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Wirtschaft: "Die Finanzierung der Investitionen ist kein Thema"

Die Bahn wird weiter am Kapitalmarkt aktiv / Gespräch mit Bahnchef Heinz DürrSeit sechs Jahren steht Heinz Dürr an der Spitze der Deutschen Bahn beziehungsweise ihrer Vorläufer Bundesbahn und Reichsbahn.Mitte 1997 will er in den Aufsichtsrat wechseln.

Die Bahn wird weiter am Kapitalmarkt aktiv / Gespräch mit Bahnchef Heinz DürrSeit sechs Jahren steht Heinz Dürr an der Spitze der Deutschen Bahn beziehungsweise ihrer Vorläufer Bundesbahn und Reichsbahn.Mitte 1997 will er in den Aufsichtsrat wechseln.Über die Bahnreform, Sanierungs- und Investitionspläne und das Ziel des Börsengangs sprach Margarita Chiari mit dem Bahnchef. TAGESSPIEGEL: Herr Dürr, in den nächsten Tagen setzt der Rückreiseverkehr ein.Werden die Züge pünktlich sein? DÜRR: Wenn das Wetter mitspielt, müßte alles klappen.Es wird wie jedes Jahr viele Sonderzüge geben.Wichtig ist vielmehr, daß wir die Kunden gut informieren.Da sind wir noch nicht ganz so gut. TAGESSPIEGEL: Zuletzt lief nicht alles reibungslos.Die Verspätungen haben wieder zugenommen, es gab Pannen bei neuen Zügen wie dem Neitech, und im Güterverkehr springt der Bahn ein gewichtiger Kunde ab, nämlich die Post.Müssen Sie Ihre Pläne revidieren? DÜRR: Wir sind dabei, unsere zugegebenermaßen ehrgeizigen Pläne umzusetzen.Die Pünktlichkeit hat sich in den letzten Monaten gebessert.Außerdem haben wir ein Programm gestartet.Im nächsten Jahr werden wir weitere Fortschritte machen.Der große Wettbewerbsvorteil der Bahn ist ja in der Tat die Pünktlichkeit.Daß die Industrie einen Zug geliefert hat, der nicht einsatzbereit war, ist außerordentlich bedauerlich.An der Beseitigung der Mängel arbeitet die Herstellerfirma jetzt mit Volldampf.Aber wegen so einem Vorfall ändern wir nicht unsere Investitionspläne. Was den Transport von Briefen und Paketen angeht, muß man sehen, wer wann welche Entscheidung getroffen hat.Die Post hat bereits Anfang der 90er Jahre beschlossen, ihre neuen Briefverteilzentren an Autobahnkreuzen und nicht an der Bahn zu bauen.Hätte sie das System nicht geändert, hätten wir die Leistung bringen können.Aber darüber werde ich mit Postchef Klaus Zumwinkel noch persönlich reden. TAGESSPIEGEL: Sie haben selbst das Ziel vorgegeben, sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr jeweils einen Marktanteil von rund einem Drittel zu erreichen.Laut Ifo-Institut liegt die Bahn derzeit bei 7 Prozent im Personen- und 15 Prozent im Güterverkehr.Läßt sich das noch aufholen? DÜRR: Die Zahlen des Ifo-Instituts müssen relativiert werden.Wir können mit dem Zug nicht in jeden Hinterhof fahren.Wir müssen dort Marktanteile gewinnen, wo wir echte Chancen haben, wo die Bahn auch wirklich Vorteile bietet.In den Verbindungen zwischen Ballungsgebieten haben wir erhebliche Zuwächse erzielt, da liegt unser Marktanteil bei 30 Prozent.Im Güterverkehr haben wir dort, wo wir direkt mit der Straße im Wettbewerb stehen, also bei den sogenannten Kaufmannsgütern, 1996 ein Plus von fünf Prozent erzielt - einen höheren Zuwachs als die Straße. TAGESSPIEGEL: Das hat die Verluste bei den Massenguttransporten aber noch nicht wettgemacht. DÜRR: Das ist richtig.Hier sind wir abhängig von der allgemeinen wirtschaftlichen Konjunktur.Im Güterverkehr müssen wir investieren, die Umschlaganlagen verbessern, und wir brauchen Ganzzüge, damit wir nicht mehr so viel rangieren müssen - dann sind wir konkurrenzfähig. TAGESSPIEGEL: Wann wird das sein? DÜRR: Ich habe immer gesagt, die Bahnreform braucht acht bis zehn Jahre.Jetzt haben wir drei Jahre hinter uns. TAGESSPIEGEL: Gut