energien in Auftrag gegeben.

Es gibt Bedarf für eine Feinjustierung der Förderung. Bei dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Vergütung für Strom aus regenerativen Quellen regelt, ist eine Neufassung geplant. Die liegt federführend beim Umweltministerium. Wir wollen EU-weit bis 2020 ein Fünftel unserer Energie aus erneuerbaren Trägern erzeugen, das ist sehr ehrgeizig. Wir müssen deshalb intelligent und effizient fördern. Sonst explodieren die Energiepreise. Und das kann der Energieminister nicht verantworten.

Heißt das, dass Ihr Ministerium darauf dringen wird, die Förderung des Solarstroms zu verringern?

Zu einzelnen Energieträgern kann ich mich jetzt noch nicht im Detail äußern. Fest steht aber, dass einige erneuerbare Energien fast die Wirtschaftlichkeit erreicht haben . Da kann die Förderung zurückgeführt werden. Wir müssen die Träger fördern, die das meiste Potenzial und einen entsprechenden Bedarf haben.

Um milliardenschwere Förderungen geht es auch bei den Regionalfonds der EU. Auf die Mittel bis 2013 haben sich die Europäer gerade geeinigt. Insgesamt geht es um 350 Milliarden Euro. Wie effizient wird das Geld ausgegeben?

Wir sind weggekommen vom Gießkannenprinzip. Das ist neu und war der Bundesregierung sehr wichtig. Im Wesentlichen werden die Mittel in Forschung, Innovation und Projekte zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gesteckt.

Teile Ostdeutschlands sind immer noch Höchstfördergebiet. Geht es dem Osten noch so schlecht oder verdankt er das Geld dem Verhandlungserfolg der Regierung?

Für die Bundesregierung ist die weitere Förderung Ostdeutschlands einschließlich Berlins ein großer politischer Erfolg. Zu Beginn der Verhandlungen sah es noch so aus, als würde Ostdeutschland nach der EU-Erweiterung aus der Förderung herausfallen. Jetzt erhält Deutschland insgesamt 25 Milliarden Euro, davon Ostdeutschland 16 Milliarden. Nach Berlin fließen 1,2 Milliarden Euro.

In Berlin werden mit EU-Mitteln Kitas renoviert, in Hamburg soll Geld aus Europa für ein Schwimmbad eingesetzt werden. Sind das Investitionen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit?

Neben den Regionalfonds gibt es den Fonds für soziale Projekte. Ich finde das gut. Auch die sozial Schwachen sollen von Europa profitieren. Das Verhältnis bei den Mitteln für Berlin liegt zum Beispiel bei drei zu eins. Das ist vernünftig.

Das Gespräch führte Bernd Hops.

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