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Wirtschaft: Die EU hat ihren dritten Sündenfall

Nach Deutschland und Portugal muss nun auch Frankreich mit einem Defizitverfahren rechnen

Brüssel (rut/HB). EUWirtschaftskommissar Pedro Solbes muss zum dritten Mal in der Geschichte der Europäischen Währungsunion zu Strafmaßnahmen greifen. Solbes werde „wahrscheinlich in der kommenden Woche ein Strafverfahren wegen eines übermäßigen Defizits gegen Frankreich einleiten", sagte der Sprecher des Kommissars am Dienstag. Mit dieser Ankündigung reagierte der Sprecher auf Äußerungen des französischen Premierministers Jean-Pierre Raffarin.

Der Regierungschef gab am Dienstag erstmals offiziell zu, dass Frankreich beim Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr über das Ziel hinausgeschossen ist. Die Defizitquote habe die im Europäischen Stabilitätspakt festgelegte Obergrenze von 3,0 Prozent wohl überschritten, sagte Raffarin. Die genaue Defizitangabe muss die Pariser Regierung spätestens am kommenden Montag in Brüssel abliefern. Falls eine drei vor dem Komma stehe, müsse die Europäische-Kommission unmittelbar danach ein Strafverfahren einleiten, sagte der Sprecher von EU-Kommissar Solbes.

Der schlechte Zustand der französischen Staatsfinanzen ist in Euroland schon seit längerer Zeit ein Thema. Im vergangenen November hatte der EU-Finanzministerrat die Regierung in Paris deshalb bereits mit einem Blauen Brief abgemahnt.

Nach Auffassung der EU-Kommission ist nicht allein die schwache Konjunktur an dem ausufernden Pariser Haushaltsdefizit schuld. Auch die laxe französische Finanzpolitik habe dazu beigetragen, etwa die Senkung der Einkommensteuer und die Erhöhung der Ausgaben für Verteidigung und innere Sicherheit. Deshalb befürchtet die EU-Kommission bereits seit Jahresbeginn, dass Frankreich die Drei-Prozent-Latte schon 2002 gerissen habe könnte.

Im laufenden Jahr dürfte sich die französische Haushaltslage kaum verbessern, zumal die zugrunde gelegten Wachstumsannahmen nicht mehr realistisch sind. Das Wachstumsziel von 2,5 Prozent sei in diesem Jahr nicht mehr zu halten, räumte Raffarin in Paris ein. Die Konjunkturschwäche werde wohl in ganz Euroland länger als bislang erwartet andauern, sagte auch Wirtschaftskommissar Solbes. Über die Jahre 2001 bis 2003 werde nur eine durchschnittliche Wachstumsrate von 1,25 Prozent erreicht. Im Herbst hatte die EU-Kommission noch eine Rate von 1,8 Prozent für Euroland in diesem Jahr vorhergesagt.

Diese Prognose ist mittlerweile Makulatur. Grund für die anhaltend schlechte Wirtschaftslage seien die internationalen Unsicherheiten, sagte Solbes und brachte damit erneut seine Sorge über die konjunkturellen Folgen des drohenden Irak-Krieges zum Ausdruck. Allerdings habe die Konjunkturschwäche auch hausgemachte strukturelle Ursachen, sagte Solbes weiter. Deutschland und Portugal sind bereits mit förmlichen Strafverfahren konfrontiert, bei denen in letzter Konsequenz hohe Geldbußen drohen.

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