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Wirtschaft: Die ewige Nummer zwei feiert Geburtstag

Dresdner Bank wird 125 Jahre alt / Bei bester Gesundheit / Höchst umstrittene Rolle in der NazizeitVON ROLF OBERTREIS, FRANKFURT (MAIN)Mit dem Datum nimmt man es nicht so genau."Bei 125 Jahren kommt es auf vier Monate nicht an.

Dresdner Bank wird 125 Jahre alt / Bei bester Gesundheit / Höchst umstrittene Rolle in der NazizeitVON ROLF OBERTREIS, FRANKFURT (MAIN)

Mit dem Datum nimmt man es nicht so genau."Bei 125 Jahren kommt es auf vier Monate nicht an.Und im Juni ist das Wetter angenehmer als im November", sagt Pressesprecher Volkmar Kübler.Also feiert die Dresdner Bank ihr 125jähriges Bestehen bereits am 9.Juni in Beisein des Bundeskanzlers in Dresden und nicht erst am 12.November, dem eigentlichen Geburtstag.An diesem Tag vor 125 Jahren wurde in Dresden das Gründungsprotokoll der heute zweitgrößten deutschen privaten Geschäftsbank unterzeichnet, am 1.Dezember 1872 wurde die erste Filiale mit 30 Mitarbeitern eröffnet.17 Herren waren Gründungsväter der Aktiengesellschaft, darunter Baron Carl von Kaskel.Dessen Familie war schon 100 Jahre zuvor mit einer Privatbank in die Branche eingestiegen.Weshalb sich die Dresdner Bank eigentlich schon als 225 Jahre alt und damit als älteste der drei heutigen in Frankfurt ansässigen Großbanken betrachtet. Die Gründung der Dresdner Bank 1872 war denn auch eigentlich ein Zusammenschluß mehrerer kleiner Banken.Die hatten erkannt, daß das Deutsche Reich in Zeiten einer raschen Industrialisierung starke und finanzkräftige Geldhäuser brauchte.Die Entwicklung der Dresdner Bank verlief denn auch parallel zum wirtschaftlichen Aufstieg des Deutschen Reiches.1884 wird der Hauptsitz nach Berlin verlegt.Es werden Kontakte zu Krupp geknüpft, die Bank ist bei der Gründung der AEG dabei.1895 wird ein Ableger in London eröffnet.Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs setzt sich der Aufstieg fort.Die Bilanzsumme liegt 1913 bei 1,5 Mrd.DM rund 4600 Personen arbeiten für die Bank.Der Krieg, die Geldentwertung und die Bankenkrise 1931 zogen auch die Dresdner Bank stark in Mitleidenschaft.Zeitweilig übernahm das Reich das Kapital.Es dauerte bis 1936 bis das Geldhaus wieder in privaten Händen lag.Dann wurde die Bank in den Strudel der Nazizeit gerissen."Von 1933 an bestand ein enger Zusammenhang zwischen dem Reichtum und der Macht, die die Dresdner Bank anhäufte, und dem steilen Aufstieg der Nazis", heißt es in den Omgus-Berichten der US-Militärverwaltung."Wo auch immer die Hakenkreuzfahne wehte, fand man die Dresdner Bank." Die Banker hätten sich an der Ausplünderung Europas beteiligt, dem Staat kräftig bei der Kriegsvorbereitung geholfen, eine unrühmliche Rolle bei der Arisierung jüdischen Vermögens gespielt."Keine andere große Geschäftsbank war so rückhaltlos in ihrer Politik, ihrem Personal und ihren Praktiken auf den Nationalsozialismus eingeschworen wie die Dresdner Bank".Vorstandsmitglied Karl Rasche machte dabei aus seiner Unterstützung für die Nazis keinen Hehl."Gleich nach dem ersten Tank kam Dr.Rasche von der Dresdner Bank", hieß ein damals kursierender Spruch. In der Festschrift der Bank zum 120jährigen Bestehen weist Hans G.Meyen, der frühere Chef-Volkswirt, die Vorwürfe zurück.Auch die Dresdener Bank sei "gleichgeschaltet" gewesen.Sie habe die Partei nicht gepriesen, sie habe kaum eine andere Möglichkeit gehabt als Reichstitel zu erwerben ­ über die die Nazis den Krieg finanzierten ­ und sie habe bei der Arisierung keine fragwürdige Rolle gespielt, sondern sei vielen Juden entgegengekommen.Von unabhängigen Wissenschaftlern wurde die Rolle der Dresdner Bank im Dritten Reich aber nie untersucht.Zu einem solchen Schritt, wie ihn die Deutsche Bank tat, konnte sich der Vorstand nicht durchringen. So oder so war das Ende des Zweiten Weltkrieges für das Geldhaus ein harter Schlag.Sie verliert die Hälfte ihrer 322 Filialen, die Gebäude in Westdeutschland sind zu 80 Prozent zerstört.Zunächst entstehen auf Druck der Alliierten 11 Teilbanken, die 1952 auf drei Institute reduziert werden, bevor die Bank 1957 mit der Fusion als Dresdner Bank AG mit Sitz in Frankfurt neu entsteht.Über die Jahre festigt sie ihre Position als Nummer zwei der Branche, verstärkt ihre Präsens im Ausland.1977 verliert sie ihren Vorstandssprecher Jürgen Ponto durch einen Mordanschlag der RAF.Nach der Wiedervereinigung dehnt die Bank ihre Aktivitäten schnell auf Ostdeutschland aus.Mit dem milliardenschweren Erwerb des Londoner Investmenthauses Kleinwort Benson gehört sie mittlerweile zu den großen Banken in Europa.46 000 Mitarbeiter arbeiten weltweit in fast 1600 Filialen für das Geldhaus.Die Bilanzsumme liegt bei 570 Mrd.DM; fast 1,6 Mrd.DM blieben 1996 als Gewinn übrig."Das Geburtstagskind erfreut sich bester Gesundheit", sagt Vorstandssprecher Jürgen Sarrazin.Trotz der Erfolge aber blieb das Geldhaus immer die Nummer zwei.Mehr noch: Der Abstand zur Deutschen Bank wird eher größer als kleiner.Was seine Vorteile hat: Wenn die Banken am Pranger stehen, erwischt es immer zuerst ­ oder auch nur ­ die Deutsche Bank.

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