ein Drittel ihres Umsatzes erwirtschaftet die Bahn im Nahverkehr.Hier hängen Sie stark vom Investitionswillen der Länder ab.Ist das in Zeiten knapper Kassen schwierig? DÜRR: Bisher sind wir ganz gut gefahren.Wir haben 1996 wieder einen Zuwachs im Nahverkehr.Vor allem aber sind die Fahrkarteneinnahmen um 7 Prozent gestiegen, das ist mehr als der Zuwachs der öffentlichen Mittel.Zugleich investieren wir auch hier kräftig.In Berlin etwa werden wir die S-Bahnzüge bis zum Jahr 2000 komplett ausgewechselt haben. TAGESSPIEGEL: Wie kommen Sie denn mit den beiden Landesregierungen in Berlin und Brandenburg zurecht? DÜRR: Das läuft recht gut.Wir haben jetzt einen Weg gefunden, daß die Verbindungen nicht an der Stadtgrenze aufhören, daß ein integriertes Verkehrsangebot entsteht.Es bewegt sich etwas.So richtig wird man das allerdings erst in zwei, drei Jahren sehen. TAGESSPIEGEL: Pannen, wie jetzt beim Neitech-Zug, der gleich nach dem Start wieder zurück ins Werk mußte, kratzen am Image.Werden Sie Ihr Bestellverhalten gegenüber der Industrie ändern? DÜRR: Die Ursache für die Panne war ja nicht die Neigetechnik an sich.Wir werden in Zukunft die Nichteinhaltung der Verfügbarkeit pönalisieren.Und wir müssen uns in Zukunft die Firmen und die gelieferte Ware vielleicht auch noch etwas genauer ansehen. TAGESSPIEGEL: Wie lange kann die Bahn dieses Investitionstempo noch durchhalten? Die Abschreibungen und Zinsen müssen verdient werden.Experten haben vorgerechnet, daß die Bahn dafür eine Umsatzrendite von 15 bis 18 Prozent benötigt.Das ist viel. DÜRR: Wir werden die Abschreibungen und Zinsen am Markt verdienen.Die Finanzierung der geplanten und verabschiedeten Investitionen ist kein Thema für uns.Und wir beteiligen uns auch bei der Finanzierung des Fahrwegs.In den nächsten fünf Jahren sind für den Schienenausbau etwa 9 Mrd.DM pro Jahr vorgesehen.Davon kommen 7,2 Mrd.DM vom Bund und 1,8 Mrd.von der Bahn.Das finanzieren wir aus eigenen Mitteln - durch den Anteilsverkauf an der DBKom zum Beispiel oder durch Erlöse aus Immobilien.So etwas hat es bei der Behördenbahn nicht gegeben.Und dem Bund kommt zugute, daß durch die Investitionen der Wert des Netzes deutlich gesteigert wird.Es gibt keinen Grund, unsere Investitionsoffensive zu stoppen. TAGESSPIEGEL: Welchen Zeitraum haben Sie da im Auge? DÜRR: Unsere Investitionsplanung ist bis zum Jahr 2001 vom Aufsichtsrat genehmigt. TAGESSPIEGEL: Sind weitere direkte Beteiligungen von Unternehmen an Tochtergesellschaften der Bahn - ähnlich wie DBKom - im Gespräch? DÜRR: Zum 1.Januar werden wir die DB Energie gründen, also das Stromnetz rechtlich verselbständigen.Da werden wir auch nach privaten Partnern Ausschau halten. TAGESSPIEGEL: Gibt es schon Kandidaten? DÜRR: Ja. TAGESSPIEGEL: Und wann geht die Bahn an die Börse? DÜRR: Wenn sie saniert ist.Allerdings werden wir mit Einzelgesellschaften vorher an die Börse gehen. TAGESSPIEGEL: Mit welchen? Für die DB Cargo, die bisher als Kandidat galt, wurde dieser Plan ja gerade aufgeschoben. DÜRR: Es gibt Überlegungen.Möglich wäre der Börsengang einer der kleineren Tochtergesellschaften, aber es ist noch zu früh, darüber etwas Konkretes zu sagen. Wir sind jedoch schon heute am Kapitalmarkt aktiv - etwa mit dem Fonds für den Leipziger Bahnhof.1997 wollen wir einen weiteren Fonds für die Renovierung von 25 Bahnhöfen auflegen. TAGESSPIEGEL: Sie wollen im nächsten Sommer in den Aufsichtsrat der Bahn wechseln und dort den Vorsitz übernehmen.Bleibt es dabei? DÜRR: Ja. TAGESSPIEGEL: Und wer wird Nachfolger? DÜRR: Das entscheidet der Aufsichtsrat auf Vorschlag des Eigentümers.

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