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Wirtschaft: Die Finanzkrise ist wieder da

In der Bankenbranche wächst die Angst vor neuen Problemen

Frankfurt am Main /New York - Die Finanzkrise meldet sich zurück. Spekulationen über Schwierigkeiten bei der US-Investmentbank Lehman Brothers haben eine neue Schockwelle an den Märkten ausgelöst. Vom Handelsblatt befragte Spitzenbanker, Aufseher und Volkswirte sehen keine Ende der Krise.

Im Gegenteil: Vor einem neuen Ausbruch der Finanzkrise warnt der Harvard-Ökonom und ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, Kenneth Rogoff: „Wenn die Immobilienpreise in den USA noch mal zehn bis 15 Prozent fallen, was ich annehme, wird der Dollar einbrechen, die Zinsen werden in die Höhe schießen, und die Krise wird wieder da sein“, sagte er dem „Handelsblatt“. Rogoff rechnet damit, dass US-Regierung und Notenbank dann mit Hilfen für die Finanzindustrie und den Immobiliensektor im Volumen von bis zu mehreren Billionen Dollar reagieren werden.

Die neuerliche Aufregung haben Berichte zur US-Investmentbank Lehman Brothers ausgelöst. Das Institut braucht voraussichtlich frisches Geld in Höhe von bis zu vier Milliarden Dollar und muss starke Belastungen durch hohe Abschreibungen auf Hypothekenprodukte sowie fehlgeschlagene Absicherungsgeschäfte verkraften. Lehman lehnte einen Kommentar ab. Aus dem Umfeld der Bank hieß es, eine Kapitalerhöhung sei nur eine von mehreren Optionen.

Zuvor hatte bereits ein pessimistischer Ausblick der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) die Investoren daran erinnert, dass die Finanzkrise nicht vorüber ist. S&P stufte die Kreditwürdigkeit von Lehman, Morgan Stanley und Merrill Lynch herab und begründete das mit der „anhaltenden Schwäche im Investment-Banking und dem Potenzial für weitere Abschreibungen“. Angesichts der Krise sieht S&P auch die Bonitätsnoten der Deutschen Bank unter Druck. Sollten weitere Abschreibungen im Investment-Banking anstehen oder die Ergebnisse aus anderen Gründen belastet werden, seien Herabstufungen wahrscheinlich, warnt S&P-Kreditanalyst Bernd Ackermann. Die S&P-Bonitätsbewertungen für das Institut liegen bislang mit „AA“ im Spitzenbereich.

Entwarnung will in dieser Situation auch der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Klaus-Peter Müller, nicht geben. Er sieht zwar erste Signale für eine Normalisierung der Märkte. Allerdings sei die Talfahrt des US-Immobilienmarktes, der Ausgangspunkt der Krise, noch nicht gestoppt.

Misstrauisch bleibt auch die neue Bankenaufseherin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Sabine Lautenschläger. Sie gehe zwar „mit Stand heute“ davon aus, dass die Banken in Deutschland ihre bestehenden Risikopositionen ausreichend wertberichtigt haben. Doch die Aufsicht dürfe nicht die Augen davor verschließen, „dass wir rentabilitätsschwache Institute in Deutschland haben“.

In den vergangenen Monaten hat die Finanzkrise weltweit Banken in Schieflage gebracht. Prominenteste Opfer in Deutschland sind die Mittelstandsbank IKB und die SachsenLB, die nur mit Milliardenhilfen am Leben erhalten werden konnten. Zum Wochenbeginn hatte die britische Hypothekenbank Bradford & Bingley die Anleger mit einem Quartalsverlust und einem düsteren Ausblick geschockt. Die Probleme am Häusermarkt hätten sich verschärft, teilte das Institut mit. Außerdem musste die Bank deutliche Abstriche bei der dringend benötigten Kapitalerhöhung machen.HB

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