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Ausgezeichnet. Thomas Schierl und Detlev Marpe sind für ihre Erfindungen mit dem Technik-Emmy geehrt worden. Foto: Georg Moritz

© Georg Moritz

Wirtschaft: Die Datenschrumpfer

Berliner Forscher haben ein prämiertes Verfahren für die Komprimierung von Videos entwickelt.

Berlin - Anfang Januar hat Thomas Schierl seinen schwarzen Anzug eingepackt und ist nach Las Vegas geflogen. Dort hat er im berühmten Hotel „Bellagio“ in einer festlichen Zeremonie einen Emmy in Empfang genommen. Der Emmy ist ein angesehener Fernsehpreis, den die National Academy of Television Arts & Sciences in verschiedenen Kategorien verleiht – nicht nur für Schauspieler. Schierl und sein Team vom Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) erhielten ihre Auszeichnung für herausragende Innovationen in der Fernsehtechnik. Es war bereits der dritte Emmy, mit dem die Berliner Forschungseinrichtung auf dem Gebiet der Videokompression geehrt wurde.

Weil es ein Emmy für die Technik ist, ist er leider nicht mit klangvollen Namen aus Hollywood verbunden, sondern mit einem so störrischen Kürzel wie MPEG-2 TS. Dahinter verbirgt sich ein standardisiertes Protokoll, mit dem Audio- und Videosignale gebündelt übertragen werden. Bei der Übertragung von Videos kommt dabei eine weitere Innovation zum Tragen, bei der das HHI maßgeblich mitgewirkt hat: H.264/MPEG4-AVC. Verkürzt gesagt, ist MPEG4-AVC für Videos, was MP3 für Musik ist: ein hocheffizientes Verfahren zur Kompression von bewegten Bildern. Bei der Kompression wird der Datenumfang deutlich reduziert ohne die Qualität merklich zu beeinträchtigen.

Das ist aus zwei Gründen wichtig. Für die Industrie, weil so weniger Kapazitäten in den Netzen belegt wird, und für die Kunden, denn so können Videos auch in weniger leistungsfähigen Netzen (zum Beispiel mobil) in hoher Qualität übertragen werden. Anders ausgedrückt: Ohne die Komprimierung verstopfen die Netze und die Bilder ruckeln. „Heutzutage werden die Netze überschwemmt mit Videodaten“, sagt Forscher Schierl, der das Team Multimediakommunikation im HHI leitet. Die hohe Popularität von Videodiensten setze die Industrie daher erheblich unter Druck. Und die Nachfrage nach bewegten Bildern aus dem Netz wird weiter steigen – nicht nur, weil die erfolgreiche amerikanische Online-Videothek Netflix bald ihren Dienst auch in Europa starten will.

Und wenn auch die Namen nicht beeindruckend sind, so sind es doch die Zahlen: Millionen von Menschen benutzen den MPEG4-AVC-Standard mehrmals täglich, denn er steckt in jedem Smartphone aber auch in Tablets, Bluray- Spielern und Fernsehgeräten. Alles in allem in mehr als drei Milliarden Geräten weltweit, jährlich kommen 650 Millionen hinzu. „Die Entwicklung dieses Standards war ein Meilenstein“, sagt Detlev Marpe. Er leitet das Team Videocodierung am HHI, das bereits seit 15 Jahren an internationalen Standards zur Komprimierung bewegter Bilder arbeitet – und die anderen beiden Emmys 2008 und 2009 eingeheimst hat. „Die Hälfte aller Bits im Internet ist mit MPEG4-AVC komprimiert“, sagt Marpe. Derartige Videos machen heute bereits die Hälfte des internationalen Datenverkehrs aus. Mit dem Trend zu immer höher auflösenden Bildern und der steigenden Zahl an leistungsfähigen Smartphones wird das weiter zunehmen.

Mit dem MPEG4-AVC-Standard konnte die Zahl der zu übertragenden Daten (gemessen in Bits) im Vergleich zu vorhergehenden Standards um die Hälfte reduziert werden – und das bei gleicher Bildqualität. Allerdings haben Forscher weltweit gemeinsam an diesem Standard gearbeitet. Doch die Berliner haben einen großen Beitrag geleistet: „Mehr als die Hälfte der Reduzierung geht dabei auf unsere Entwicklungen zurück“, sagt Marpe nicht ohne Stolz. Die Standardisierung ist deshalb so wichtig, weil die Videos vom Nutzer überall abrufbar sein sollen, unabhängig davon mit welchen Gerät sie aufgezeichnet oder abgespielt werden. Deshalb ist auch die Industrie in den Standardisierunsgremien dabei.

Das HHI war auch maßgeblich an der Entwicklung des MPEG4-AVC-Nachfolgers H.265/MPEG-HEVC beteiligt, der die Datenmenge noch einmal um die Hälfte reduziert. „Es wird noch einige Zeit dauern bis erste nennenswerte Anwendungen auf den Markt kommen, die den neuen Standard nutzen“, meint Marpe. An den bisherigen Entwicklungen verdient das HHI ganz gut – vermutlich, denn genaue Zahlen wollen die Forscher nicht nennen. Nur so viel: Die Unternehmen, die das System in ihren Geräten nutzen, wie etwa Samsung oder Apple, zahlen eine Lizenzgebühr für die Nutzung. Die liege bei größeren Stückzahlen bei zehn US-Cent pro Decoder, sagt Marpe. Gezahlt wird an den Lizenzpool, der die Einnahmen dann an die beteiligten Organisationen verteilt. Die genaue Summe will Marpe nicht verraten, aber der Rückfluss sei signifikant, sagt er. Sein Team arbeitet inzwischen an dem nächsten Standard – und hofft, vielleicht auch mal einen Technik-Oscar zu bekommen.

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