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Wirtschaft: Die Dynamik läßt allmählich nach

WASHINGTON (zz/HB).In kleinen Schritten korrigierte das US-Handelsministerium die erste Schätzung des Wachstums der amerikanischen Wirtschaft im zweiten Quartal 1998, die es Ende Juli verkündet hatte, nach vier Wochen zunächst von 1,4 Prozent auf 1,6 Prozent und nach weiteren vier Wochen auf 1,8 Prozent nach oben.

WASHINGTON (zz/HB).In kleinen Schritten korrigierte das US-Handelsministerium die erste Schätzung des Wachstums der amerikanischen Wirtschaft im zweiten Quartal 1998, die es Ende Juli verkündet hatte, nach vier Wochen zunächst von 1,4 Prozent auf 1,6 Prozent und nach weiteren vier Wochen auf 1,8 Prozent nach oben.Aber auch mit der letzten "endgültigen" Berechnung von Ende September konnten die amtlichen Statistiker nicht ganz verschleiern, daß die Dynamik zwischen dem ersten Vierteljahr, als das Wachstum 5,5 Prozent betragen hatte, und dem zweiten Quartal eingebrochen ist.Es ist der Tribut der US-Wirtschaft an die Asienkrise und an die folgenden Erschütterungen der globalen Ökonomie.Die USA zahlen damit spät ihren Preis für die immer noch engen wirtschaftlichen Beziehungen zu den asiatischen Volkswirtschaften.

Die USA sind von der asiatischen Krise doppelt betroffen: Zum einen verlieren sie mühsam erkämpfte Absatzmärkte, weil die Krisenländer, aber auch andere, weniger betroffene Staaten, ihre Einfuhren reduzieren, nachdem sich die Importe wegen der Verluste der asiatischen Währungen deutlich verteuert haben.Zum anderen aber bauen die asiatischen Produzenten ihre Exporte in die USA aus.Die jüngst erneut ausgebrochenen Preiskämpfe auf dem amerikanischen Pkw-Markt, wo die Hersteller die Kunden wieder mit fabelhaften Rabatten von 2000 bis 3000 Dollar anlocken, sind ein Beispiel dafür.

Bei der Interpretation der aktuellen volkswirtschaftlichen Daten ist also viel psychologisches Einfühlungsvermögen nötig.Der Einfluß der asiatischen Krise ist freilich unverkennbar.Aber ebenso unverkennbar ist auch, daß die US-Wirtschaft immer noch die Kraft hätte, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der weltweiten Tristesse zu ziehen.Die leichte Aufwärtskorrektur der Wachstumsrate gegenüber der Juli-Schätzung bedeutet indessen nur, daß dem Washingtoner Handelsministerium jetzt exaktere Daten über die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vorlagen.Trotz der nicht gerade begeisternden Globalziffern gibt es einzelne Bereiche, die nach wie vor von einer ungebrochenen Dynamik künden.Die Verbraucherausgaben haben sich im zweiten Quartal mit 6,1 Prozent ebenso stark erhöht wie im ersten Vierteljahr.Die Ausgaben der Regierung, die von Januar bis März um 8,8 Prozent gesunken waren, stiegen in der zweiten Dreimonatsperiode wieder um 7,3 Prozent.Die Unternehmen erhöhten ihre Investitionen im zweiten Vierteljahr um 18,8 Prozent.Im ersten Quartal waren sie freilich um 34,3 Prozent gestiegen.Das deutet darauf hin, daß die US-Wirtschaft nicht unbedingt mit einem Einbruch rechnet.Immerhin haben sich die Unternehmensgewinne im zweiten Quartal wieder um 0,6 Prozent auf das bereinigte Jahresvolumen von rund 481,8 Mrd.Dollar (nach Steuern) erhöht.Einen Hinweis auf die Gefahr, die der US-Wirtschaft aus der Krise droht, könnte indessen ausgerechnet die US-Notenbank geben.Ihr Offenmarktausschuß, das für die Geld- und Zinspolitik zuständige Gremium, tritt heute und morgen zusammen.Aus den Äußerungen von Fed-Chef Alan Greenspan hatten die Auguren geschlossen, daß sich die Notenbank einer Senkung der kurzfristigen Zinsen heute nicht mehr widersetzt.

Von Greenspan selbst kamen zuletzt höchst widersprüchliche Signale.Er ist bekanntlich ein harter Stabilitätsapostel: Niemand mißgönnt ihm in den USA seinen Beitrag zur Bekämpfung der Inflation, niemand neidet ihm den Erfolg.Aber der Zickzack-Kurs, den Greenspan im September bei den Perspektiven für die Zinsen verfolgte, machte hin und wieder öffentliche Korrekturen seiner eigenen Worte notwendig.So fühlten sich die Märkte hin- und hergerissen zwischen den Aussichten auf eine erneute Senkung der kurzfristigen Zinsen und gelegentlichen Dämpfern für solchen Optimismus.

Aber selbst, wenn der Offenmarktausschuß den Diskontsatz, der in der Zinsbildung ohnehin nur eine untergeordnete Rolle spielt, und die Zielzone der Fed-Funds etwas zurücknimmt: Am Markt sind die Zinsen längst tiefer gesunken.Der US-Finanzminister kann seine kurzfristigen Kreditaufnahmen heute billiger refinanzieren als die Banken ihre Diskontwechsel.So hätte ein Beschluß der Notenbank, die Kurzfristzinsen zu senken, möglicherweise sogar eine negative Konsequenz: Die Märkte würden ihn als das Eingeständnis der Fed werten, daß die US-Wirtschaft tatsächlich in eine Periode der Unsicherheit eingetreten ist, daß die asiatischen Krisen auch in diesem wirtschaftlich kräftigen Land zu spüren sind.Wahrscheinlich wird der Offenmarktausschuß viel psychologisches Einfühlungsvermögen nötig haben müssen, um eine Zinssenkung ohne moralischen Schaden in der Öffentlichkeit verkaufen zu können.

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