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Die gesetzliche Rente wird ohne eine zusätzliche Altersvorsorge nicht reichen.

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Die Diskussion über die Rente: Sanfter Zwang in der Altersvorsorge

Staatsfonds, Deutschland-Rente: Wir sollten die Ideen für eine bessere Altersvorsorge sachlich unter die Lupe nehmen. Ein Gastbeitrag

Riester gescheitert! Rentenniveau anheben! Für Schlagzeilen taugen diese Schlagworte. Probleme lösen sie allerdings nicht – im Gegenteil. Ja: Die Rentendiskussion muss geführt werden. Wer durch pauschale Aussagen für Verunsicherung statt für Aufklärung sorgt, der sollte allerdings das Thema lieber meiden. Sonst ist die Diskussion nur Wasser auf die Mühlen derer, die den „Altparteien“ Versagen vorwerfen, ohne selber Lösungen zu haben, die Ängste und Sozialneid schüren und auf allzu einfache Antworten setzen. Den Überbietungswettbewerb mit denen, die keine Verantwortung tragen und verantwortungslos handeln, können und wollen Regierungsparteien ohnehin nicht gewinnen.

Lasst uns daher angstmachende Rentendiskussionen in Rente schicken. Setzen wir lieber auf eine gründliche Analyse und trauen wir den Bürgern zu, diese Gedanken zu teilen. Unaufgeregt und an der Sache orientiert. Denn die geht alle etwas an.

Die gesetzliche Rente bleibt der zentrale Baustein für die Alterssicherung. Durch verschiedene Maßnahmen wie mehr Beschäftigung z.B. von Frauen und bessere berufliche Bildung können wir sie noch weiter stärken. Gleichwohl hat es wenig Sinn, die beschlossene Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus zu stoppen oder das Niveau sogar wieder anzuheben.

2021 steigen die Beitragssätze deutlich

Auch wenn Niveau und Beitragssätze der gesetzlichen Rente in den nächsten fünf Jahren noch weitgehend stabil bleiben, müssen wir ab 2021 – trotz aller Bemühungen – mit einem deutlichen Anstieg der Beitragssätze rechnen. Ein kurzfristiger Aufschub der Absenkung des Rentenniveaus verschiebt die Belastungen nur in die Zukunft auf die jüngere Generation. Was wir heute versprechen, müssten andere bitter bezahlen. Es wäre eine beispiellose politische Fehlleistung.

Kapitalgedeckte Altersvorsorge ist im Vergleich zum Umlageverfahren weniger demografieanfällig.  Hier finanzieren die heutigen Beitragszahler nicht die heutigen Rentner. Vielmehr bauen die Beitragszahler eigene kapitalgedeckte Rentenansprüche auf. Gerade für junge Leute hat dies einen zusätzlichen Charme.

Fazit: Für eine Stabilisierung des Sicherungsniveaus im Alter brauchen wir ergänzend zur gesetzlichen Rente zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge.

Dafür müssen wir die zusätzliche Altersvorsorge nicht neu erfinden. In Großbetrieben der klassischen Industriesektoren funktioniert betriebliche Altersvorsorge weitgehend. Auch ist Riester – bei allen Schwächen im Detail – grundsätzlich eine durchaus großzügige und zielgenaue staatliche Förderung von Gering- und Niedrigverdienern. Verbesserungen im System sind zwar nötig, aber auch möglich.

Doch wir brauchen mehr. Wenn wir die Beschäftigten in kleinen Betrieben in großem Umfang erreichen wollen, geht kein Weg an einem sanften Zwang vorbei. Ohne ihn ist die Präferenz für Konsum von heute größer als die für den Konsum von morgen. Aktuelle Studien kommen zu einem klaren Ergebnis: Die junge Generation will fast einhellig durch sanften Zwang zu mehr eigener Altersvorsorge „gestubst“ werden, wenn der Staat noch etwas dazu gibt.

Der Staat darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen

Dazu kommt: Altersvorsorge ist hoch komplex und für viele unverständlich. Gerade in kleineren Betrieben fällt es Arbeitgebern schwer, für die Beschäftigten das „richtige“ Produkt auszuwählen. Hinzu kommen hohe Kosten vieler privater Anbieter, die zusätzliche Altersvorsorge wenig attraktiv machen. Der Staat darf sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen. Vielmehr brauchen wir einen staatlichen Anbieter mit einem einfachen und kostengünstigen Standardprodukt, um verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen.

Bei dem Schlagwort „Staatsfonds“ schreien natürlich einige Interessenvertreter schnell auf: Der Staat kann solche Gelder überhaupt nicht verwalten und am Ende vergreift er sich an den Mitteln.

Das laufende Geschäft können private Manager erledigen. Damit lässt sich privates Wissen für die Vermögensverwaltung nutzen, es fallen aber nicht die hohen Vertriebskosten in der privaten Altersvorsorge an.

Auch braucht niemand Sorge zu haben, dass der Staat später auf den Fonds zugreift. Denn jeder, der in den eigenständigen und unabhängigen Fonds einzahlt, erwirbt wie bei privaten Anbietern einen Anteil an dem Fondsvermögen. Das ist in gleicher Weise wie die Fonds privater Anbieter durch das Grundgesetz vor Zugriff geschützt. Auch wenn der Staat einen solchen Fonds schafft, handelt es sich dabei um kein Sondervermögen des Staates. Das wird häufig vergessen. Kurzum: Der Staat hat keine Möglichkeit, auf das Vermögen des Staatsfonds zuzugreifen.

 Diskussionen ohne Panikmache

Fazit: Egal wie man es dreht. Neben der gesetzlichen Rente brauchen wir ergänzende kapitalgedeckte Altersvorsorge. Anderenfalls überfordern wir unsere Kinder, wenn diese eine alternde Gesellschaft allein mit einem umlagefinanzierten Rentensystem finanzieren sollen. Und Wege für eine Stärkung der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge in Deutschland haben wir aufgezeigt. Das in Hessen entwickelte Modell der Deutschland-Rente ist ein Vorschlag dafür. Auch im Bund gibt es Überlegungen in diese Richtung – noch allerdings in der Schublade.

Das alles können und sollten wir erklären: unaufgeregt, nüchtern, ohne Panik zu verbreiten. Schicken wir die angstmachenden Rentendiskussionen, die oft wider besseres Wissens angezettelt werden, doch in Rente. Langfristige und ehrliche Lösungen können auch das Zutrauen in Politik, Probleme nachhaltig beheben zu können, erhöhen.

Jörg Asmussen, früher Finanzstaatssekretär, arbeitet bei der Investmentbank Lazard.
Jörg Asmussen, früher Finanzstaatssekretär, arbeitet bei der Investmentbank Lazard.

© dpa

Thomas Schäfer ist Finanzminister in Hessen.
Thomas Schäfer ist Finanzminister in Hessen.

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Thomas Schäfer (CDU) ist Finanzminister in Hessen. Jörg Asmussen (SPD) war Staatssekretär im Bundesfinanz- und -arbeitsministerium und arbeitet jetzt für die Investmentbank Lazard.

Jörg Asmussen, Thomas Schäfer

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