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Google und Apple: Die Datenkraken

Google und Apple sammeln eifrig Informationen über ihre Nutzer. Der Politik wird es jetzt zu bunt.

Die Einladungsliste klingt bedeutend. Allein vier Kabinettskollegen hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zum Datenschutz-Gipfel – auch Google-Gipfel genannt – am heutigen Montag eingeladen. Neben Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sollen auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) mit Vertretern von Google, Apple und anderen Größen der IT-Welt über den Umgang mit Geodaten diskutieren – also über Satellitenaufnahmen, fotografierte Häuserfassaden und die Ortungsdaten, die von Handys geliefert werden.

Die Frage ist klar: Wer weiß was über den Bürger, und was kann oder muss man dagegen tun? Die Antwort nicht. Denn schon innerhalb der Bundesregierung sind die Empfindlichkeiten unterschiedlich ausgeprägt. Während Aigner ein umfassendes Widerspruchsrecht fordert (siehe Interview), ist de Maizière zurückhaltender. Regelungen will der Innenminister nur dort, „wo sie erforderlich sind und umgesetzt werden können“, beschreibt ein Sprecher die Netzpolitik seines Chefs. Die Aufregung über Google Street View kann de Maizière ohnehin nicht nachvollziehen. „Eine Fassade ist etwas Öffentliches, sie ist der Straße zugewandt“, meint der Minister. „Ich finde: Der Blick in den Garten ist ein größeres Problem als der auf die Fassade.“

Viele Bürger sehen das jedoch anders. Sie fürchten sich nicht nur davor, dass Einbrecher ihr Haus ausspionieren könnten. Auch die Datensammelwut der Dienste macht ihnen Angst. Sie haben Sorge, dass Daten aus verschiedenen Sphären miteinander verknüpft werden. Aus E-Mail-Kontakten, Anfragen an Suchmaschinen, Freundeslisten im Internet, ins Netz gestellten Bildern, dem Foto des Wohnhauses und den Ortungsdaten, die das Handy liefert, lassen sich technisch schon heute präzise Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen, warnen Datenschützer.

Alle reden über Google. Dass auch Apple fleißig Daten der Nutzer sammelt, ist vielen nicht bewusst. Wie weit das geht, zeigte sich in diesem Sommer. In einem 13-seitigen Brief gab Apple nach einer Anfrage von zwei Mitgliedern des US-Abgeordnetenhaus zu, dass die Besitzer von iPhones seit 2008 ohne ihr Wissen eine gigantische Datenbank über die weltweite Verteilung von Wireless- Lans und Mobilfunkeinrichtungen gefüllt haben.

Während Google bei seinen Fotofahrten für Google Street View ähnliche Daten – nach eigenen Angaben – eher versehentlich miterhoben hat, die so gewonnen Informationen aber nicht weiter nutzt, will Apple damit weiter die iPhone-Funktion zur Ortsbestimmung verbessern. Ob damit gegen geltendes Recht verstoßen wird, ist unklar, viele iPhone-Besitzer sind jedoch empört.

Die meisten Informationen werden dem Unternehmen jedoch freiwillig zur Verfügung gestellt. Zum Beispiel bei dem gerade gestarteten sozialen Netzwerk Ping. Es ist vor allem als Austauschplattform über Musik gedacht und funktioniert als Mischung zwischen Facebook und Twitter. Einerseits teilt man seinen Ping-Freunden mit, für welche Musik man sich interessiert, andererseits kann man seinen Lieblingskünstlern folgen, um über interessante Neuigkeiten auf dem Laufenden gehalten zu werden.

So weit, so gut, wäre Ping nicht Teil von Apples zentralem iTunes-Knotenpunkt zur Bindung von Kunden und Nutzern. Ob man nun mit einem iPod Musik hört, sein iPhone als mobilen Computer nutzt, seine Filme auf dem iMac verwaltet oder sich via Ping über Musik austauscht – alle Kanäle führen durch die iTunes-Schnittstelle und sind über das iTunes-Kundenkonto mit der Kreditkartennummer des Nutzers verbunden. Von einer „bedenklichen Datenmacht“ spricht der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Über eine Verknüpfung ihrer Daten müssten die Leute informiert werden, fordert Schaar. „Ohne ihre Zustimmung darf es keine Bildung umfassender Persönlichkeits- und Nutzungsprofile geben.“ Am Horizont ist erkennbar, wozu es führen kann, wenn ein einzelnes Unternehmen zu viel von seinen Kunden weiß. Im August wurde ein Antrag von Apple beim US-Patentamt bekannt. Kern der Überlegungen ist, wie man den Besitzer eines iPhones, eines iPad-Tablet-PCs oder eines iPod-Touch-Musikplayers helfen kann, wenn sie ihr Gerät verloren haben oder es ihnen gestohlen wurde. Sollte aus dem Patent ein Produkt werden, würden künftige iPhones ständig im Hintergrund prüfen, ob tatsächlich der Besitzer oder eine andere berechtigte Person das Telefon nutzt. Methoden zur Stimmüberwachung, Gesichtserkennung, ja sogar die Herzfrequenz könnten dafür genutzt werden und würden die Apple-Datenbank weiter wachsen lassen.

Kritiker fürchten, dass der Gipfel auf all diese Fragen keine Antwort haben wird. „Man kann das Thema nicht auf Geodaten beschränken“, sagte Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein, dem Tagesspiegel. „Wir brauchen ein Widerspruchsrecht für alle Daten im Internet“, fordert Weichert, „das ist das Mindeste“. Doch Hoffnungen macht sich der Datenschützer nicht. „Wir erwarten keine großen Fortschritte von dem Gipfel.“

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