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Wirtschaft: Die Deutschland AG ist Geschichte

Nach der Wahl fällt die Steuerfreiheit für Beteiligungsverkäufe – was stattdessen kommt, ist unklar

Berlin – Sechs Jahre schon währt die Auflösung der Deutschland AG, wie die über Jahrzehnte gewachsene wechselseitige Verflechtung der Finanzbranche mit der Industrie genannt wird. Auslöser war die weitgehende Steuerfreiheit für Beteiligungsverkäufe, die Finanzminister Hans Eichel 1999 durchgesetzt hatte. Jetzt dürfte bald Schluss damit sein – auch dann, wenn die SPD nach der Wahl weiterregieren oder mitregieren sollte. Denn nicht nur Union und FDP sind sich einig, dass Eichels Regelung fallen muss, auch in der SPD steht sie zur Disposition. „Nach der Wahl spricht alles dafür, eine steuerpolitische Bestandsaufnahme zu machen, die auch diese Frage einschließt“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Joachim Poß dem Tagesspiegel.

Das klingt etwas anders als seine jüngste Presseerklärung zum Thema. Es gebe mittelbar bereits eine Pauschalbesteuerung auf fünf Prozent der Erlöse und die Union habe eine Verdoppelung auf zehn Prozent im Gesetzgebungsverfahren zum Jobgipfel abgelehnt, heißt es darin. „Insofern ist der jetzige Vorschlag der Union nicht nur heuchlerisch und populistisch, er zerstört auch das Vertrauen in- und ausländischer Investoren in die deutsche Steuerpolitik und ist damit eher wachstumsfeindlich“, urteilte Poß in der Erklärung.

In dieser Frage liegt der Bundesverband der Industrie (BDI) auf SPD-Linie. BDI-Präsident Jürgen Thumann sagte dem Tagesspiegel, die Besteuerung von Beteiligungsgewinnen sei falsch, weil „wir in Deutschland schon heute die höchste Steuerbelastung für die Unternehmen haben“. Aber auch aus dem Blickwinkel eines Finanzministers sei der Weg der CDU/CSU falsch, sagte Thumann. „Denn die Steuereinnahmen werden weniger kalkulierbar, gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Wenn man die Gewinne besteuert, muss man auch die Verluste zum Abzug zulassen. Deswegen wird die Veräußerungsgewinnbesteuerung im Abschwung zum Eigentor.“

In der Tat ist die große Zeit der Beteiligungsverkäufe vorbei, die Deutschland AG ist Geschichte. Viele Beteiligungen haben die deutschen Banken und Versicherungen nicht mehr in ihren Büchern. Eines der letzten Beispiele ist die Deutsche Bank, die sich von ihrem Anteil an Daimler-Chrysler schrittweise trennt. Die deutsche Wirtschaft ist durch diese Entwicklung transparenter und internationaler geworden.

Aber es drohen auch Gefahren, über die während der „Heuschrecken“-Debatte kaum gesprochen wurde. So wie Eichel den kritisierten Hedgefonds mit einem Gesetz den deutschen Markt überhaupt erst öffnete, so bringt das Ende der Deutschland AG ausländischen Investoren interessante Einstiegsmöglichkeiten. Schon wurde an den Aktienmärkten spekuliert, Finanzfonds könnten Daimler-Chrysler übernehmen und zerschlagen, um die einzelnen Teile des Konzerns mit Gewinn zu verkaufen.

Nun ist die Frage der Beteiligungsverkäufe nicht nur für die SPD schwierig. Zwar hat die CDU/CSU die Besteuerung ausdrücklich in ihr Wahlprogramm geschrieben, um ihre Steuerreform zu finanzieren. Wörtlich heißt es: „Als weiteres Element der Gegenfinanzierung erhöhen wir die Besteuerung von Beteiligungsveräußerungen von Kapitalgesellschaften.“ Aber wie das gehen soll, hat die Union noch nicht entschieden. Fraktionsvize Michael Meister verwies auf Anfrage lediglich auf das nötige Gesetzgebungsverfahren nach der Bundestagswahl.

Theoretisch gibt es zwei Möglichkeiten: eine neue Steuerart, was dem Ziel eines einfacheren Steuersystems widerspräche. Oder man könnte bei der aktuellen, mittelbaren Besteuerung ansetzen, also auf den Jobgipfel-Vorschlag zurückkommen. Dann müsste man aber die geltenden Bedingungen erheblich verschärfen, um überhaupt zu nennenswerten Einnahmen zu kommen. Die FDP vermisst Signale von der Union, wie es denn nun gehen soll. „Die haben das noch nicht geklärt“, sagte FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms dem Tagesspiegel. Seine Partei wolle eine grundsätzliche Steuerpflicht, aber mit der Ausnahme, dass Beteiligungserlöse, die in Investitionsrücklagen fließen, nicht besteuert werden sollen. Konflikte mit der Wirtschaft befürchtet er nicht: „Die Auflösung der Deutschland AG ist ja weitgehend vollzogen.“ Festlegen will sich indes auch die FDP nicht auf den Weg zur höheren Besteuerung. „Da kann man flexibel sein“, sagt Solms.

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