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Wirtschaft: Die Chinesen erfüllen sich den Traum vom Automobil

Peking. Die Stimmung ist wie auf dem Jahrmarkt.

Peking. Die Stimmung ist wie auf dem Jahrmarkt. Zehntausende Chinesen strömen jeden Tag zur Pekinger Automobil-Show auf das Messegelände. Eltern lassen ihre Kinder für Erinnerungsfotos vor den Luxusautos posieren, junge Männer stehen Schlange, um in den chromblitzenden Sportwagen Probe zu sitzen. Dazwischen verkaufen Händler würzige Reisgerichte aus Styropor-Schüsseln. Kaum jemand verlässt die Veranstaltung ohne eine Tasche voll mit Prospekten. Hunderttausende Chinesen werden sich dieses Jahr einen Traum erfüllen: Sie werden ihr erstes Auto kaufen.

Nach Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO boomt die Autoindustrie. Die Schutzzölle für Importautos fallen, die Preise für im Land hergestellte Fahrzeuge sinken. Marktführer Volkswagen, mit zwei deutsch-chinesischen Gemeinschaftsunternehmen und einem Marktanteil von rund 50 Prozent Marktführer, verkaufte in den ersten fünf Monaten des Jahres 168071 Fahrzeuge – ein Plus von 16,5 Prozent. General Motors brachte im Januar mehr als 4000 Exemplare des neuen Kleinwagens „Sail“ an den Mann und verdoppelte damit seine monatlichen Verkaufszahlen.

Für Hunderttausende chinesische Familien ist ein Auto erschwinglich geworden. Lokal produzierte Kleinwagen wie der in Tianjin hergestellte „Xiali“ („Sommer Gewinn") sind schon für 40000 Yuan (5130 Euro) zu haben. Ausländische Modelle beginnen etwa beim doppelten Verkaufspreis. „Bisher musste ich immer mit dem Bus oder mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren“, sagt der Bankangestellte Liu Wen, der mit Frau und Tochter einen VW-Jetta inspiziert. In den nächsten Monaten wollen sie sich das erste Auto kaufen. „Ein Auto ist ein Stück Freiheit“, sagt Familienvater Liu. Dafür ist er bereit, mehr als zwei Jahresgehälter auszugeben.

2,4 Millionen Autos wurden im vergangenen Jahr in China verkauft, darunter rund eine halbe Millionen Pkw. Gemessen an der Bevölkerungszahl ist das nicht viel. Nur etwa ein Prozent der chinesischen Haushalte verfügt bisher über ein Auto. Bis zum Jahr 2010 soll sich der jährliche Verkauf jedoch auf fünf Millionen verdoppeln. VW, Citroen, Fiat, Suzuki und Nissan haben zum Teil seit Jahren Fabriken in China. Daimler-Chrysler produziert in Yangzhou (Provinz Jiangsu) mit chinesischen Partnern Busse. BMW hofft darauf, noch in diesem Jahr von der Regierung eine Produktionslizenz zu erhalten. Dazu kommen rund 120 lokale Hersteller, die mit exotischen Modellen wie „Meirenbao“ („Der schöne Leopard") oder „Saima“ („Schneller als ein Pferd") Käufer erobern wollen.

Die meisten chinesischen Produzenten werden den Wettbewerb nicht überleben. Und auch die ausländischen Großkonzerne stehen unter Druck. Jahrelang hatte Volkswagen zusammen mit seinen chinesischen Joint-Venture-Partnern praktisch ein Monopol. Produziert wurden die Uralt-Modelle Santana und Jetta, die man zu Fantasiepreisen an die Kader der Staatsfabriken verkaufte. Mittlerweile sind die Käufer jedoch immer häufiger Privatpersonen. Einer Studie zufolge will jede fünfte städtische Familie ein Auto erwerben. VW hat deshalb eine Modell-Offensive gestartet. Nach dem Passat und dem Bora wird seit kurzem auch der neue Polo in China produziert. „Wir versprechen uns davon eine Aufwertung unseres Images“, sagt Unternehmenssprecherin Katharina Niu.

Der Andrang auf der diesjährigen Pekinger Automobilausstellung scheint den Autofirmen Recht zu geben, 400000 Besucher werden erwartet. Auf den Zufahrtsstraßen zum Messegelände staut sich kilometerlang der Verkehr. In Peking und den wohlhabenden Küstenstädten ist ein regelrechtes Autofieber ausgebrochen. In den ersten vier Monaten des Jahres machten mehr als 140000 Pekinger die Führerscheinprüfung – 40 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2001.

Chinas Regierung unterstützt den Autoboom nach besten Kräften. Das Autobahnnetz wurde innerhalb von sechs Jahren von 3000 auf 20000 Kilometer erweitert. Seit Dezember gibt es eine 1262 Kilometer lange Direktverbindung zwischen Peking und Schanghai. Der zunehmende Autoverkehr belastet zwar die Umwelt. Chinas Städte haben mit die höchste Luftverschmutzung weltweit . Auf Pekings Straßen herrscht Dauerstau wie früher in Bangkok. Die Pläne für den Ausbau des U-Bahn-Systems bleiben jedoch seit Jahren in der Schublade. Die Pekinger Bürger, heißt es bei der Stadtregierung, sollen dadurch zum Autokauf animiert werden. Harald Maas

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