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Wirtschaft: Die EZB trifft keine Schuld

Wer nach Gründen für den 18-prozentigen Kursverfall des Euro gegenüber dem Dollar seit seiner Einführung sucht, der frage einmal einen 25-jährigen Deutschen oder Franzosen. Wahrscheinlich wird man erfahren, dass er zur Zeit unentgeltlich als Praktikant arbeitet.

Wer nach Gründen für den 18-prozentigen Kursverfall des Euro gegenüber dem Dollar seit seiner Einführung sucht, der frage einmal einen 25-jährigen Deutschen oder Franzosen. Wahrscheinlich wird man erfahren, dass er zur Zeit unentgeltlich als Praktikant arbeitet. Ein 25-jähriger New Yorker wird dagegen berichten, dass man ihn direkt nach seinen Fähigkeiten und Lohnvorstellungen gefragt habe. Dieser Gegensatz wird von den jüngst veröffentlichten Arbeitslosenzahlen des Statistik-Amtes Eurostat bestätigt. Sie zeigen, dass die Arbeitslosigkeit in Euroland - mit derzeit 9,6 Prozent - unter jungen Leuten besonders hoch ist. In den USA liegt die Arbeitslosenrate dagegen bei vier Prozent - Vollbeschäftigung.

Es ist die geringe Arbeitslosenrate, die den Erfolg der US-Wirtschaft seit 1983 dokumentiert und nicht so sehr das hohe amerikanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) von über sechs Prozent im vierten Quartal 1999. Anders in Europa. Hier zeigt sich, dass ein hohes Wachstum des BIP durchaus mit einer hartnäckig hohen Arbeitslosenrate vereinbar ist.

Der Unterschied liegt in der angebotsorientierten Politik, die die Vereinigten Staaten seit den 80er Jahren verfolgen. Kürzungen des Grenzsteuersatzes, wirtschaftliche Deregulierung und eingeschränktes Wachstum der Sozialausgaben wurden mit der schmerzlichen, aber erfolgreichen Volcker-Reagan Initiative gekoppelt - mit dem Ziel, den Dollar zu stabilisieren. In Europa sorgen dagegen Steuerauflagen und wenig moderate Tarifabschlüsse für hohe Lohnkosten.

Das hat Auswirkungen auf das Kursniveau. Der Wert des Geldes wird an seiner Kaufkraft gemessen. Ist die Kaufkraft einer Währung höher als die einer anderen, steigt die Nachfrage. Das bedeutet, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, kann nur eingeschränkt auf den langfristigen Auslandswert des Euro einwirken. Ein Anheben des Zinssatzes könnte den Kursverfall des Euro zwar für einige Zeit stoppen. Aber der langfristige Wert hängt von anderen Faktoren ab: Die Eurozone muss im Verhältnis zur Dollarzone für Produktion und Investition attraktiver werden.

Zugegeben, einige vielversprechende Ansätze sind bereits zu erkennen: Die Fusion zwischen Vodafone und Mannesmann zeigt, dass Europa endlich den Aktionärskapitalismus akzeptiert. Allerdings waren Europas große Konzerne seit jeher wirtschaftlich fit, da sie über die notwendigen Ressourcen verfügen, um die Belastungen durch den Staat und die Arbeitsmarktpolitik zu kompensieren. Aber es sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die sich keine weiteren Angestellten - und damit weiteres Wachstum - leisten können.

Diese Erkenntnisse sind im Grunde nichts Neues. Bereits vor einigen Jahren sagte ein Beamter der Europäischen Kommission, dass eine Währungsunion ohne mikroökonomische Reformen ein Rezept für hohe Arbeitslosigkeit sei. Leider zeigt niemand den Mut, diese Erkenntnis offen auszusprechen, geschweige denn, für Reformen zu kämpfen.

Der Zeitfaktor ist für den Erfolg des Euro von entscheidender Bedeutung. Denn man muss sich stets die Frage stellen, ob die Reformen in der Eurozone schnell genug durchgeführt werden, oder ob weitere Verzögerungen den Euro samt der europäischen Wirtschaft schwächen werden. Der momentane Abwärtstrend des Euro spricht eher für das zweite Szenario. Wim Duisenberg nun damit zu beauftragen, ohne Hilfe der Regierungen Gegenmaßnahmen einzuleiten, wäre genauso sinnvoll, wie ihn aufzufordern, seinen Kopf gegen eine Mauer zu schlagen.

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