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Wirtschaft: „Die Deutschen gehen nicht weit genug“

Österreichs Wirtschaftsminister Martin Bartenstein über flexible Arbeitsmärkte und hohe Steuern

Herr Bartenstein, wenn Sie ein Land mitregieren würden, in dem über 5,2 Millionen Menschen keine Arbeit haben, was würden Sie tun?

Sicher braucht Deutschland von Österreich keine Ratschläge. Aber der wesentliche Grund für unsere Arbeitslosenquote von 4,6 Prozent – abgesehen davon, dass wir keine Wiedervereinigungskosten haben – ist unser flexibler Arbeitsmarkt.

Wie haben Sie das geschafft?

Die österreichischen Gewerkschaften sind kompromissbereiter. So haben sie niemals Kündigungsschutzbestimmungen eingefordert, wie es sie in Deutschland gibt. Wenn es wirtschaftlich schlecht läuft, können in Österreich Unternehmer ihre Mitarbeiter kündigen. Und deswegen sind sie auch schneller bereit, wieder einzustellen.

Bessere Zeiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt sollen die Hartz-Reformen bringen.

Hartz I bis III haben wir in Österreich bereits vor Jahren verwirklicht, etwa die Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung in einen Arbeitsmarktservice oder die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf maximal ein Jahr.

Wie hoch ist das Arbeitslosengeld?

Das Arbeitslosengeld liegt bei 55 Prozent des zuletzt verdienten Nettolohns – und ist damit niedriger als in Deutschland.

Seit Jahresanfang wird in Deutschland auf das Arbeitslosengeld II auch das Einkommen des Partners angerechnet. In Ihrem Land ist das schon lange so.

Ja, und das halten wir für notwendig. Denn wenn das Einkommen des Partners zu hoch ist, dann braucht es auch keine Hilfe. Wir sehen in der Notstandshilfe eine soziale Leistung. Und soziale Bedürftigkeit hängt auch von dem Gesamteinkommen eines Haushalts ab. Wenn der Partner ausreichend verdient, dann liegt nunmal keine Bedürftigkeit vor.

Und gegen die Reformen hat es keine Proteste gegeben?

Nein, weil wir wesentliche Reformen im Konsens mit den Gewerkschaften zustande gebracht haben. So haben wir neue Zumutbarkeitsbestimmungen gemeinsam auf den Weg gebracht. Wer arbeitslos ist und in seinem erlernten Beruf keine Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz hat, muss jetzt auch eine Stelle annehmen, wenn sie nicht im zuletzt ausgeübten Beruf ist. Die Menschen in Österreich haben verstanden, dass auch sie einen Beitrag leisten müssen, damit es auf dem Arbeitsmarkt funktioniert. So haben wir 2004 die Zahl der Langzeitarbeitslosen um ein Drittel senken können.

In Deutschland soll bei den Zuverdienstmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose nachgebessert werden. Ist das sinnvoll?

Mit solchen Zuzahlungen stößt man sehr schnell an die Grenzen der Wettbewerbsfairness. Das betrifft nicht nur die gewerblichen Anbieter, sondern auch die Menschen, die eine Festanstellung mit einem geringen Lohn haben.

Warum?

Wenn ich einem Arbeitslosen das Arbeitslosengeld samt Zuverdienst belasse, dann habe ich doch gegenüber einer Verkäuferin ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn diese Frau ist oft weniger gut gestellt als der Arbeitslose, der sich noch anrechnungsfrei etwas dazuverdienen kann. Ich möchte Arbeitslose keinesfalls besser gestellt wissen als Menschen, die ganz normal im Erwerbsleben stehen.

Damit neue Jobs entstehen, will die deutsche Regierung nun die Körperschaftssteuer von 25 auf 19 Prozent senken.

Da Deutschland mit einer Unternehmensbesteuerung von derzeit knapp 40 Prozent in Europa an der Spitze liegt, ist eine niedrigere Körperschaftssteuer ein Schritt in die richtige Richtung. Aber ich frage mich, ob das weit genug geht. In Österreich liegt zwar die Körperschaftssteuer bei 25 Prozent, dafür haben wir schon vor Jahren die Gewerbe- und Vermögensteuer abgeschafft.

Wäre das auch ein Weg für Deutschland?

Wir konnten Steuern senken, und zwar ohne Gegenfinanzierung, weil wir uns dafür die nötigen Spielräume im Haushaltsbudget geschaffen haben. Das kann Deutschland derzeit nicht leisten. Und so wird es bei einer Steuerentlastung mit Gegenfinanzierung, wie sie von der deutschen Regierung geplant ist, nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer geben.

Das Gespräch führte D. Rosenfeld.

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