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Wirtschaft: Die Chinesen machen Pfaff zu schaffen: jede zweite Nähmaschine kommt aus Asien

Sie rattern immer seltener in den Privathaushalten und auch bei den wenigen, noch im Inland angesiedelten Textilverarbeitern sieht man sie kaum noch: deutsche Nähmaschinen. Seit Jahren haben die Textilmaschinenhersteller mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen.

Sie rattern immer seltener in den Privathaushalten und auch bei den wenigen, noch im Inland angesiedelten Textilverarbeitern sieht man sie kaum noch: deutsche Nähmaschinen. Seit Jahren haben die Textilmaschinenhersteller mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen. Auch die deutsche Traditionsfirma Pfaff, die sich seit Ende der 80er Jahre in der Krise befindet. Jetzt wurden Gerüchte laut, der Standort Karlsruhe mit rund 500 Beschäftigten stehe unmittelbar vor dem Aus. Pfaff dementierte zwar umgehend, aber das Unternehmen kämpft mit schweren Ertragsproblemen. Die zum US-amerikanischen Nähmaschinenhersteller Singer gehörende Pfaff AG mußte schon 1992 einen Rekordverlust von rund 80 Mill. DM melden. Erst 1997 wurden wieder schwarze Zahlen geschrieben. Doch dieser Trend setzt sich offenbar nicht fort: Dem am Donnerstag vorgelegten Halbjahresbericht der Pfaff-Gruppe zufolge steckt der Nähmaschinenhersteller tief in den roten Zahlen.

In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres verbuchte die Gruppe einen operativen Verlust von 26,5 Mill. DM. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum war es noch ein Gewinn von 9,7 Mill. DM gewesen. Die Umsätze sanken um 20,3 Prozent auf 284 Mill. DM. Nach dieser Entwicklung werde nun auch im Gesamtjahr mit einem Verlust gerechnet, erklärte der Vorstand. Die Pfaff-Aktie ist derweil im Sturzflug: Allein in dieser Woche verlor das Papier bislang rund ein Drittel. "Es gibt Liquiditätsprobleme", räumt Pfaff-Sprecher Herbert Einsiedler ein. So wurden den rund tausend Beschäftigten im Kaiserslautener Stammwerk die August-Löhne mit zweiwöchiger Verspätung gezahlt. Die Zahl der Beschäftigten der Gruppe sank im ersten Halbjahr 1999 um 600 auf 2600. Als Grund für die Negativ-Entwicklung nennt Pfaff vor allem die deutlich schwächere Nachfrage. So verringerte sich der Umsatz mit Industrienähmaschinen um knapp 50 Mill. auf 174,6 Mill. DM. Zwar seien einerseits in Asien und Lateinamerika deutliche Umsatzsteigerungen erzielt worden, doch habe man umgekehrt in Europa und Nordamerika noch höhere Umsatzverluste gemacht.

Für die zweite Jahreshälfte 1999 erwartet der Pfaff-Vorstand aber insbesondere bei Industrienähmaschinen mit einem Umsatzanteil von knapp zwei Dritteln eine leichte Verbesserung. Mit Haushaltsnähmaschinen nahm Pfaff rund 109 Mill. DM und damit 22,6 Mill. DM weniger ein. Den deutlichsten Rückgang habe es auf dem deutschen Markt gegeben. Schmerzlich für Pfaff, denn das Unternehmen ist in Deutschland einziger Hersteller von Nähmaschinen für den Hausgebrauch. Doch die gehören eben immer weniger zur Grundausstattung eines Haushalts. Große Kaufhäuser wie Karstadt oder das Berliner KaDeWe haben die Maschinen schon seit Jahren nicht mehr im Sortiment.

Tatsächlich sind schwache Zahlen kein Pfaff-spezifisches Problem: Seit Jahren haben die Textilmaschinenhersteller mit sinkenden Absätzen und Erträgen zu kämpfen. "Im vergangenen Jahr hatten wir noch gute Umsätze, aber dieses Jahr sieht es sehr viel schlechter aus", sagt Eckhard Hennecke von der Fachgemeinschaft Bekleidungs- und Ledertechnik des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Die Gründe für die Negativ-Bilanz: Die Bekleidungsindustrie wandert in Billiglohnländer ab, gleichzeitig drängen Konkurrenten aus dem Ausland auf den Markt. "China ist mittlerweile der größte Produzent von Nähmaschinen. Heute ist weltweit jede zweite Maschine aus China", sagt Hennecke. Ein herber Schlag für die deutschen Hersteller, die 80 Prozent ihrer Nähmaschinen exportieren.

Ob Pfaff die Krise übersteht, wird letztlich von der Geduld der Gläubigerbanken abhängen: Pfaff hatte zuletzt rund 185 Mill. DM Schulden ausgewiesen. Noch will jedoch keines der betroffenen Institute agieren: "Niemand will sich den schwarzen Peter für einen Konkurs zuschieben lassen", kommentiert ein involvierter Banker die Situation.

Jenny Niederstadt

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