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Wirtschaft: "Die Firmen müssen sich was einfallen lassen"

Klaus Segbers ist seit Anfang der 70er Jahre immer wieder mal in Rußland unterwegs gewesen.Zuletzt organisierte der am Osteuropainstitut der FU tätige Politikwissenschaftler eine Moskau-Reise des Berliner Wirtschaftssenators.

Klaus Segbers ist seit Anfang der 70er Jahre immer wieder mal in Rußland unterwegs gewesen.Zuletzt organisierte der am Osteuropainstitut der FU tätige Politikwissenschaftler eine Moskau-Reise des Berliner Wirtschaftssenators.Mit Segbers sprach Alfons Frese über die Krise in Rußland.

TAGESSPIEGEL: Herr Segbers, Optimisten gehen davon aus, daß in Rußland in spätestens sechs Monaten das Schlimmste überstanden ist.Wie ist Ihre Prognose?

SEGBERS: Die weitere Entwicklung hängt von der russischen Politik ab.Im Kern geht es um zwei Varianten: Entweder wird die Druckerpresse angeworfen und damit die Inflation angeheizt; das wäre schlecht für die makroökonomische Situation.Oder aber die Pragmatiker setzen sich durch und knüpfen an den Kurs an, der bis vor einem halben Jahr relativ erfolgreich war.

TAGESSPIEGEL: Und der Westen soll mit weiteren Milliarden helfen, damit sich die Pragmatiker durchsetzen?

SEGBERS: Bislang sind die westlichen Hilfen nur teilweise zielgebunden eingesetzt worden.Das muß sich ändern.Nur wenn das Geld unter Auflagen fließt, können die Mittel auch greifen.Wie die Bedingungen im einzelnen aussehen, müssen Geber und Nehmer gemeinsam klären.Ein Grundproblem ist der Mangel an verläßlichen Partnern auf allen Ebenen, der Staat funktioniert nicht.Stattdessen dealen alle großen Interessengruppen etwas aus.Da müssen wir ansetzen und mitdealen.Grundsätzlich sollte sich der Westen aber nicht beeindrucken lassen von Drohgebärden der Russen, die immer gerne behaupten, wenn es keine Hilfen gibt, dann geht es weiter abwärts.

TAGESSPIEGEL: Der Internationale Währungsfonds reicht seine Milliarden doch unter Auflagen aus.Was hat denn da im Falle Rußlands nicht funktioniert?

SEGBERS: Das Instrumentarium und die Kriterien sollten verfeinert werden.Alle Hilfen müssen sich auf drei Felder konzentrieren: Die makroökonomische Stabilisierung, den Aufbau von funktionsfähigen Institutionen wie einer Bankenkontrolle, einem verläßlichem Rechtssystem und dem Umbau des Sozialsystems, sowie schließlich der Aufbau eine effizienten Produktion.

TAGESSPIEGEL: Kann der Westen in die russische Makroökonomie eingreifen?

SEGBERS: Ein Kernproblem ist die Haushaltslage und damit auch die miesen Steuereinnahmen.Beim Aufbau eines funktionierenden Steuersystems könnte westliches Know-how sehr wohl helfen.Aus währungspolitischer Sicht ist ferner wünschenswert, wenn die russische Zentralbank unabhängig bleibt.In diesem Punkt könnte der Westen auch Einfluß ausüben.Und schließlich kann auf der Ausgabenseite des Staates angesetzt werden: Es gibt in Rußland zu viele staatliche Verwaltungen und Bedienstete.Die westlichen Erfahrungen mit Verwaltungsreformen und dem Umbau nicht mehr finanzierbarer Sozialsysteme könnten hier eingesetzt werden.Beim Aufbau der Institutionen wird bereits beraten, doch der Know-how-Transfer müßte auf die regionale Ebene ausgeweitet werden.Viele Provinzregierungen und -Verwaltungen sind in einem erbärmlichen Zustand.

TAGESSPIEGEL: Das gilt insbesondere auch für die Industrie.Sollte sich die westliche Exportförderung nicht auf Investitionsgüter beschränken?

SEGBERS: Das wird bereits versucht und sollte forciert werden.Aber es bleibt trotzdem das Problem der Finanzierung.Angesichts des erodierenden russischen Bankensystems und der kaum noch möglichen Hermes-Deckung müssen sich die Unternehmen was einfallen lassen.Insbesondere sollte man stärker Bartergeschäfte vorübergehend tätigen, also Güter gegen Güter liefern.

TAGESSPIEGEL: Gemeinsam mit Wirtschaftssenator Pieroth haben Sie vor wenigen Wochen Jungunternehmer in Rußland besucht.Welcher Eindruck ist hängengeblieben?

SEGBERS: Wir beobachten inzwischen die Entwicklung eines Mittelstandes.Es gibt viele Gründer und cleverer Jungunternehmer, die sich als potentielle Partner für kleine und mittelgroße westliche Unternehmen anbieten.Da müßte die Politik der Bundesländer und Kommunen ansetzen, nämlich Kontakte herstellen und Partnerschaften vermitteln.Wir haben in Moskau Namen gesammelt, und die Unternehmer sollen nun nach Berlin zu Präsentationen oder Messebeteiligungen eingeladen werden.

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