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Wirtschaft: Die Börsianer hoffen auf die Wende

Der Dax hat in den vergangenen 12 Monaten 40 Prozent verloren – selbst Pessimisten hatten das nicht erwartet

Frankfurt (Main) . „Momentan ist wichtig. Momentan ist gut.“ Einen solchen Hit wie Herbert Grönemeyer mit „Mensch“ hätten die Börsianer in diesem Jahr gerne gelandet.

Es war nichts. Im Gegenteil: „Das Börsenjahr 2002 war eine Katastrophe“, sagt Fidel Helmer, Börsenchef des Bankhauses Hauck & Aufhäuser. Auch die Experten in seinem eigenen Haus hatten die Krise und das schlimmste Aktienjahr nach dem Krieg nicht annähernd vorausgesehen. Der Deutsche Aktienindex (Dax) biete 2002 einen deutlichen zweistelligen Spielraum, hatten sie vorhergesagt. Ähnlich daneben lagen die Aktienexperten der Deutschen Bank. Auf ein Niveau zwischen 5600 und 5900 Punkten werde der Dax steigen, hatten sie erwartet. Viele Experten ließen sich von der deutlichen Erholung der Kurse nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und den angeblich wieder besseren Ertragsaussichten der Unternehmen irritieren. Der Dax hatte im letzten Quartal 2001 um rund 45 Prozent zugelegt und stand am Jahresende bei 5160 Punkten.

„Den aktuellen Aufschwung werten wir als Anfang einer längerfristigen Bullenphase“, hieß es vor Jahresfrist beim Bankhaus Metzler. Auf bis zu 6100 Punkte sahen die Analysten den Dax bis Ende 2002 steigen. Nur wenige tippten auf deutliche Einbußen auf bis unter 4000 Punkte. Sie galten als notorische Pessimisten.

Doch selbst sie waren noch zu optimistisch. 40 Prozent hat der Dax in den vergangenen 12 Monaten verloren. Es ist das dritte Jahr hintereinander, in dem das Börsenbarometer deutlich eingebüßt hat – so etwas gab es nach dem Krieg noch nie.

Gute Nachrichten gibt es kaum

Dabei hätte es noch schlimmer kommen können: Anfang Oktober sackte der Dax sogar auf 2519 Punkte ab. Im Frühjahr 2000 waren es noch 8136 Punkte gewesen. Am Neuen Markt notierte der Nemax 50 bei nur noch gut 300 Punkten. Zwei Jahre zuvor hatte er noch 10000 Punkte angepeilt. Einige Anleger haben wohl ihr gesamtes Geld verloren. Es erwischte in diesem Jahr selbst die großen Werte im Dax. Fast jedes Unternehmen, ganz gleich wie Gewinne und die Ertragsaussichten waren, wurde mit in den Strudel gerissen. Im Dax gab es Einbrüche wie man sie nur vom Neuen Markt kannte. Erst seit Anfang November haben sich die Kurse einigermaßen stabilisiert, der Dax hält sich aber gerade einmal auf einem Niveau von über 3000 Punkten. „Das ist nur eine technische Reaktion“, glaubt Helmer. „Gute Nachrichten gibt es eigentlich nicht.“

Niemand hatte vorausgesehen, welch dramatischen Auswirkungen die Bilanzskandale von Enron oder Worldcom auch in Deutschland nach sich ziehen würden. Die Betrügereien am Neuen Markt nicht nur bei Comroad taten ihr übriges. Dazu kamen Großpleiten wie bei Babcock oder Holzmann. Selbst die sonst so stabilen Banken entpuppten sich als labil. Die Talfahrt an den Börsen erwies sich als gefährliche Spirale. Auch die Versicherungen kamen massiv unter Druck, weil ihre Rücklagen wie Schnee in der Sonne dahin schmolzen. Die Überschussbeteiligungen müssen deutlich gekappt werden. Das schwache Konjunkturumfeld tat dem Aktienmarkt auch nicht gut.

Zu schaffen macht den Börsianern, wie nicht nur Helmer weiß, vor allem die schlechte Stimmung und das massiv geschädigte Vertrauen in Bilanzen und Börse. „Es gibt permanent eine latente Angst. Der Vertrauensverlust der Anleger ist riesig. Es wird Jahre dauern, das wieder zu reparieren.“ Die Vorgaben für das kommende Jahr sind nach dem dramatischen Einbruch der vergangenen Jahre nicht mehr ganz so düster. Manche Experten verbreiten sogar leichten bis kräftigen Optimismus, weil die Gewinne der Firmen wieder steigen und Sanierungen und Restrukturierungen weit gediehen sind. Und weil die Börse einen Konjunkturaufschwung sechs bis acht Monate vorweg nimmt. 2004 soll es mit der Wirtschaft wieder richtig bergauf gehen.

Aber 2003 wird die Konjunktur kaum deutlich anziehen, im Irak droht ein Krieg, der Ölpreis steigt bereits wieder. Dazu kommt die Unsicherheit über die Steuervorhaben der Regierung. „Ich sehe derzeit kein positives Signal“, sagt Helmer. Für das erste Halbjahr bleibt er skeptisch. Der Dax könne noch einmal auf 2500 Punkte abrutschen. Danach rechnet er mit einem deutlichen Auftrieb - exogene wirtschaftliche und politische Schocks ausgeschlossen. Die meisten Börsianer favorisieren für 2003 Standardaktien wie Allianz, Aventis, BASF, Deutsche Bank oder Lufthansa.

Von Wachstumsaktien und einst am Neuen Markt gefeierten Papieren ist keine Rede mehr. Bis Ende 2003 könne der Dax um 15 bis 20 Prozent auf vielleicht 3700 Punkte steigen, mutmaßt Helmer. Optimisten dagegen erwarten 5000 Punkten. Das wäre ein Plus von 65 Prozent. Das wäre dann wie ein Jahr der Aktie.

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