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Wirtschaft: Die Frau des Rebellen

Wie die Witwe des sudanesischen Vizepräsidenten Garang das Friedenswerk ihres Mannes weiterführt

Von Emily Wax Die Frauen weinten und klagten. Sie brachen vor dem Sarg von John Garang, dem sudanesischen Vizepräsidenten und früheren Rebellenführer zusammen. Garang war Ende August bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Am Ende der Zeremonie fielen die Frauen in Ohnmacht, eine nach der anderen. So wie es die ihnen zugedachte Rolle bei einer Beerdigung im südsudanesischen Juba vorsieht – ein Ritual kollektiven weiblichen Klagens in einer patriarchischen Gesellschaft, in der es für Männer ein Tabu ist, zu weinen. Selbst um einen Helden der afrikanischen Geschichte.

Doch Garangs Witwe Rebecca brach nicht in Tränen aus. Statt dessen zeigte sie Größe, in einer Situation, in der ihr Land gerade seinen Führer verloren hatte und in Gewalt zu versinken drohte. John Garang, der im 21jährigen Bürgerkrieg im Sudan die Sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA) befehligte, gilt als Architekt des im Januar unterzeichneten Friedensvertrages zwischen Nord und Süd.

Sobald sie die Nachricht vom Tod ihres Mannes erreicht hatte, begann Rebecca Garang, eine große Frau in den Fünfzigern, feurige Reden zu halten. Sie rief die Menschen auf, Ruhe zu bewahren und die Mission ihres Mannes fortzusetzen. Innerhalb weniger Tage wurde sie in einem Land, in dem Frauen kaum eine öffentliche Rolle spielen, zu einer wortgewandten und mächtigen Kraft. „Ich werde meinen Mann nicht vermissen, solange ihr, das sudanesische Volk, das Friedensabkommen beachtet“, sagte sie bei der Beerdigung. „In unserer Kultur sagt man: Wenn man den Löwen tötet, muss man auf die Löwin achten.“

Bei den Ausschreitungen nach dem Tod Garangs in Khartum und Juba wurden mehr als einhundert Menschen getötet, doch Rebecca Garang fand den richtigen Ton, um das Land zu beruhigen. US-Präsident George W. Bush rief an, um sich bei ihr zu bedanken und selbst die früheren Gegner ihres Mannes zollten ihr Anerkennung. „Nach seinem Tod waren die Worte von Mama Rebecca wie Milch“, sagte Abdel-Basit Sabdarat, der Informationsminister, der Regierung und den Rebellenführern, die an der Zeremonie teilnahmen. „Wir waren verwundet. Sie war da, um uns zu heilen und wurde zum Symbol des Landes.“ Viele Menschen hoffen, dass Rebecca Garang im Sudan dauerhaft eine Rolle spielen wird. Salva Kiir Mayardi, der nun ihrem Mann als Vizepräsident folgt, hat nicht die politische Größe Garangs.

Drei Wochen nach Garangs Tod besuchte seine Witwe Uganda, um Solidarität zwischen dem Südsudan und Uganda zu demonstrieren. Es war eine bedeutsame Reise, weil ihr Mann beim Rückflug von einem Treffen mit dem ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni ums Leben gekommen war. Museveni hatte Garang einen ugandischen Militärhubschrauber für den Rückflug geliehen. Viele Südsudanesen glauben jedoch nicht an einen Unfall, sondern an ein Komplott. Garangs Witwe aber sagt, sie selbst habe ihren Mann gebeten, wegen der Wetterlage nicht zu fliegen.

Im Laufe der Karriere ihres Mannes stand Rebecca Garang oft bei öffentlichen Anlässen an seiner Seite. Wenn er seine Reden beendet hatte, gab sie ihre eigenen Erklärungen über die Bedeutung der Schulbildung für Mädchen oder die Rechte der Frauen ab. Menschen, die ihr nahe stehen, sagen, sie sei in der Tat nicht weniger politisch klug, entschlossen und hart als ihr Mann. Sie war Kommandeurin in der Rebellenarmee und es wird erzählt, dass sie ihre weiblichen Untergebenen so sehr forderte, bis sie nach Pausen bettelten. Sie war außerdem für ihre feurigen Durchhalteparolen bekannt. „Sie sagte uns, dass wir auf unseren eigenen Füßen stehen und kämpfen müssten“, sagt die 28-jährige Nunu Suwad, eine langjährige Freundin aus der Rebellenbewegung. „Sie respektierte jeden, der hart arbeitete.“

Wie auch ihr Mann reiste Rebecca Garang regelmäßig in den Westen. Die sechs Kinder des Paares haben in den USA und Europa studiert. In den vergangenen Jahren hat sie geholfen, Schulen für Kriegswaisen zu gründen und für die Rechte der weiblichen Veteranen der Rebellenbewegung gekämpft. „Sie sagte uns: Ich bin bei Euch. Ich werde Euch helfen“, erzählt Nunu Suwad. „Frauen werden in unserer Kultur für gewöhnlich nicht sonderlich respektiert. Aber Rebecca kämpft für uns.“

Vor einigen Monaten hat sie Rumbek besucht, die Übergangshauptstadt des Südsudan, wo sie eine Arbeitsgruppe für weibliche Veteranen leitete, um diese auf zivile Arbeitsstellen vorzubereiten. „Rechte werden einem nicht geschenkt. Man muss sie sich nehmen“, sagte sie an diesem Tag. „Wir haben in den Büschen gekämpft und jetzt, da wir zurückgekommen sind, können wir nicht so behandelt werden wie vorher. Wir dürfen nicht die Fehler wiederholen, die wir im alten Sudan gemacht haben.“

Die Texte wurden übersetzt und gekürzt von Tina Specht (US-Anwälte), Svenja Weidenfeld (Sudan), Matthias Petermann (Katrina) und Christian Frobenius (Einwanderung und Disneyland).

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